Lemberg ✡ Ghetto & Zwangsarbeitslager & Massenmord

Lemberg ✡ Ghetto & Zwangsarbeitslager & Massenmord

 

„Wahrheit wird niemals durch Gewalt widerlegt.“ Erich Fromm

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Inkrafttreten des Hitler-Stalin-Pakts, also in der Zeit von 1939 bis 1941 wurde Lemberg nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens 1939 in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert. Wegen der unmenschlichen Judenpolitik der Nationalsozialisten flohen viele polnische Juden in die sowjetisch besetzten Gebiete, auch nach Lemberg. Nun ging es den Juden dort gewiss nicht gut, sowohl als Flüchtlinge, als auch als Juden. Doch die gesellschaftliche Ausgrenzung und Abwertung der Mehrheitsgesellschaft war nichts im Vergleich zu dem, was passierte, nachdem Hitler seinen Truppen befahl gen Osten zu ziehen, also den Hitler-Stalin-Pakt einseitig aufzukündigen und die Sowjetunion zu überfallen. Die Deutsche Besatzung Lembergs begann am 30. Juni 1941. Auch das aus Ukrainern bestehende ‚Bataillon Nachtigall’ war an der Besetzung beteiligt. Weite Teile der ukrainischen Bevölkerung feierte die deutsche Besatzung, durch die Installation von Bannern und Girlanden. Sie glaubten an eine ‚Befreiung’ von der Sowjetherrschaft. Der tief sitzende Antisemitismus in der Ukrainischen Bevölkerung brach sich Bahn als es zum ersten Pogrom gegen jüdische Mitbürger kam. Es kam zu mindestens 4.000 Morden an Einwohnern, nicht nur an Juden, sondern wahllos und willkürlich an den Bewohnern der Stadt, denn im nationalsozialistischen Gedankengut galten Menschen aus Osteuropa als ‚Untermenschen’ und waren entweder zu versklaven, zu misshandeln oder zu ermorden. Die brutale Form der unterdrückenden Organisation ging ‚zügig’ voran, Erfahrungen waren dahingehend aus dem überfallenden Polen vorhanden. Lemberg war die drittgrößte jüdische Gemeinde in Polen der Vorkriegszeit.


Vor 1939 fast lebten fast 110.000 Juden in der Stadt, hinzukamen ungefähr 50-60 000 Flüchtlinge nach der Teilung Polens durch den bereits erwähnten Hitler-Stalin-Pakt. Seit dem 8. Juli 1941 waren Juden verpflichtet den Judenstern zu tragen. Ein Judenrat wurde installiert, deren Vorsitzender der Anwalt Josef Parnes war. Er wurde von der Gestapo im November 1941 für seine Weigerung, Juden zur Zwangsarbeit zu rekrutieren und auszuwählen wer nicht als arbeitfähig zu gelten hat, ermordet. Sein Nachfolger war Henryk Landsberg. Mit der Arbeit des Judenrats begann auch die Installation des Ghettos Lemberg. Nach der Ermordung von Josef Panes wütete ein weiterer Pogrom unter der jüdischen Bevölkerung. In diesem drei Tage dauernden Pogrom ermorden pro-deutsche ukrainische Nationalisten und natürlich auch SS-Schergen ab dem 25. Juli 1941 etwa 2.000 Juden in Lemberg. Am 2. Oktober 1941 wurden 500 jüdische Männer zur Zwangsarbeit in das Zwangsarbeitslager Lemberg-Janowska selektiert, dies Zwangsarbeiterlager darf nicht mit dem Ghetto verwechselt werden, da die Organisation völlig unterschiedlich war. Am 8. November 1941 wurde der ‚Jüdische Wohnbezirk’ eingerichtet. Die Juden Lembergs und weitere jüdische Flüchtlinge, die sich in der Stadt und seiner Umgebung befanden, hatten sich bis zum 15. Dezember 1941 im Wohnbezirk einzufinden. Die dortigen nichtjüdischen Bewohner mussten bis dahin ausziehen. Bei den ‚Umzügen’ wurden fast 5.000 Ältere und Kranke auf dem Weg ins Ghetto erschossen. In diesem Ghetto ‚lebten’ zeitweise bis zu 160.000 Menschen. Der Jüdische Wohnbezirk wurde schließlich vollständig eingeschlossen und eine Ausgangssperre wurde verhängt. Mit dem 14. März 1942 begannen die Razzien zur Deportation ins Vernichtungslager Belzec. Bis zum 1. April hatte die SS 15.000 Juden in die Todesfabrik deportiert. Weitere Razzien fanden vom 10. August bis zum 23. August 1942 statt. Etwa 50.000 kamen ins Zwangsarbeitslager Lemberg-Janowska, die nicht arbeitfähigen wurden dann ins Vernichtungslager Belzec deportiert. Somit war Belzec mit seinen Vergasungsanlagen der letzte Ort der Lemberger Juden.


Der Wohnbezirk wurde etwa um die Hälfte verkleinert. Henryk Landesberg, Ältester im Judenrat, weitere Judenratsmitglieder und Ghettopolizisten wurden am 1. September 1942 öffentlich unter dem Kommando des Leiters des Judenreferats der Gestapo Erich Engels gehängt. Weitere Deportationen fanden am 18. November 1942 statt. Am 5. Januar 1943 wurden 10.000 Juden ohne Arbeitserlaubnis aus dem Wohnbezirk deportiert. Zwei Tage später fand das erste Massaker statt, und das zweite zehn Tage danach, daran beteiligt waren zum großen Teil die Trawniki, so genannte Ukrainische Verbände. Die Leichen der brutalen Willkür wurden in Massengräbern verscharrt. Das Lager wurde am 1. Juni 1943 demontiert, Spuren der Massenmorde sollten beseitigt, dazu wurden Gräber exhumiert und verbrannt. Es kam zu einem Aufstand, bei dem auch einige SS-Wachen verletzt und getötet wurden. Es folgte ein erneutes Massaker an 7.000 Personen. Etwa weitere 3.000 werden bei der Liquidierung des Lagers am Ort erschossen.

Im September 1941 übernahmen die deutschen Besatzer ein Fabrikgelände in der Janowska-Straße von Lemberg und richteten dort zunächst einen Versorgungsbetrieb für die Wehrmacht ein. Kurze Zeit später wurde das Lager Teil der Deutschen Ausrüstungwerke (DAW), einem SS-Unternehmen (zum Amt W unter der Leitung Oswald Pohls*

im SS-WVHA). Es wurden zunächst Zwangsarbeiter für die dortige Produktion eingesetzt. Im Spätherbst 1941 wurde ein Teil des Geländes als ‚Zwangsarbeitslager Lemberg-Janowska’ abgetrennt und vom Betriebsleiter der DAW, SS-Hauptsturmführer Fritz Gebauer*, als Lagerführer geleitet. Anfang Mai 1942 befahl Friedrich Katzmann*, das Lager Janowska auf dem angrenzenden Gelände zu erweitern und für 10.000 Häftlinge auszubauen. Zum 1. Juli 1942 wurde Gustav Willhaus* Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Janowska, das er bis zum Juni 1943 leitete und von den DAW-Betrieben abgetrennt war.


Im März 1943 hatte das Lager eine Frauenabteilung mit 400 Jüdinnen; im März 1943 erreichte das Lager seine höchste Belegung mit bis zu 15.000 Häftlingen.  Auch wenn zeitweilig bis zu 10 % polnische und ukrainische Häftlinge untergebracht waren, handelte es sich hier in erster Linie um ein „Judenlager“ im Rahmen der so genannten Endlösung der Judenfrage. Es mangelte an hygienischer und ärztlicher Grundversorgung. Die Baracken waren ungeheizt und äußerst primitiv ausgestattet. Die Ernährung war unzureichend, zumal an sechs Tagen der Woche jeweils zehn Stunden schwere körperliche Arbeit abverlangt wurde. Zudem drohten ständig ‚Selektionen’ und brutale Übergriffe, an denen sich der Kommandant beteiligte. Durchschnittlich nur drei Monate währte die Lebensdauer von KZ-Häftlingen, falls sie nicht als Funktionshäftling oder wegen besonderer Facharbeiterqualifikation verschont blieben. Nutznießer des Zwangsarbeiterlagers waren deutsche Firmen und Wehrmachts- und Rüstungsbetriebe in Lemberg. Janowska wurde zudem Durchgangslager und als Verteilerstelle für fünfzehn weitere Zwangsarbeitslager genutzt, bei den Massendeportationen ins Vernichtungslager Belzec wurde Janowska für viele Juden ab Juni 1942 zur letzten Zwischenstation vor ihrer Ermordung: Hier wurden die Opfer selektiert und nur einige wenige zur Zwangsarbeit zurückbehalten. 1943 wurde Janowska, das daneben immer noch Arbeitslager war, zugleich selbst zum Vernichtungslager. Neuankömmlinge wurden meistens gleich an die Mordstätten in den Sandhügeln nahe beim Lager gebracht und dort erschossen. Bis Mitte Mai 1943 waren mehr als 6.000 Juden auf diese Weise ermordet worden. Ab Juli 1943 war Friedrich Warzok* Lagerleiter; die Wachmannschaft bestand aus rund 50 reichs- und volksdeutschen SS-Männern. Damit glich das Zwangsarbeiterlager Janowska zunächst vielen Konzentrationslagern im übrigen deutschen Machtbereich, in denen die Häftlinge im Sinne von Vernichtung durch Arbeit ausgebeutet oder zur Vernichtung selektiert wurden. Darüber hinaus aber wurde Janowska Vernichtungslager; es gab dort massenhafte Erschießungen, aber keine Gaskammern. SS-Standartenführer Paul Blobel* war mit der Spurenverwischung der Mordtaten beauftragt und stellte im Juni 1943 ein Kommando von 70 Schutzpolizisten des Polizeiregiments 23 für die Bewachung von rund 130 jüdischen Häftlingen zusammen, welche die Leichen exhumieren und auf Scheiterhaufen verbrennen mussten. In Janowska wurden weitere SD- und SiPo-Beamte aus dem Generalgouvernement für derartige Enterdungsaktionen geschult. Zu den jüdischen Häftlingen des Enterdungskommandos gehörte Leon Weliczker, der ein Tagebuch führte und im November 1943 in einer Gruppe aus dem Lager fliehen konnte. Fast alle Zwangsarbeiter, die zu Außenkommandos von Janowska gehörten, wurden am 25. Oktober 1943 erschossen. Lediglich ein Arbeitskommando, das zur „Enterdungsaktion“ eingeteilt war, blieb noch verschont.


Im Lager selbst wurden am 19./20. November 1943 rund 4.000 jüdische Häftlinge ermordet; dies wird als Teil der ‚Aktion Erntefest’ historisch bezeichnet.

Einer der berühmtesten Bewohner Lembergs war Simon Wiesenthal, der mit seiner Frau Cyla, aus dem Ghetto in das Arbeitslager Janowska deportiert wurde. Gegen Mitte 1942 wurden Wiesenthal und seine Frau zur Zwangsarbeit in den östlichen Eisenbahn-Werkstätten zugeteilt. Simon Wiesenthal Mutter, 63 Jahre alt, wurde im August 1942 nach Belzec verbracht, die Mutter seiner Frau wurde kurz danach von der ukrainischen Polizei im Ghetto Lemberg erschossen. Simon Wiesenthal überlebte den Horror des Janowska und auch seine späteren Inhaftierungen in Groß-Rosen, Buchenwald und Mauthausen. Nach der Befreiung Simon Wiesenthals widmete er sein Leben der Aufgabe Nationalsozialistische Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Er spielte eine führende Rolle bei der Verhaftung und Aburteilung von Franz Paul Stangl*, dem Kommandanten von Treblinka, wie auch die Leiter der ‚Aktion Reinhard’ Hermann Höfle und Ernst Lerch, verantwortlich für die Ermordung von 1,8 Millionen Juden in die Todeslager im Osten Polen. Odilo Globocnik, der Leiter aller Vernichtungslager in Polen wurde von den alliierten Truppen in Österreich im Mai 1945 verhaftet, dort beging er Selbstmord. Wiesenthal war auch beteiligt bei der Verhaftung und Gefangennahme von Adolf Eichmann.

Als am 26. Juli 1944 die sowjetische Armee Lemberg befreite, hatte nur 200 bis 300 Juden in Verstecken in der Stadt und ihrer Umgebung überlebten.

Seit 1991 ist Lemberg Teil der unabhängigen Ukraine und heißt heute Lwiw.

Bild 1: Einmarsch deut. Truppen i. Lemberg – Quelle: aktionsnetz.de · Bild 2: Trawniki im Ghetto Lemberg – Quelle: holocaust.cz · Bild 3: Jude i. Ghetto Lemberg – Quelle: yadvashem.org · Bild 4: Karte des Arbeitslagers – Quelle: fold3.com · Bild 5: Gedenkstein in Lwiw – Quelle: memorialmuseum.org

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.