Franz Hessel

Franz Hessel

Franz Hessel: “Genieße froh, was du nicht hast …”

Ein Autor, dem seine jüdische Herkunft zum Verhängnis wurde …

Den großen Durchbruch als Schriftsteller hatte Franz Hessel nie, weder im literarischen Kreis seiner Zeit, noch beim interessierten, breiten Publikum; dies zieht sich bis heute durch, denn sein gesamtes literarisches Werk ist doch stark in Vergessenheit geraten, leider. Er veröffentliche zahlreiche Romane und Gedichte und machte sich einen Namen durch Übersetzungen französischer Klassiker, wie zum Beispiel Marcel Proust. Franz Hessel war ein Romantiker, doch mit so genauer Beobachtungsgabe, dass er in seinen Romanen die Leser mit in seine Welt zog, die einen anderen Blick auf die Realität warf. Den einzigen Vorwurf, den man ihm machen könnte, war der der leichten Schwermut; doch nicht immer ist die Realität, auch wenn man sie mit romantischen Herzen betrachtet, immer mit Leichtigkeit zu vermitteln.

 

Ein Tagelied

Du Augenweide
Herzeleid,
Wie sind wir beide
Einander weit.
Mich hat der Tag
Kaum wach gemacht.
Mich hat ein Traum
So schwach gemacht:

Wie meinem Leide
Wohlgeschah!
Wir waren beide
Einander nah.
Wie sind wir beide
Einander weit,
Du Augenweide
Herzeleid.

Franz Hessel wurde am 21. November 1880 in Stettin geboren, seine Familie war äußerst wohlhabend, so zog diese, nach dem Tod des Vaters, in das kaiserliche Berlin. Hier machten er und sein drei Jahre älterer Bruder Alfred, der spätere bekannte Historiker, ihr Abitur.

 


Franz ging zum Jurastudium nach München, brach dieses Studium ab und studierte Orientalistik, doch auch dies nicht zu Ende. Von 1903 bis 1906 lebte er mit Franziska Gräfin zu Reventlow und deren Lebensgefährten Bodan Baron von Suchocki in einer Wohngemeinschaft in München-Schwabing. Seine finanzielle Unabhängigkeit ließ ihm ein äußerst gelassenes Studentendasein leben, so hatte er auch die Zeit und Muße zu schreiben, ohne den Druck etwas verkaufen zu müssen. Seine Münchner Zeit ließ er zurück als er nach Paris ging, um dort in die viel beachtete Kunst- und Literatenwelt einzutauchen. Hier lernte er den Kunstsammler Henri-Pierre Roché kennen, mit dem ihn eine äußerst enge Freundschaft verband. Hier traf er auch Helen Grund, eine Modejournalistin, die er 1913 heiratete. Zwischen Henri-Pierre Roché, Franz Hessel und seiner späteren Ehefrau Helen gab es eine Dreiecksbeziehung, die durch den Film von ‚Jules et Jim’ von François Truffaut später bekannt wurde. Das Ehepaar Hessel zog nach Berlin, hier wurde ihr zweiter Sohn Stéphane 1917 geboren und Franz Hessel arbeitete in den Zwanziger- und Dreißigerjahren als Lektor im Ernst Rowohlt Verlag. Parallel dazu übersetzte er Werke von Casanova, Stendhal, Honoré de Balzac, Marcel Proust und Jules Romain. Außerdem schrieb Franz Hessel für Zeitschriften und veröffentlichte Romane, die zum Teil autobiografisch waren. So schlug sich seine Zeit mit Franziska Gräfin zu Reventlow und Bodan Baron von Suchocki in dem Roman ‚Kramladen des Glücks’ nieder; die Anfänge seiner Beziehung mit Helen in ‚Pariser Romanze’. 1925 geht Helen nach Paris zurück, um ihre Tätigkeit als Modekorrespondentin der ‚Frankfurter Zeitung’ aufzunehmen. Sie findet Beachtung und Bewunderung, Rainer Maria Rilke widmet ihr ein Gedicht, Emil Jannings flirtet mit ihr. Ihrem Lebensmotto, dass eine Frau Mutter werden und Geliebte bleiben müsse, bleibt sie treu. 1925 ziehen die Hessels, nunmehr für kurze Zeit wieder vereint, in den Pariser Vorort Fontenay-aux-Roses, doch Franz kehrt bereits 1927 nach Berlin zurück, Helen zieht mit den Söhnen in das  XIV. Arrondissement.

 
Vorort Fontenay-aux-Roses, doch Franz kehrt bereits 1927 nach Berlin zurück, Helen zieht mit den Söhnen in das  XIV. Arrondissement. Die Wohnung wird zum Künstlertreffpunkt. Marcel Duchamp und Max Ernst, Pablo Picasso und Le Corbusier gehen ein und aus, Man Ray macht Aufnahmen von Helen, die dafür nackt am Strand posiert. Als ‚Explosion der Künste’ bezeichnet Stéphane Hessel die Zeit zwischen den Kriegen, im Umfeld, in dem er aufwuchs, habe damals ein ‚großes Gefühl von Europa’ geherrscht. Franz Hessel pendelt zwischen Paris und Berlin, eine grundsätzliche Entscheidung fällt ihm schwer. „Der Berliner hat keine Zeit“, konstatierte Kurt Tucholsky 1919, und zehn Jahre später bewies ein Autor, dass es zumindest einen Bewohner der Großstadt gab, auf den dieses Diktum nicht zutraf: Franz Hessel brachte die Kunst des Schlenderns, des Spaziergangs, des müßigen Flanierens in seine Heimatstadt zurück. Und er tat dies umwerfend: ‚Spazieren in Berlin’, 1929 erstmals veröffentlicht, ist ein wunderbar erzähltes Buch, stilistisch glänzend und voller Poesie, voller feiner Beobachtungen und Beschreibungen, getragen von großer Neugier und ebensolchem Wissen. Wie so vielen wenig religiös geprägten Menschen, ging es auch Franz Hessel und seiner Familie so, dass ihnen ihr Judentum erst nach der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten bewusst wurde. Obwohl die Nationalsozialisten dem jüdischen Schriftsteller ein Berufsverbot erteilten, blieb Franz Hessel beim Rowohlt-Verlag und in Deutschland. Im Gegensatz zu vielen anderen Juden, die mit Berufsverboten belegt wurden, traf ihn das finanziell weniger, auch war er, wie die Mehrheit der deutschen Juden der Meinung, dass diese Zeit der Einschränkungen schnell vorüber gehen würde. Im Herbst 1938, noch vor den Novemberpogromen, muss Franz Hessel Berlin endgültig verlassen. Helen rettet ihm vermutlich das Leben, als sie ihn in einer abenteuerlichen Aktion aus Deutschland schleuste. Im April 1940, der Zeit der ‚drôle de guerre’, flüchtet die Familie nach Sanary-sur-mer an der Côte d’Azur, wo unzählige Exilanten eine vorübergehende Zuflucht finden. Stéphane Hessel arbeitet mit dem jungen Amerikaner Varian Fry zusammen, der so vielen von ihnen zur Flucht aus Europa verhelfen kann. Im Mai werden Ulrich, der ältere Sohn von Helen und Franz, und Franz selbst im Lager von Les Milles interniert, Franz erleidet einen Schlaganfall, erkrankt an Ruhr. Ende Juli 1940 wird er aus dem Lager entlassen. Doch von den Strapazen der Haft stark geschwächt, stirbt Franz Hessel nach kurzer Krankheit am 6. Januar 1941.

Wiegendlied der Liebe

Ich trage dich stille
Geborgen an meiner Brust.
Des Lebens wilder Wille
Ist mir nicht mehr bewusst.
Kein Glück, daran ich hang,
Kein Schmerz, davor mir bang,
Fern liegen Leid und Lust.
Wie Blumen auf dem Feld
Blühen wir wunderbar.
Versunken ist die Welt –
Blume nur auf dem Feld,
Nur meines Blühens bewusst,
Trag ich dich immerdar
Geborgen in meiner Brust.

Im Jahr 2010 wurde ein deutsch-französischer Literaturpreis begründet, der seinen Namen trägt: Franz-Hessel-Preis. Damit sollen zeitgenössische Autoren aus beiden Ländern geehrt werden, die mit ihrer Literatur den deutsch-französischen Brückenschlag befördern. Der Preis wurde im Dezember 2010 erstmals vergeben, an Maylis de Kerangal und Kathrin Röggla.

 

Bild 1: Franz Hessel · Bild 2+3: Buchtitel von Franz Hessel – Quelle:literaturkritik.com

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