Natürlich darf man eine Meinung zu Wahlkämpfen in anderen Ländern haben, denn in gewisser Weise haben sie sie auch immer etwas mit uns als Land, häufig sogar mit jedem einzelnen zu tun. Ob es private, familiäre Bande sind, der Arbeitsplatz mehr oder weniger mit der Verflechtung zu diesem Land verbindet, oder ein gesteigertes Interesse vorhanden ist, aus welchen Gründen auch immer. Da ist der geneigte Leser froh, ein breites Feld der Informationen hier vorzufinden, in allen Facetten des Meinungsspektrums, ebensolches gilt natürlich auch für die Fernsehzuschauer; auch die Konsumenten der mehr oder weniger sozialen Netzwerke, überall kann man sich „seine“ Informationen holen und daraus eine Meinung bilden, oder halt auch nicht.
So langsam beginnt die wärmere Phase des US Wahlkampfes, wobei mancher geneigter Leser sich fragt, ob er sich nicht seit Jahren in einem Feuerwerk von Tweets in einem permanenten Wahlkampf befindet, aber das nur am Rande. Nun haben wir zwei Monate US Wahlkampf in den Medien vor uns und es scheint, als ob „jeder“ Deutsche, also 82 Millionen Menschen, eine feste Position dazu hat; wobei beachtet werden muss, dass kaum jemand von denen wahlberechtigt ist, doch was soll´s; und weil dem so zu sein scheint, mache auch ich mir hier mal so meine Gedanken.
Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, ist es wirklich so erstrebenswert Präsident der USA zu werden; denn wenn ich mit kühlem Kopf auf die Probleme dieses Landes blicke, so halte ich diese für kaum, bis gar nicht lösbar; jedenfalls nicht in einer Legislaturperiode.
Angefangen mit maroden Institutionen, die dringendst einer Reform oder Neustrukturierung bedürfen, denn diese Institutionen haben sich in den USA der letzten 40 Jahren von ihren Gründungsideen verabschiedet und eine Eigendynamik entwickelt, die nicht einfach zurückzudrehen ist; sie müssten auf neue Füße gestellt werden, doch woher nehmen? Um nur eine zur Zeit häufig genannte Institution zu erwähnen, die FDA (Food and Drug Administration), die für Medikamentenzulassungen verantwortlich ist, erscheint weniger zuverlässig, wenn sie vor manchem warnt, anderes zulässt und der Pharmaindustrie keine Preisgrenzen aufzeigt. Kaum ein Patient in den USA kann nach Gesetzmäßigkeiten, Richtlinien googeln, um informiert zum Arzt oder Drugstore zu gehen, denn verlässt er sich auf die FDA, gibt es bestimmt noch eine bundesstaatliche Verordnung, die völlig abweicht, was die oberste Behörde vermeldet. Dies nur ein ganz kleines Beispiel, auf welch tönernen Füßen all die so gelobten „Checks and Balances“ Funktionen stehen, oder auch nicht. Diese Aushöhlungen der Institutionen ist nicht in den letzten Jahren entstanden, es ist ein Jahrzehnte langer Prozess und nur zur Zeit liegen diese Wunden offener auf dem Tisch, als zu anderen Zeiten. Ähnlich marode liegt das öffentliche Bildungssystem darnieder. Nicht, dass es einmal völlig auf der Höhe ihrer Zeit war, doch Lehrer an öffentlichen Schulen werden schlecht bezahlt, Lernmittelfreiheit gibt es nicht und wer es sich irgendwie leisten kann, geht an private Bildungseinrichtungen; ob Schüler oder Lehrer. Von weiterer Ausbildung oder qualifizierter Weiterbildung kann im gesellschaftlichen Raum kaum, bis gar nicht die Rede sein. Ähnlich verhält es sich mit Krankenversicherung, Umgang mit Arbeitslosigkeit, oder Arbeitsplatzsicherung.
Doch in den staatstragenden Institutionen, ob es Polizei, Wettbewerbshüter oder Verwaltung geht; die Eigendynamik all dieser Pfeiler von Staat und Gesellschaft ist in sofern erschreckend, da sie den Blick ihres eigentlichen Auftrags längst oder teilweise verloren haben. Selbst die wohlwollendsten Mitarbeiter in welchen Institutionen auch immer, stoßen an ihre Grenzen, ermüden, und arbeiten irgendwann nur ihre Vorgaben ab.
So entsteht eine verunsicherte Gesellschaft, die lieber einen oder mehrere Schuldige sucht, als an den Kern der Verunsicherung heranzugehen, da es auch genug Kräfte gibt, die vom Debakel profitieren; nun, und wer möchte das nicht und wem es vorzuwerfen. Wenn dann mal ein Vorfall etwas gänzlich offen legt und es kein vor oder zurück mehr gibt, dann wird scheinbar repariert, doch dies ist häufigst Makulatur, also nur kurzfristig befriedet.
Die Liste könnte endlos so weiter gehen, ob es Handel, Industrie, Verkehrswesen ist, überall wäre eine Reform mit Zukunftscharakter mehr als notwendig, leider.
Die Gewaltenteilung der Demokratie steckt auch nicht erst seit „gestern“ im eigenen Sumpf fest, nein, die Legislative geht zwei Schritte vor, danach eineinhalb Schritte zurück, bis ein Kompromiss gefunden wurde, bei dem „nur“ ein halber Schritt rückwärts gemacht wurde; welch ein Erfolg! Heikle Themen wie Waffenbesitz oder eskalierende Gewalt kommen gar nicht erst in die Parlamente, dafür sorgen mächtige Lobbyverbände, wie bei anderen drängenden Themen auch. Ebenso eine fehlt es an einer Stärkung der Industrie, der Landwirtschaft, ja, der gesamten Wirtschaft unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes. Zukunftsweisend, vielleicht sogar visionär erscheint aus diesen Gremien nichts. Rückwärtsgewandtheit in neuen Kleidern, ist und bleibt Rückwärtsgewandtheit. Auch die Exekutive sieht da nicht besser aus, ob es das Steuerwesen, Gesundheitsbehörden, die Machtfülle von privaten Gefängnissen oder Polizei ist; überall wäre grundsätzlicher Reformbedarf, doch sogar kleinste notwendige Änderungen, werden mehr oder weniger im Kein erstickt, weil kaum einer wahrhaftig dem Allgemeinwohl dient; nicht das der Einzelne das nicht möchte, sondern weil die Gegebenheiten schon lange nicht mehr vorhanden sind. In manchen Teilen sieht die Judikative noch recht intakt aus, doch schaut man genau hin, spiegeln sich auch hier die gesellschaftlichen Verwerfungen wieder, die (fast) überall zu sehen und zu spüren sind. Ein Gemeinwesen, dass diesen Namen kaum noch trägt, ein Land, in dem der Einzelne und sein sein Handeln auf dem Papier etwas zählt, doch die Realitäten sehen anders aus.
Jeder fühlt sich von irgendjemandem „bedroht“, auf ganz diffuse Art und Weise und da Selbstreflexion selten eine amerikanische Tugend war, wird auf den anderen geschaut, um einen eventuellen „Feind“ auszumachen.
In solch einer Gemengelage Präsident zu sein, ist schon ein kaum zu bewältigendes Unterfangen und könnte nur als gemeinsamen Kraftakt der gesamten Gesellschaft gelingen, und auch nur dann, wenn wenig Versprechungen dahinter stehen und die Zeitvorgaben realistisch sind. Mit anderen Worten, kaum bis gar nicht zu schaffen und je nach Couleur des Einflusses würde es höchsten nur wieder einen neuen Anstrich geben, denn Reformbereitschaft wird an so vielen Hürden scheitern, dass dahingehend kaum Aktionen zu erwarten sind.
Nein, es ist (noch) kein düsteres Bild, das sich hier abzeichnet, es ist ein kleiner Überflug, der alltäglich zu beobachten ist und auch wenn nicht immer die Bürger den Finger direkt auf die Wunde des Systems legen können, dann wird es erfühlt und ein ungutes Gefühl bleibt zurück.
Bei aller Problembeschreibung sind aber noch gar nicht die aktuellen innenpolitischen Probleme genannt; obwohl sie natürlich auch mit den Systemischen einhergehen, beziehungsweise sie einander bedingen.
Da ist aktuell die „Black-Lives-Matter“ Bewegung, die „nur“ gewaltsam aufflammt, nach Ereignissen, die wenig hinzunehmen sind. Eine Bewegung, die es unterschwellig seit knapp 150 Jahren gibt. Auch hier wäre diese Situation nicht nur mit Gesetzen und Verordnungen in den Griff zu bekommen; auch nicht mit Quotenregelungen oder ähnlichem, denn hier spielt noch eine ganz andere Komponente mit, der Neid. Dieser Neid ist weit aus älter als der Bürgerkrieg und ist sitzt tief in den unteren Schichten der weißen Bevölkerung, denen es in Zeiten der Sklaverei oftmals schlechter ging, als so manchen Sklaven, jedenfalls von außen gesehen, ohne zu wissen, oder wissen zu wollen, wie sich Sklaven fühlen oder was diese denken. So waren und sind diese gesellschaftlichen Gruppen nie zusammen gekommen, konnten nie auf einander hören, miteinander reden, einander wirklich kennen lernen. Ob es noch einmal eine friedensbewegte schwarze Bewegung geben wird, wird sich zeigen und hier könnte die politische Klasse mit dem Präsidenten Räume schaffen, um mehr Akzeptanz von beiden Seiten zu erreichen. Ob das möglich ist, nun, alles ist möglich, ob es wahrscheinlich ist, oder irgendwo ein neuer „Malcom X“ wartet, nun das wird sich zeigen. Doch das ist nicht das einzig drängende Problem, das so offen auf dem Tisch liegt, die Wirtschaft insgesamt liegt kurz von dem Desaster, die Arbeitslosigkeit ist dramatisch in manchen Teilen des Landes und es hungern schon heute Menschen in einem der (noch) reichsten Länder der Erde. Dieses wirtschaftliche Problem hängt ganz stark mit dem Problem der Pandemie zusammen, doch nicht nur, da auch hier tritt das vorher angedeuteten Systemversagen besonders zu tage. Ja, und da wären wir bei Covid 19; einem weltweiten Problem, das (leider) nicht weltweit angegangen wird und somit mal strengstens angegangen wird und woanders fast negiert wird. Eine Gemengelage ohne Richtung und so ist auch hier viel Raum für subjektive Interpretation jedes einzelnen gegeben, wie in bei vielen Themen, viel zu vielen in den USA. Tja, und in dieser hochgepriesenen Freiheit, der eigenen Interpretation, ist man dann allein und sein eigener Gefangener, der sich Gleichgesinnte suchen muss, und nicht immer zum Nutzen der gesamten Gesellschaft, eine brisante Mischung, die häufig noch von sozialen Medien befeuert wird.
Wie auch immer man es dreht und wendet, eins ist ganz gewiss, ein zurück wird es nicht geben, für keinen einzelnen, keine Gruppe und auch nicht für den nächsten Präsidenten, wer auch immer das sein wird.
Schaut man auch nur mit den hier angedeuteten Problematiken auf das Land, so muss der nächste Präsident an so vielem scheitern, denn welche hohen Erwartungen er auch immer in sich vereint, er wird das Volk in ganz weiten Teilen enttäuschen; nicht weil er nicht willens ist, sein Bestes zu geben, nein, weil es kaum zu schaffen ist auch nur ein Quäntchen Zukunft dem Land zu schenken, eine Vision, die Tatkraft auslösen konnte, ja müsste. Denn sollte die Pandemie eingedämmt sein und die Menschen in dieser Hinsicht aufatmen können, dann kommt das nächste, weltumspannende Thema der Umweltschutzes in all seinen Facetten daher und ähnlich wie das Virus, so schert es auch die Natur, das Klima als solches, wenig wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein wird.
So erscheint es mir (fast) egal zu sein, wer der Präsident der Vereinigten Staaten wird, ob es Mr. B. oder Mr.T. (ich nehme hier die alphabetische Reihenfolge), letztendlich wird sich wenig ändern, vielleicht in Nuancen; denn der große Wurf ist nun wirklich nicht zu erwarten, da walten ganz andere Kräfte, als es dem jeweiligen Präsidenten lieb sein könnte. Die Erwartung, dass es so weiter geht, oder es vielleicht so wird wie vor „Corona“ wieder wird; nun diese Erwartung wird auf jeden Fall getrübt, denn Zeit schreitet vorwärts, einen Schritt in die „gute alte Zeit“ wird es nicht geben, nirgendwo auf der Welt, auch wenn es sich noch so viele Menschen wünschen.
Nur ein Szenario ist bedauerlicher Weise nicht aus dem Blickfeld zu bekommen, die Gefahr eines Bürgerkriegs, um Gerechtigkeit (für welche Gruppe auch immer), um Ressourcen, die Macht des Geldes oder das blanke Überleben, welcher Tropfen auch immer in das volle Wasserglas als letztes fällt, es könnte das Glas zum überlaufen bringen und auch das ist aus meiner Sicht, keine Schwarzmalerei, sonder eine latent lauernde Gefahr, leider.
Nach diesem umherschweifenden Blick auf das „Minenfeld“ der Innenpolitik, noch ein kurzer Schwenk auf die Außenpolitik: Wer auch immer Präsident der USA sein wird, viel wird sich auch hier nicht ändern, das eigenen Land ist kriegsmüde, deshalb wird es Eskalationen nur bedingt geben. Hinzu kommt, dass das Geld für größere Interventionen fehlt. Die Außenpolitik des nächsten Präsidenten wird auch immer einen Bezug zur innenpolitischen Akzeptanz haben und der Blick nach Asien wird intensiviert werden. Auch Süd-Amerika wird stärker in den Fokus geraten; das drängt sich in all seinen Problematiken schier auf, ob es dem zukünftigen Präsidenten passt oder nicht. Europa spielt immer mehr eine marginale Rolle, höchstens als Absatzmarkt oder strategisches Sprungbrett in den Nahen Osten. Die Militärbasis in Bahrain wird bestimmt ausgebaut, sonst wäre ein Truppenabzug aus Deutschland ein strategisches Absurdum, dies alles wird Israel stärken, ohne größere Intervention der USA selbst. Wie auch in der Innenpolitik, so wird es auch in der Außenpolitik kein zurück zum „früher einmal“ geben, sollte es Kursänderungen geben, dann nur marginal und möglichst zum strategischen Vorteil der USA, die Zeit der „Weltpolizei“ oder des immerwährenden Beistands, auch zu Freunden, die wird es wenig geben. Hierauf sollte die „Welt“ sich einstellen; Verlässlichkeit wird neu definiert. Schwarzmalerei, nicht aus meiner Sicht, eher eine Herausforderung, vieles auf den Prüfstand zu nehmen und eher projektbezogen zu agieren, als in daher dümpelnder Lethargie; denn so manche Herausforderung kommt plötzlich, muss neu definiert werden und kann nicht immer mit „alt bewährtem“ bewältigt werden. Wird die Welt dadurch unsicherer?, vielleicht für manche, doch es wird spannender und es wird immer mehr auf den einzelnen ankommen und seinem Gestaltungsrahmen, tja, und das gut funktioniert, benötigen die Menschen funktionierende Institutionen… so schließt sich der Kreis.
Folgt man dem hier angedeuteten Blick auf den wärmer werdenden Wahlkampf in den USA, so keimt in mir persönlich die Frage auf; wer will diesen Job und warum… Zum Glück entscheide ich das nicht, sondern weite Teile der Bevölkerung der USA (auf das Wahlsystem will ich mich gar nicht erst einlassen), nun, und diese werden den Präsidenten bekommen den sie wollen, jedenfalls einen von B(e)iden …
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