August Dickmann • Erster Kriegsdienstverweigerer der NS-Zeit

August Dickmann • Erster Kriegsdienstverweigerer der NS-Zeit

„Der Wehrdienstverweigerer ist ein Revolutionär. Wenn er dem Gesetz den Gehorsam verweigert, um dadurch zu einer Verbesserung der öffentlichen Verhältnisse beizutragen, erfüllt er unter Aufopferung seiner persönlichen Interessen eine überaus wichtige Aufgabe“ Albert Einstein

Für Zeugen Jehovas war die Kriegsdienstverweigerung ein Teil ihres Glaubens, der keine Abstriche erlaubt, dies gilt auch heute noch und hier kollidieren viele Zeugen Jehovas mit den staatlichen Interessen. Im ersten Weltkrieg war die Position dahingehend nicht so gefestigt, so dass viele dieser Glaubendsgemeinschaft in den Krieg zogen, doch wenn möglich in den Sanitätsdienst oder in rückwärtige Dienste gingen, mussten Zeugen Jehovas an die Front, so schossen sie in die Luft. Doch nach dem Krieg festigte sich die Haltung der Bibelforscher, erst ab 1931 nannten sie sich Zeugen Jehovas, und es kam zu einer gänzlichen Kriegsdienstverweigerung. Doch nicht nur in dieser Hinsicht kollidierten die Zeugen Jehovas mit dem Regime der Nationalsozialisten, sondern auch hinsichtlich des Führerprinzips, da es für sie nur eine einzige Autorität gab und gibt, Jehova, Gott. Ferner lehnten sie den propagierten Rassismus in jeglicher Form ab. So war die Haltung von August Dickmann, der am 7. Januar 1910 in Dinslaken geboren wurde, nur folgerichtig. August Dickmann verlebte eine ganz normale Arbeiterkindheit seiner Zeit und arbeitete selbst, nach dem erfolgreichen Besuch der Volksschule in einem Sägewerk. Mit seinen Brüdern Heinrich und Fritz kam er zum Bibelstudium bei den Zeugen Jehovas. In dieser Gemeinschaft fühlte sich den junge Mann wohl und die Lebens- und Glaubensziele entsprachen ihm. Auch nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, und die Aktivitäten der Religionsgemeinschaft verboten wurde, missionierten August Dickmann und seine Brüder weiter, gingen friedlich von Haustür zu Haustür. Fritz Dickmann wurde verhaftet und kam 1935 in das Konzentrationslager Esterwegen, doch das schüchterte den jungen August nicht ein, erhielt an seiner Glaubensgemeinschaft fest. 1936 wurde er von der Gestapo verhaftet und zu einer kurzen Gefängnisstrafe verurteilt, doch nach Verbüßung dieser wurde er nicht entlassen, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Zur Kennzeichnung der Häftlinge, erhielten die Zeugen Jehovas das lila Dreieck auf der Häftlingskleidung. August Dickmann fügte sich in den Häftlingsalltag und traf viele seiner Glaubensbrüder, ebenso seinen Bruder Heinrich, der im März 1939 ebenfalls in das Konzentrationslager Sachsenhausen, bei Berlin, eingeliefert wurde. Was nun geschah, wurde von vielen Mithäftlingen nach der Befreiung von diesem unmenschlichen Regime erzählt. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 erhielt die Familie von August Dickmann seinen Wehrpass zugestellt, den sie an die Adresse des Konzentrationslagers Sachsenhausen weiterleitete. In der Lagerkommandantur wurde folgendes protokolliert: „Am fünften September dieses Jahres ist der Häftling Bibelforscher August Dickmann zu der politischen Abteilung des Lagers bestellt worden, um seinen Wehrpass zu unterschreiben. In Verkennung der politischen Lage des Reiches und des bestehenden Kriegszustandes hat Dickmann die Unterschrift trotz nachdrücklichsten Hinweises nicht vollzogen. Er gab weiter zu Protokoll, dass er niemals Soldat werden kann und auch niemals im Krieg Menschen töten wird, da Jehova den Krieg nicht geheiligt und befohlen habe. Ferner erklärte er, dass er Adolf Hitler nicht als den Führer des deutschen Volkes anerkenne, denn Adolf Hitler sei die personifizierte Bosheit und ein Werkzeug Satans. Auf die Folgen dieses Verhaltens aufmerksam gemacht, erklärte Dickmann, dass er bereit sei, die Folgen zu tragen …“ Nachdem August Dickmann für seine Weigerung schwer misshandelt wurde, kam er in den Arrest einer Einzelzelle im Lagerbunker. Doch der Lagerkommandant Hermann Baranowski wollte es dabei nicht belassen, zu sehr ärgerte ihn die Äußerung und Haltung dieses Häftlings.



Sein Adjutant war Rudolf Höß, der spätere Lagerkommandant von Auschwitz, unterstützte seinen Vorgesetzten, den er später so beschrieb: „Als uralter SS-Führer und Nationalsozialist wurde er mir zum Vorbild. […] Auch er hatte Momente, in denen seine Gutmütigkeit, sein weiches Herz klar zu Tage traten, und doch war er hart und unerbittlich streng in allen Dienstangelegenheiten. So hielt er mir stets vor Augen, wie das in der SS geforderte harte ‚Muss‘ alle weichen Regungen zum Schweigen bringen musste.“ So meldete Baranowski den Fall nach Berlin und erbat die Exekution des Häftlings August Dickmann vor den Augen seiner mitinhaftierten Glaubensbrüder. Zu dieser Zeit waren ungefähr 380 Zeugen Jehovas im Konzentrationslager, zu meist ohne Urteil eines Gerichts, inhaftiert. Baranowski versprach sich von dieser öffentlichen Hinrichtung eine Umkehr der restlichen Zeugen Jehovas, in Hinsicht auf die Wehrdienstverweigerung. Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, reagierte schnell und persönlich, indem er die Exekution August Dickmanns anordnete. Am 15. September mussten nach dem Abendappell im Lager alle cirka 8500 Häftlinge stehen bleiben. Anschließend wurden alle Bibelforscher, in der NS-Terminologie setzte sich der Begriff der Zeugen Jehovas nie durch, die mit dem lila Winkel aufgefordert, sich ganz vorne aufzustellen, wo man eine Holzwand errichtet hatte, die als Kugelfang dienen sollte. August Dickmann wurde von einigen SS-Offizieren vorgeführt. Fritz Brinkmann, ehemaliger politischer Häftling berichtet: „Nun ordnete der Vierkant, der Lagerkommandant Baranowski an, dass der Schutzhäftling August Dickmann vorgeführt werden soll. Wir wunderten uns schon. Bruder August Dickmann war schon 3 Tage im Arrest. Nun ahnten wir, dass hier etwas besonders im Gange sei.“ Josef Rehwald, ebenfall Zeuge Jehovas erzählte: „Eines Tages musste das ganze Lager (hier) aufmarschieren. … Vor uns war eine große Kugelwand aufgebaut worden, rechts von uns standen 7 SS Leute, ein Erschießungskommando und ein SS Offizier im Range eines Sturmbannführers also mit 4 Sternen. Dann plötzlich kam ein SS Mann zwischen den Baracken hindurch und führte August Dickmann vor und er musste sich dann vor diese Kugelwand platzieren und zwar mit dem Gesicht zur Kugelwand.“ Der Lagerkommandant Baranowski meldete sich über die Lautsprecher des Lagers, laut Aussage Wilhelm Röger, einem Augenzeugen der Hinrichtung, sagte er folgendes: „Der Bibelforscher August Dickmann hat sich geweigert, den Wehrpass zu unterschreiben. Der Grund: Er fühle sich nicht mehr als Deutscher, sondern als Bürger des Neuen Königreiches. Deshalb hat ihn der Reichsführer der SS Himmler zum Tode verurteilt, welches Urteil jetzt vollzogen wird. Das Urteil wurde ihm vor einer Stunde unterbreitet.“ Das Exekutionskommando stand unter der Leitung von Rudolf Höß, aus seiner Pistole erhielt Dickmann, dessen Körper nach der Exekution zusammengesackt war, einen ‚Fangschuss’ in die linke Schläfe seines Kopfes. Dies war die erste öffentliche Hinrichtung im Konzentrationslager Sachsenhausen. Josef Rehwald: „Dann gab der SS-Offizier den Schließbefehl und August Dickmann fiel dann rückwärts um. Der zog dann noch seinen Revolver, der Offizier und schoss ihm wohl in Kopf, also den sogenannten Fangschuss geben.“ Fritz Bringmann: „Nicht nur für mich, sondern für uns alle war dieser Akt ein glatter offener Mord, den es bis dahin in Sachsenhausen nicht gegeben hat. Morde hat es etliche gegeben, aber so offen und vor der angetretenen den Lagerbestand hat es nie zuvor eine solche Erschießung gegeben. Und ich muss sagen, dass hat nicht nur auf mich, das hat alles sehr deprimierend gewirkt, denn mit anschauen zu müssen, wie ein Mensch, der nur seiner Auffassung treu geblieben ist und keinen Wehrdienst leisten wollte, der sich also nicht zum Handlanger der Wehrmacht machen wollte. Das man den nur wegen seiner Gesinnung und wegen dieser Verweigerung erschießt, dass war für uns ein glatter  auch ein glatter politischer Mord.“


Der deutsche Rundfunk gab die Hinrichtung Dickmanns am 16. September 1939 bekannt. Die Meldung wurde in den darauf folgenden Tagen mehrfach wiederholt.

In den deutschen Zeitungen erschien eine ‚Mitteilung des Reichsführers SS’ über die Erschießung des ‚Volksschädlings’ August Dickmann. Der Text lautete:„Erschossen wurde … am 15.9.1939 wegen Weigerung, seine Pflicht als Soldat zu erfüllen, August Dickmann, geboren 7.1.1910, aus Dinslaken. Dickmann begründete seine Weigerung mit der Erklärung, er sei ‚Zeuge Jehovas‘; er war ein fanatischer Anhänger der internationalen Sekte der ‚ernsten Bibelforscher‘.“

Am 17. September 1939 berichtete die New York Times: „August Dickmann, 29 Jahre alt, … wurde hier von einem Hinrichtungskommando erschossen.“ Wie in der Zeitung ausgeführt wurde, war er der erste deutsche Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen im damaligen Krieg.

Sechzig Jahre später, am 18. September 1999, wurde von Seiten der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten des Todes August Dickmanns gedacht. Eine Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen erinnert Besucher jetzt an seinen Mut.

Bild 1: August Dickmann vor seiner Verhaftung (Foto: JZ) – Quelle: radio-nachgefraft.de · Bild 2: Eingangstor KZ Sachsenhausen – Quelle: wikipedia.org · Bild 3: Gedenkstein August Dickmann – Quelle: umn.edu 

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