Viele Menschen, aus Medien, politischen Kreisen und kirchlichen Institutionen, haben dem kriminellen Enkel des Kommandanten von Auschwitz, Rainer Höß, eine Bühne geliefert. Da waren sein Auftreten, seine (angebliche) persönliche Geschichte und vor allem sein familiärer Hintergrund, Antrieb genug, um ihn einzuladen oder zu interviewen, kritische Stimmen wurden überhört, wenn sie denn überhaupt wahrgenommen wurden. Denn die Sensation der Präsentation erschien wichtiger, außerdem konnte man sich neben ihm zeigen, vielleicht sogar „sonnen“.
Ich möchte niemanden unlautere Motive unterstellen, nein, ganz und gar nicht; denn auch wenn sich diese Menschen wenig über die Hintergründe informierten, so hatten sie doch ein positives, gesellschaftliches Anliegen, das bei allem nicht außer Acht genommen werden darf.
Dass auch sie unwissentlich zu Opfern des Rainer Höß wurden, war und ist leider noch immer nicht in allen Köpfen und Herzen eingegangen, leider. Denn alle Veröffentlichungen legte der Betrüger Rainer Höß seinen zukünftigen Opfern als Beweis für seiner Integrität, seiner Wichtigkeit und angebliche Wahrhaftigkeit vor. Dass er dann noch gefälschte Dokumente vorlegte, unterstrich natürlich seine angebliche Redlichkeit. Besonders deutlich wurde das in der Aussage des Ch. Diebold im Betrugsprozess gegen Rainer Höß (es wurde darüber ausführlich berichtet), als die Richterin Hr. Diebold fragte, ob er denn nie Zweifel an den Aussagen des Hr. Höß gehabt hätte, da dieser doch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte? Darauf antwortete Hr. Diebold: „Nein, er umgab sich mit seriösen Menschen, ein pensionierter Pfarrer begleitete ihn oft, und andere Persönlichkeiten des heimischen Ortes, dazu kamen all die guten Berichte, die im Internet stehen. Da kam gar kein Gedanke des Misstrauens auf.“ Für die Richterin war das einleuchtend, doch es warf auch einen anderen Blickwinkel auf all die Medienpräsenz des Rainer Höß, er benutzte sie als „Türöffner“ für potentielle Opfer seines betrügerisch Handelns, sozusagen als „weiße“ Weste des „Ehrenmannes“.
Nach der Rechtsgültigkeit des Urteils vom 24.6.d.J. wurden alle, die ihm einen öffentlichen Raum gaben, ob in Medien, bei Vorträgen oder Podiumsdiskussionen, über die Verurteilung des mehrfach, einschlägig vorbestraften Enkels des Kommandanten von Auschwitz informiert.
Doch wie gehen die Verantwortlichen damit um?
Nun, manche gar nicht. Manche reden sich raus und wenige werden aktiv.
Bleiben wir kurz bei denen, die gar nichts tun:
Wider besseren Wissens, belassen sie „Jubel-Artikel“ über den vermeintlich engagierten Rainer Höß so stehen, so kann er gegebenenfalls damit wieder auf Opfersuche gehen, denn so kann er seine „Wichtigkeit“ weiterhin darlegen, denn wer schaut schon auf das Datum der Veröffentlichung, kaum jemand.
Dass sich so diese Verantwortlichen, jetzt, da sie um das Vorgehen des Enkels des Massenmörders Rudolf Höss wissen, mitschuldig machen, nun, das scheinen einige billigend in Kauf zu nehmen. Von ihrer gesellschaftlichen Aufgabe zur Information und Aufklärung einmal ganz zu schweigen. Einzelne Personen möchte hier gar nicht an irgendwelchen „Pranger“ stellen, das liegt mir gänzlich fern, doch wenn es wichtige Pfeiler unserer Gesellschaft sind, so sind diese zu benennen. Hier sind das die SPD, die Evangelische Kirche, das IfZ München oder die Deutsche Welle unter anderem zu nennen. Gerade von denen könnte, nein, müsste eine entsprechende Resonanz kommen, doch leider…
Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man fast lachen, wenn man sich mit der Gruppe derer beschäftigt, die sich herausredet. Natürlich bedauern sie den „Ausrutscher“ des Rainer Höß, geben aber zu bedenken, dass sein Engagement doch groß ist und dass man immer beide Seiten sehen muss. Nun in solchen Gesprächen bin ich ganz erstaunt, die Berichterstattung über einen Kriminellen wird gleichgesetzt, mit dem Boten der Nachricht, wobei dem Boten auch noch unterstellt wird, sich an der Botschaft zu bereichern, um der Öffentlichkeitswirkung, der Sensation willen, der andere „nur“ am Geld anderer interessiert war, was das Opfer ja nicht hätte geben müsse. Frei nach dem Motto: Selbst schuld. Darüber hinaus werden dann den Boten noch persönliche Motive unterstellt, denen man bzw. ich kurzfristig sprachlos gegenüber steht.
Auch hier wird deutlich, die Bedeutung dieses Falles im gesellschaftlichen Raum wird gar nicht gesehen, oder will nicht gesehen werden.
Denn letztendlich geht es um gar keinen der Protagonisten, es geht um die gesellschaftliche Dimension, die dieses Thema aus meiner Sicht hat.
75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, werden in Deutschland wieder Opfer generiert und das mit dem Namen Höß, in einer Zeit, in der Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft „salonfähig“ wird, Xenophobie und rechtes Gedankengut hinaus gebrüllt wird. Hier können und dürfen wir nicht still sein, ganz im Gegenteil. Denn heute ist Auschwitz nicht das ehemalige größte Vernichtungslager der NS-Zeit, nein heute steht Auschwitz als Synonym für die industrielle Vernichtung von Millionen. Auschwitz steht gleichbedeutend für den Holocaust insgesamt. Plakativ.
In diesem gesellschaftlichen Konsens sehe ich das Handeln des Rainer Höß, denn der justiziable Anteil, wird an ganz anderer Stelle bewertet, da letztendlich, Hr. Höss sich selbst für seinen kriminellen Weg entschieden hat.
Ich bin hier weder Ankläger noch Richter (und will mich in einer solchen Rolle auch gar nicht sehen), Ich möchte nur aufzeigen, welch gesellschaftliche Verwerfungen er mit seinem Handeln auslöst und welche Verantwortung die Protagonisten um ihn herum haben. Auch wenn er sich vermeintlich als Freund von Israelis darstellt, er sich mit Überlebenden der Shoah auf eine Stufe stellt, in dem er sich einen Davidstern auf die Brust tätowieren lässt, und er sich selbst eine nationalsozialistische Erziehung andichtet, so ist er kein Opfer, er ist und bleibt ein Täter, der täuscht und enttäuschte Seelen hinterlässt, gänzlich abgesehen vom finanziellen Schaden, der eher reparabel ist.
Nun zu denjenigen, die aktiv werden, nachdem sie um die Machenschaften, des Enkels des Massenmörders Rudolf Höss, wissen.
Da gibt es die redlichen, die informativ gut recherchiert ihre Informationen wiedergeben. Die sich selbst ehrlich und offen eingestehen können, geirrt zu haben. Leider die wenigsten. Wobei ich persönlich es als äußerst menschlich erachte, sich zu irren, und es als einen sehr erwachsenen Prozess sehe, dies zuzugeben. Ich möchte dahingehend nicht falsch verstanden werden, kein Mensch muss sich vor anderen rechtfertigen (außer die, die vor einem Gericht stehen), denn frei übernommen erinnere ich hier an das Neue Testament: „Nur wer selbst ohne Fehl und Tadel ist, der werfe den ersten Stein“. Tja, und wenn wir auch nur ein wenig ehrlich zu uns selbst sind, dann dürfte sich niemand bücken, einen solchen Stein aufzuheben. Bedauerlicherweise gibt es in unserem Denken und gesellschaftlichen Handeln viel zu wenig Freiräume, sich offen und klar zu äußern, ja, sich äußern zu dürfen. Da ein jeder von uns ein Teil dieser Gesellschaft ist, ist es aber an jedem einzelnen von uns, Freiräume des Irrens und Scheiterns zuzulassen. Viel braucht es dazu nicht, nur ein wenig Mut.
Ja, und dann gibt es noch die Aktiven, die immer Bemühten, die jeden Aspekt einer Angelegenheit aufzeigen wollenden, die, die Komplexität aufzeigen wollen und (leider) den Fokus verlieren. Sie lassen den Leser, den Hörer oder den Zuschauer ratlos zurück, denn solch eine Gesamtschau, offenbart kein Bild, nein, es wird sozusagen ein Puzzle angeboten, das selbst zusammengesetzt werden muss und das in seiner Beliebigkeit bei jedem anders aussieht.
Im Resümee kommen dann immer die Worte „eigentlich“ und „ja, aber…“ vor und innerhalb dieser wohlmeinenden Schwammigkeit bleibt das Bild immer diffus. Ich verstehe einerseits eine solche Herangehensweise, so eckt man nirgends an, so bezieht man nirgends Stellung und muss sich auch keiner mit irgendeiner Verantwortung herum plagen.
All diesen hier beschriebenen Menschen bin ich begegnet, per E-Mail, Telefon, brieflich oder in den sozialen Medien, seit der erste Artikel über Rainer Höß in Israel Hayom und dann hier bei sunday news veröffentlicht wurden. Ist das ein Querschnitt der Gesellschaft frage ich mich? Oder habe ich mich selbst von einem gesellschaftlichen Konsens entfernt, ohne es zu merken? Definiere ich Verantwortung noch zeitgemäß?
Ich stelle das gern zur Diskussion… denn was weiß denn ich schon…
Wer ein weiteres Meinungsbild benötigt:
Interessant auch was die Deutsche Welle dazu schreibt …
https://www.dw.com/de/gesch%C3%A4ftsmodell-auschwitz-nazi-enkel-ein-betr%C3%BCger/a-54542144
Hinzuzufügen ist, dass die Deutsche Welle, die Evang. Kirche und die SPD, dich ich im obigen Artikel angesprochen habe, Änderungen vorgenommen haben. Die einen haben geschrieben, die anderen haben ihre Artikel aus dem Netz genommen. Danke!
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