Letztens las ich, dass weltweit mehr Geld aufgewendet wird um Falten mit Botox zu eliminieren als für die Krebsvorsorge.
Nun könnte man über die Krebsvorsorge in Einzelnen und im Besonderen diskutieren, doch darum geht es mir gar nicht, denn es hätte bestimmt auch andere Vergleiche der Humanmedizin gegeben. Aber sich Gift, und nichts anderes ist Botox, zuzuführen um einer vermeintlichen ‚ewigen’ Jugend nachzuhecheln, nun, das ist doch mehr als fragwürdig. Trotzdem scheint ein solcher gesellschaftlicher Prozess kaum aufzuhalten sein, da sich bereits die ersten vor ihrem dreißigsten Geburtstag mit diesem Gift behandeln lassen. Auf andere ‚Verschönerungen’ will ich gar nicht erst eingehen, doch soll nicht unerwähnt bleiben, dass natürlich die plastische Chirurgie für viele Menschen ein Segen, zum Beispiel für Unfallfallopfer, ist. Doch bleiben wir bei dem Thema Schönheit, was auch immer uns das Wort auch vermitteln will, es spiegelt doch einen gesellschaftlichen Zeitgeist wider, schaut man sich in Gemäldegalerien die ‚Schönheiten’ der Jahrhunderte an. Da liegt der bekannte Volksmund doch völlig richtig, denn der besagt, das ‚Schönheit im Auge des Betrachters’ liegt. Mit anderen Worten, Schönheit ist ein äußerst subjektiver Begriff, den jeder, vielleicht auch in Nuancen, anders definiert. Doch das Thema Schönheit, das der äußeren jedenfalls, beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden und heute werden bereits Kinder mit diesem Thema konfrontiert, ob bei den Gebrüder Grimm im Märchen, in dem es heißt:
„Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“
Da antwortete der Spiegel:
„Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber Schneewittchen, über den sieben Bergen ist noch tausend Mal schöner als Ihr!“
Oder mit den allseits beliebten Barbiepuppen, immer werden Schönheitsideale bedient und so in die Kinderzimmer getragen. Dementsprechend werden Äußerlichkeiten ein prägendes Element des Menschen, so kann er sich einer Gruppe, Schicht oder in die Gesellschaft einordnen oder, je nach Eitelkeitspotential des eigenen selbst, auch hervorheben. Hilfreich steht uns da eine ganze Mode- und Kosmetikindustrie zur Seite, auch einschlägige Magazine oder Kataloge tun ihr übriges. Nun ist das per se nicht verwerflich, es kann ein netter Zeitvertreib sein; man kann diese Dinge des Marktes auch so für sich nutzen, das man seine eigene Persönlichkeit unterstreicht, wie, nun da gibt es genug Tipps, aber letztendlich sollte wohl das eigene Wohlgefühl das letzte Wort in diesem Fall haben. Wenn man denkt, dass das ausschließlich ein Frauenthema wäre, nun da irrt man sich gewaltig, denn auch der Mann ‚von heute’ ist für solcherlei durchaus zu haben und auch von Männern fordert die Gesellschaft eine gepflegte Erscheinung, wenn nicht sogar ‚Schönheit’. Über die Zeit haben sich die Ideale zwar verändert, doch die Kriterien bleiben ähnlich, Leon Battista Alberti lebte von 1404-1472 und definierte Schönheit ganz im Allgemeinen, wobei ich finde, dass dem wenig hinzuzufügen wäre:
„Der Kürze halber möchte ich die Definition geben, dass die Schönheit eine bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung aller Teile, was immer für eine Sache, sei, die darin besteht, dass man weder etwas hinzufügen noch hinweg nehmen könnte, ohne sie weniger gefällig zu machen.“
Diese Definition sagt aber nichts davon, das der Anschein ‚ewiger’ Jugend beim Menschen ein Kriterium für Schönheit ist.
Denn das faltenlose Gesicht eines jungen Menschen muss doch erst vom Leben beschrieben werden, so ist es doch äußerst spannend, die Entwicklung, auch die bestandenen Tiefen eines Lebens, offen vorzuzeigen. Denn nicht nur unsere Lachfalten zeugen von gelebtem Leben, auch – und gerade die Sorgenfalten verkünden, dass ein Mensch an seinen Hürden nicht gescheitert ist, sondern diese, vielleicht nicht immer mit Bravour, gemeistert hat. Hier zeigen sich Stärke, Energie, Durchsetzungskraft, vielleicht auch Leidensfähigkeit, aber auf jeden Fall Lebens- beziehungsweise Überlebenswillen. Nun, ist es nicht wirklich interessant in solchen Gesichtern zu ‚lesen’, dem Leben dieses Menschen, der da einem gegenüber steht nachzuspüren? Diese Schönheit zu erkennen, die mehr ist als glatte Haut, sondern vom Leben modelliert, das ist doch einen zweiten Blick wert, jedenfalls soviel wert, sich darauf einzulassen. So könnten wir dem Kennenlernen eine ganz neue Dimension verleihen. Lasst uns hinschauen und den Falten mit Achtsamkeit begegnen, auch unseren eigenen. So ein faltiges Gesicht kann uns Geschichten erzählen, kann uns Erfahrungen vermitteln, kann von einer Schönheit berichten, die die Äußerlichkeit bereits längst überwunden hat. Tja, und wenn wir über diese Schwelle treten, dann beginnen wir das Terrain der inneren Schönheit zu betreten, die sich erst zeigt, wenn ein Mensch an sich und seinen Aufgaben gewachsen ist.
Da können wir blühende Wiesen der Gelassenheit begehen; Meere der Tränen bewundern, deren Salz sich schon lange aufgelöst hat; Gipfelkreuze bewundern, die von Kraft, Energie und manchmal eiserner Disziplin verkünden; aber auch in tiefere Täler könnten wir schauen, die heute nichts Bedrohliches mehr ausstrahlen. So kann sich uns eine ganz neue, andere Welt offenbaren und wir dürfen staunen, schauen, zuhören und davon vielleicht auch profitieren. Doch wir könnten noch reicher beschenkt werden, träfen wir auf Weisheit, auf eine aufrichtige Herzensbildung. Und dann – dann haben wir die Betrachtung von Falten längst hinter uns gelassen und sehen eine ganz andere Schönheit.
Vielleicht sollten wir uns nicht vorschreiben lassen, was uns als Schönheit ins Auge zu fallen hat und uns selbst auf den Weg machen dies zu erkunden und vielleicht finden wir das Körnchen Weisheit, so wie Friedrich Schiller es ausdrückte:
„Deine Weisheit sei die Weisheit der grauen Haare, aber dein Herz – dein Herz sei das Herz der unschuldigen Kindheit.“
Bild 1: Nofretete – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: 100jährige Japanerin – Quelle: wordpress.com · Bild 3: Karl Valentin – Quelle: karl-valentin.de · Bild 4: Inge Meisel – Quelle: focus.de
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