Vor-Urteile · lästig & wichtig

Vor-Urteile · lästig & wichtig
 
Jeder von uns trägt ein Bündel an Vorurteilen mit sich herum. Das sollten wir vorab einmal als positiv betrachten. Denn in Zeiten immer größerer Informationsfluten, können wir gar nicht anders handeln, als vorab zu urteilen. Wir haben oftmals gar nicht die Zeit, jeden Fakt abzuwägen und einzuordnen. Wir müssen also, und das häufig völlig unbewusst, Dinge einordnen um im Alltag zu bestehen. Jeder hat den Wunsch die Welt zu beurteilen, sein Ge- oder Missfallen an den Geschehnissen auszudrücken, dies ist ohne Vorurteile ein unmögliches Unterfangen. Oft sind kollektive Vorurteile das Ergebnis historisch gewachsener Interpretationsmuster, eine „normale“ Vereinfachung um die Vielfalt der sozialen Wirklichkeit irgendwie zu bündeln.
 
„Das Vorurteil ist das Kind der Unwissenheit“ William Hazlitt
 
Vor(aus)Urteile sind nicht notwendigerweise abwertend. So sieht ein verliebter Mensch sein Gegenüber in rosa getauchtes Licht, einem Vorbild wird nachgeeifert oder ein Kind hält seine Eltern für unfehlbar. Dass sich diese Erkenntnissen und Erfahrungen dann nach einiger Zeit relativieren, liegt in der Natur der Sache. Aber es gibt auch auf anderen Gebieten positive Vorurteile, wie zum Beispiel von gewissen Markenartikeln, bis hin zum ‚made in Germany’ werden Begriffe plakativ angenommen, ohne selbst überprüft worden zu sein. Auch in Fan-Bereichen wird eine Komplexibilität außer Acht gelassen, ein positives Vor(auseilendes)Urteil wird mit Begeisterung geteilt.
 
„Das negative Vorurteil ist mit dem positiven eins. Sie sind zwei Seiten einer Sache“ Max Horkheimer
 
Doch im Allgemeinen wird der Begriff des Vorurteils negativ besetzt. Neben persönlichen Vor-Urteilen, kommen hier am meisten Verallgemeinerungen zum tragen. Wir kennen das alle, die ‚dummen’ Blondinen, die ‚geizigen’ Schotten, die ‚lauten’ Kinder um nur ein paar ‚harmlose’ zu nennen. Doch können verallgemeinernde Vorurteile zu den allerschlimmsten Folgen führen, ob es gegen Homosexuelle, Juden oder Andersgläubige geht, so wissen wir aus der Geschichte und oftmals aus alltäglicher Gewalt, dass diese Vorurteile, die aller niedrigsten Instinkte von Menschen mobilisieren.
 
 

Vorurteile verstärken hier Intoleranz und Diskriminierung und entstehen eher im Gefühlsbereich.
 
Wir alle sind schon Vorurteilen anderer begegnet, ob sie uns selbst treffen oder andere, spielt dabei kaum eine Rolle, aber diesem etwas entgegen zu setzten, ist äußerst schwer, da man dann im Gespräch argumentativ wird und das wird selten ‚gehört’. Die Gesprächspartner reden aneinander vorbei, da sie nicht auf der Ebene des anderen sind; der eine argumentiert von Kopf her, der andere aus dem Bauch heraus. Eine oftmals vertrackte Situation, die sich nur durch gleichen Wissensstand auflösen lässt. Da es so um Informationsaustausch geht, nicht um Belehrung, ist es eher ein Projekt und das scheuen die Beteiligten häufig, da es Energie und Zeit benötigt. Natürlich sind das eine verständliche Reaktionen, aber ein Versuch wäre es trotzdem Wert gewesen und ist es immer, auch wenn der ‚Erfolg’ sich nicht immer wie gewünscht einstellt.  
 
„Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil.“
Marie von Ebner-Eschenbach
 
Vor-Urteile sind auch eine Entsprechung des Zeitgeistes, so ist es heute oft zu beobachten, dass diese nicht immer als Urteil oder Wert innerhalb der Gesellschaft daherkommen, sondern als Meinung, die dann aber als ‚alternativlos’ dargestellt wird. Auch wenn uns die Alternativlosigkeit aus höchsten Ämtern näher gebracht wurde, so liegt gerade hier eine entscheidende Gefahr, denn eine so verpackte Meinung ist gar nicht mehr diskutabel.
 
 
 
Lasst uns also dahingehend hellhörig sein und bleiben!
 
Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“Albert Einstein
 
Wie immer ist es leichter auf andere zu schauen, als auf sich selbst. Doch die Erkenntnis, dass jeder mit Vor-Urteilen behaftet ist, ist ja per se nicht zu verurteilen, überhaupt dann, wenn uns bewusst ist, dass diese wichtig sind und ihre Funktion darin besteht, uns zu befähigen, nach Informationen, Erkenntnissen und Erfahrungen zu Urteilen zu gelangen. Wenn wir uns unserer Vor-Meinung bewusst sind und wir uns um ihre Erarbeitung bemühen, so sind wir auf einem guten Weg. Tja, bestimmt treffen wir uns dort einmal.
 
„Sapere aude“  „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“  Kants Interpretation des Lateinischen
Foto: Waage  Quelle: www.versicherungsmagazin.de ·Foto: NS-Zeit · Hetzkampangne  „Kauft nicht bei Juden“   Quelle: www.geschichtsatlas.de ·Foto: Tafel  Quelle: www.keinantomstrom.com  

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.