Als Neugeborenes ist man Sohn oder Tochter, aber noch einiges mehr, nämlich Enkel, Cousin, Nichte, vielleicht auch bereits Onkel oder Tante. Als ob das nicht reichen würde für so ein kleines Wesen, nein, man ist bereits Bürger eines Landes, hat Rechte, obwohl diese einem auch wieder beschnitten werden, wegen des noch nicht vorhandenen Alters. Manchmal ist man bereits Kontoinhaber oder Erbe, auch Prinz oder Promi kann man schon sein und natürlich trägt man bereits zur Binnenkonjunktur bei, denn der Windelbedarf muss gedeckt werden. Natürlich trägt so ein kleines Wesen auch schon einen Teil der Staatsverschuldung auf seinen schmächtigen Schultern, aber das ist dem kleinen Wesen im Grunde völlig egal, denn in der Zeit seines Wachsen und Gedeihens ist es sich selbst genug und ausschließlich an der Befriedigung seiner Bedürfnisse interessiert. Was gut und richtig ist. Nachdem bereits so ein kleiner Mensch mit so verschiedensten Rollen konfrontiert wird, denn diese bergen ja auch immer Erwartungshaltungen in sich, werden diese im Laufe des Lebens nicht weniger. Nein, die auf uns zu kommenden Rollen werden vielfältiger und auch subtiler.
„Wir sind alle Darsteller von Nebenrollen, ohne allzu viel vom Stück zu wissen. „
Max Brod
Wir werden größer und weitere Rollen warten auf uns ‚gespielt’ zu werden. Ob wir Schüler, Studenten, Arbeitnehmer oder Chef sind, ist dabei völlig unerheblich, wir werden uns einem Rollenmuster entsprechend verhalten.
So ist das im privaten Bereich als Freundin, Bekannter, Liebhaber oder Ehefrau; als auch in der äußeren Umgebung.
„Die Gesellschaft ist ein Maskenball, bei dem jeder seinen wirklichen Charakter verbirgt und ihn durchs Verbergen bloßlegt.“ Ralph Waldo Emerson
Die soziale Rolle, ein Begriff der Sozialpsychologie, zwingt uns in Positionen, die wir innerhalb eines gesellschaftlichen Wertesystems einzunehmen haben. Dies ist so lange für den einzelnen tragbar, so lange er sich mit seiner Rolle identifiziert und den damit verbundenen Erwartungen entspricht. Doch solch ein Erwartungsdruck, von der Umgebung aufgestellt oder auch durch einen selbst, kann Ansporn sein, aber auch niederdrücken. Um den Ansprüchen seiner eigenen Gruppe innerhalb des sozialen Rollensystems zu genügen und um jeglichen Sanktionen auszuweichen, setzen wir uns, entsprechend unserer ‚Rolle’ die passende ‚Maske’ auf. So lange uns ein derartiges Verhalten bewusst ist, können wir recht mühelos damit umgehen. Da wir es bereits in jungen Jahren gewohnt sind, in unseren Rollen übereinstimmende Masken anzuhaben, fällt uns oftmals dieses ‚Maskentragen’ gar nicht mehr auf, doch häufig verselbständigt sich ein solches Verhalten und wird somit nicht mehr hinterfragt.
„Wir alle tragen Masken, und es kommt der Zeitpunkt, an dem wir sie nicht mehr abnehmen können, ohne dabei Stücke unserer Haut mit abzutrennen.“
Andre Berthiaume
vielleicht schon Jahrzehnte, unser maskiertes Verhalten so verinnerlicht, dass wir unser Selbst kaum, vielleicht gar nicht mehr erkennen, so entscheiden sich einige, dieses Verhalten in sich so zu etablieren, dass es zu ihrem Selbst wird, andere aber, müssen zum Schutz ihres inneren Selbst, sich einer solchen Maske entledigen. Das schreibt sich leichter, als es umzusetzen ist, denn ein solcher Prozess ist oftmals äußerst schwierig und benötigt Zeit. Doch eins ist gewiss: Es lohnt sich.
Bisher habe ich viele Masken gesehen; wann werde ich menschliche Gesichter erblicken? Jean-Jacques Rousseau
Sich seiner Masken zu entledigen heißt nicht automatisch, auch seiner Rollen innerhalb der Gesellschaft zu entfliehen. Natürlich ist man in den verschiedenen Rollen nicht immer gleich, doch man benötigt nur situationsentsprechende Nuancen und kein anderes Sein. Ist man sich seiner selbst im Kern sicher, kann dieser in jede Rolle getragen werden. Mag auch am Anfang erst ein Kern-chen vorhanden sein und er fällt auf Zustimmung in der jeweiligen Umgebung, kann dieser wachsen und gedeihen. Je häufiger diese Mitte in uns selbst angenommen wird, auch von uns selbst, verselbständigt sie sich, erreicht unser Herz und das der anderen.
Sich selbst der eigenen Wahrhaftig zu stellen ist wahrlich eine Lebensaufgabe, vielleicht bewältigen wir diese nicht immer, doch sich darauf ab und zu zubesinnen wäre ein weiterer Schritt, diese Aufgabe zu bewältigen.
Klugheit und Güte ziehen es vor, ohne Maske aufzutreten. Arthur Schnitzler
In welchen Rollen wir auch immer uns befinden, auf welchen Erden-Umlaufbahnen wir auch uns bewegen, lasst uns einander treffen, in unserer uneigensten Wahrhaftigkeit, wie fehlerhaft oder unvollkommen wir auch immer sind.
Fotomontage v. Rena Jacob ·Bild: ‚Stilleben mit Masken‘ von James Ensor ·Gipsmaske auf schwarzem Grund pers. Eigentum R.J. ·Bild: Ein Vörwärtsschritt · Grün v. Rena Jacob
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