Elisabeth Selbert

Elisabeth Selbert

Elisabeth Selbert • Eine der Mütter des Grundgesetzes

„Die Charakterschwachen machen Front gegen die Frauenbewegung – aus Furcht. Sie haben immer Angst, von der Frau – besonders von ihrer eigenen – unterdrückt zu werden. Weil sie sich heimlich ihrer Schwäche bewusst sind, betonen sie bei jeder Gelegenheit ihre Oberhoheit.“ Hedwig Dohm 1902

Nun in die Wiege gelegt wurde Elisabeth Selbert ihre spätere Karriere ganz bestimmt nicht. Sie entstammte einer kleinbürgerlichen Familie, der Vater Georg war Aufseher in einer Jugendstrafanstalt, ihre Mutter versorgte als Hausfrau die Familie, zu der auch noch drei Schwestern von Elisabeth gehörten. Die am 22. September 1896 in Kassel geborene Elisabeth durch lief eine, für damalige Verhältnisse, völlig normale Schullaufbahn, ganz so wie es sich gehörte, für ein streng protestantisch geprägtes Elternhaus. Wie alle Mädchen erhielt auch Elisabeth kein Zeugnis, nachdem die die Realschule mit der Mittleren Reife abgeschlossen hatte, danach besuchte sie noch ein Jahr die Gewerbe- und Handelsschule des Frauenbildungsvereins. Nach einigen Jobs und der harten Zeit des Ersten Weltkriegs, findet sie eine Anstellung bei der Deutschen Post als Gehilfin im Telegraphendienst. 1918 lernt sie den Kommunalpolitiker Adam Selbert kennen, durch ihn kommt sie auch zur SPD und wird noch im gleichen Jahr Mitglied der Partei. Durch Philipp Scheidemann, den späteren Reichskanzler, der damals Oberbürgermeister in Kassel war, wurde sie ermutigt, selbst aktiv Politik zu machen, da nach Gründung der Weimarer Republik auch Frauen das aktive und passive Wahlrecht erhielten. Elisabeth Selbert, damals noch unter ihrem Mädchennamen Rohde bekannt, schrieb viele Artikel und sprach auf zahlreichen Veranstaltungen über die Pflicht der Frauen, sich politisch zu informieren und zu engagieren. 1919 hatte sie bereits erfolgreich für einen Sitz im Gemeindeparlament in Niederzwehren kandidiert und arbeitete dort im Finanzausschuss. Ihr Thema blieb jedoch die Gleichberechtigung. Im Oktober 1920 ging sie als Delegierte zur ersten Reichsfrauenkonferenz nach Kassel und kritisierte: „dass wir zwar heute die Gleichberechtigung für unsere Frauen haben, dass aber diese Gleichberechtigung immer noch eine rein papierne ist.“ Im gleichen Jahr heiratete sie Adam Selbert, bekam in den darauf folgenden zwei Jahren ihre Söhne Gerhart und Herbert und blieb auch weiterhin berufstätig. Trotz all der Belastung arbeitete sie weiter, sowohl bei der Post wie auch in der Politik. Sie stellte aber fest, dass ihr die theoretischen Grundlagen fehlten und hoffte, dass eine „juristische Ausbildung helfen würde, politisch effizienter wirken zu können.“ Als die Kinder so zusagen aus dem ‚Gröbsten’ heraus waren, legte Elisabeth Selbert 1925 als Externe Schülerin an der Luisenschule in Kassel ihr spätes Abitur ab und begann in Marburg und Göttingen Jura zu studieren. Nach dem Ersten Juristischen Staatexamen 1930, promovierte sie über das Thema ‚Ehezerrüttung als Scheidungsgrund’ zum ‚Dr.jur.’, hierin fordert sie eine Abkehr vom Verschuldungsprinzip in der Ehe, hin zum Zerrüttungsprinzip, das sich dann 1977 im Scheidungsgesetz niederschlug.



1934 eröffnet Elisabeth Selbert ihre eigene Kanzlei. Jetzt kann es endlich losgehen: Als Anwältin setzt sie ihr ganzes Wissen für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. Nach der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten, wurde ihr Mann verhaftet, da er nach seiner Freilassung Berufsverbot erhielt, musste Elisabeth Selbert die Familie ernähren und durch diese schweren Zeiten bringen. Repressalien begleiteten die Familie auf Schritt und Tritt, doch überstanden alle diese Zeit der Grausamkeiten. Was diese Frau vor allem auszeichnete, war ihr ebenso unerschrockener wie praktischer Eigen-Sinn. Und so verwundert es nicht, dass sie ihren Beruf als Anwältin vor allem deswegen liebte, weil“man [damit] seine Eigenart und vor allem seine Eigenständigkeit bewahren kann” und jungen Kolleginnen den Rat gab: “So schnell wie möglich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufbauen!” Nach dem Krieg macht Selbert in der Politik Karriere. Sie wird in den hessischen Landtag gewählt und vertritt ihre Partei 1948 im Parlamentarischen Rat, der im Auftrag der westlichen Besatzungsmächte eine Verfassung für Westdeutschland ausarbeiten soll. In dem Gremium sitzen 61 Männer und 4 Frauen. Die SPD in Hessen will die unbequeme Frau zunächst nicht entsenden, doch Selbert setzt sich mit Unterstützung von Parteichef Kurt Schumacher durch. Als sie mit den anderen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates die Arbeit beginnt, gibt es die Gleichberechtigung lediglich auf dem Papier. Noch immer bestimmt der Ehemann die Erziehung der Kinder, die Frau darf ein Bankkonto nur mit Genehmigung des Gatten eröffnen und nur mit seiner Erlaubnis arbeiten gehen. Im Parlamentarischen Rat kämpft sie für die Gleichberechtigung der Frau und steht einer scheinbar unbezwingbaren Front gegenüber. Für manchen Konservativen ist die Vorherrschaft des Mannes gottgewollt.



Aber auch mancher Sozialdemokrat fürchtet, dass die totale Gleichberechtigung im Chaos enden könnte. Dabei sind es die Trümmerfrauen, die die zerbombten Städte wieder aufbauen. Doch eine Gleichstellung lehnen viele Männer ab. Der öffentliche Protest überrascht die Gegner der Gleichberechtigung, sie geben auf. „Eine Sternstunde meines Lebens“, nennt Elisabeth Selbert später den Moment, als der schlichte Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Artikel 3, Absatz 2 ins Grundgesetz aufgenommen wird. Dieser Moment war für Elisabeth Selbert einer der schönsten in ihrem Leben. In ihrer aktiven Zeit wurde Elisabeth Selbert nie ihrem Rang und Format entsprechend von der SPD gewürdigt oder eingesetzt: “Das Amt der hessischen Justizministerin, ein Bundestagsmandat, Richterin am neu eingerichteten Bundesverfassungsgericht, Richterin beim Bundessozialgericht in Kassel – alle diese Ämter blieben ihr verwehrt” so die Politeia-Webseite. Über einen Sitz im Hessischen Landtag kam sie nicht hinaus. Umso stetiger wächst ihr Nachruhm, seit die zweite Frauenbewegung in ihr eine der deutschen Leitfiguren wiederentdeckt hat. Viele deutsche Straßen, Plätze und Schulen werden seither nach Elisabeth Selbert benannt.

Am 9. Juni 1986 verstarb Elisabeth Selbert, und noch jede Frau in Deutschland profitiert noch heute von ihrem Kampf um Gleichberechtigung. 

Bild 1: Elisabeth Selbert – Quelle: bronline.de · Bild 2: Elisabeth Selbert – Quelle: Karlsruhe.de  · Bild 3: Briefmarke Elisabeth Selbert – Quelle: wikimedia.org 

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