Die Diktatur der Freiheit

Die Diktatur der Freiheit
 
 
Bereits als Kind wird man mit Regeln konfrontiert, ob diese ‚nur’ durch den Tag-Nacht-Rhythmus sich ergeben oder es einfache Spielregeln eines gemeinsamen Spiels sind, Regeln bleiben nun mal Regeln und nicht immer passen diese einem ins Konzept. Wir kennen das alle, dass wir gewisse Regeln als wenig lebbar empfinden, andere kümmern uns weiter nicht so sehr, wenn sie uns nicht in ungünstigen Momenten erwischen. Das Kind findet die Spielregeln so lange akzeptabel, so lange es gewinnt, verliert es, will es die Regeln ändern. Ja, und jeder von uns kennt so ein enttäuschtes, wütendes, oftmals brüllendes kleines Etwas, dass gar nicht mehr zu bändigen scheint. Solch kleine Kindergewitter ziehen meist schnell dahin, doch ist der anschließende Kindersonnenschein ein wirkliches fügen in Regeln, Richtlinien oder Normen? Unsere alltägliche Erfahrung lehrt uns, dass dem auf keinen Fall so ist, das Kind, der Jugendliche oder der junge Erwachsene wird entsprechend seines Alters immer wieder solche Richtlinien überschreiten, was auch wichtig für seine Erfahrung ist, so lange es sich im geschützten Rahmen einer liebenden Familie passiert.
 
Doch wie sieht das bei uns Erwachsenen so aus, nehmen wir, geprägt durch die Jahre der Entwicklung, Regeln als gegeben hin? Halten wir uns an alle Normen, die unseren Alltag so begleiten? Wie sehr lassen wir uns durch Verordnungen, Verbote, Bestimmungen und Vorschriften einengen? Erleben wir eine Diktatur der Regelwut? Sind wir fest in ein Korsett eingeschnürt, dass uns oftmals die ‚Luft zum Atmen’ wegbleibt?
 
„Ausnahmen sind nicht immer Bestätigungen der alten Regel; sie können auch die Vorboten einer neuen Regel sein.“
Marie von Ebner-Eschenbach
 
 
 
Schauen wir mal genau hin, was sind Regeln denn wirklich: Eine Regel ist eine aus bestimmten Regelmäßigkeiten abgeleitete, aus Erfahrungen und Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte, für einen bestimmten Bereich als verbindlich geltende Richtlinie. Es gibt Maßstäbe für das Benehmen, das Spielen, den Straßenverkehr und vieles mehr. Diese Regeln sind variabel, Zeit und gesellschaftsabhängig und unterliegen keinen festgezurrten Gesetzmäßigkeiten. Sie sind durch Sitten, Gebräuche Ordnungen, die ein geregeltes Miteinander ermöglichen. Durch das befolgen von Regeln, werden sie auch immer bestätigt. Aber durch Infragestellen können sie dem Zeitgeist entsprechend auch modifiziert werden. Ausnahmen sind natürlich fest tradierte Richtlinien zum Beispiel religiöser Art, doch auf diese soll hier gar nicht eingegangen werden. Auch Normen, ob nun im gesellschaftlichen Umgang erstellt, oder in der Arbeitwelt erfasst unterliegen der Wertigkeit von neuen Erkenntnissen, die diese veränderbar machen. Die Einhaltung der sozialen Normen unterliegt der sozialen Kontrolle. Die Formen der Normabweichung reichen von bloßer Exzentrik bis hin zur Kriminalität. Auch der zivilisierte Umgang mit Normverstößen und eine wohldosierte und auf die Wiederherstellung von harmonischem Zusammenleben gerichtete Konfliktkultur sind fester Bestandteil gesellschaftlicher Norm. Anders ist es bei Gesetzen, obwohl auch sie das Gemeinwohl im Blick haben und auch über ethische Elemente verfügen, so haben diese einen festgeschriebenen Sanktionscharakter, das Bestrafungselement rückt hier in den Vordergrund.
 
 
„Die Gesetze sind den Spinnweben gleich, da die kleinen Fliegen und Mücken innen bleiben hängen, die Wespen aber und Hornissen hindurchdringen.“ Christoph Lehmann1662
 
Doch was ist sinnvoll für uns, anhand der vielen Bestimmungen, denen wir tagtäglich mehr oder weniger bewusst begegnen und uns nicht in deren Netzen zu verfangen, um nicht zum reinen Ausführungsorgan uns selbst zu degradieren. Zum einen muss uns immer bewusst sein, dass alles Regelwerk für unser Miteinander zum Vorteil sein muss und sollte dies nicht so sein, so kann jeder für sich selbst entscheiden, ob er vielleicht auch mit anderen zusammen etwas verändern will. Dieser Form der Eigenverantwortung darf sich keiner nehmen lassen, denn auch sie ist ein Teil der moralischen Instanz unseres Miteinanders. Sehen wir aber unser gemeinsames Regelwerk als Leitfaden an, so erfahren wir, welche Freiheit sie uns gibt. Wickeln wir das Spinnennetz auf, zu einen Faden, der uns wie ein flexibles Geländer durch das Miteinander unserer komplexen Gesellschaft führt, so erleben wir eine individuelle Freiheit, die dem Gegenüber das gleiche gewährt. Wir kennen alle das Sprichwort: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.“ Handeln wir nach dieser Maxime, so können wir uns wahrlich nicht verheddern.    
 
 
„Liebe und Hochachtung können durch kein Gesetz erzwungen, sie müssen erworben werden.“ Heinrich Zschokke
 
Stellen wir also auf den Prüfstand was uns so als Regelwerk umgibt, vieles werden wir dann nicht als einengend betrachten, sonder auch als wohltuend. Denn zum Beispiel erleichtert es den Alltag doch sehr, wenn um einem herum die Regeln des guten Benehmens, der Hilfsbereitschaft und der Freundlichkeit eingehalten werden. Es gibt auch Sicherheit und Verlässlichkeit wenn man sich gewiss ist, dass Gesetzmäßigkeiten sich erfüllen. Aber bleiben wir wach und nehmen unsere Verantwortung ernst, Regelungen infrage zustellen, damit wir uns weiter der Freiheit bedienen können.
 
Foto 1: Mensch ärgere dich nicht – Quelle: psycho-holistik.de Bild Chaotisches Regelwerk Foto 2: Spinnennetz – Quelle: onlyme.de Bild 2: Die Freiheit von Ulrike Luswig

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