Carl von Ossietzky • Friedensnobelpreis 1935
„Aber der Friede erfordert unentwegten, zähen, dauernden Dienst, er verlangt Ausdauer, erlaubt keinen Zweifel.“ Aristide Briand
Carl von Ossietzky war die pointierteste Stimme für die Demokratie und für den Frieden in den 20iger Jahren der Weimarer Republik. Er war Chefredakteur und Herausgeber der berühmten ‚Weltbühne’, einem politischen Kulturmagazin, in dem sich Beträge von hervorragenden Journalisten und Autoren wieder fanden. Zwar waren neben Siegfried Jacobsohn, der Vorgänger von Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky die führenden Köpfe der Weltbühne, doch viele Intellektuelle benutzten sie als Forum für ihre Beiträge, darunter Heinrich Mann, Egon Erwin Kisch, Erich Kästner, Erich Mühsam, Stefan und Arnold Zweig, Ernst Bloch. Doch über die spitzeste Feder, deren Sarkasmus gefürchtet war, verfügte zweifellos der berühmte Herausgeber selbst. Im Nachhinein müssen seine damaligen Lehrer über ihn den Kopf geschüttelt haben, denn ein erfolgreicher Schüler war der junge Carl von Ossietzky, der am 3. Oktober 1889 in Hamburg geboren wurde, nun wahrlich nicht. Nur mit Ach und Krach schaffte er die Realschule, bereits in der weiterführenden Schule scheiterte er und da ihm somit ein Studium versagt blieb, musste er einen Beruf erlernen, was er dann bei der Justizbehörde Hamburg, als Schreiber, auch tat. Die Berufstätigkeit kam für ihn bestimmt nicht von ‚Berufung’, sie galt für ihn einzig als so genannter Broterwerb, denn in seiner Freizeit widmete er sich der schreibenden Zunft, bis ihm die ersten Artikel abgekauft wurden. Seine Ehefrau Maud, die er 1913 heiratete und mit der er eine Tochter hatte, unterstützte ihn in seinem Vorhaben, ausschließlich vom Schreiben leben zu wollen, sie ziehen nach Berlin, der brodelnden Metropole. In vielen Publikationen veröffentlichte er, manch mal als freier Mitarbeiter, manchmal als Festangestellter. Genauso mühsam es für ihn war seine berufliche Heimat zu finden, arbeitete er in verschiedensten politischen Gruppen, um dann als überzeugter Pazifist und Demokrat, so öffentlich bekannt zu werden.
Auf diesem Weg lernte der Käthe Kollwitz und Albert Einstein kennen, die gerade auch seine Agitation ‚Nie wieder Krieg’unterstützten, er diskutierte mit Bebel aber auch später mit Thälmann, wobei man ihn im linken Spektrum ansiedeln kann, als Sozialisten. Den Stalinismus lehnte er kategorisch ab. Doch seiner größten Ablehnung galt dem Militarismus als solchem und dem Militär im Besonderen. Hier muss beachtet werden, dass es nicht nur die Wehrmacht war, die natürlich militärisch auftrat, vielmehr bildeten sich im ganzen Land Freikorps, mit entlassenen Weltkriegssoldaten, die paramilitärisch eine hohe Präsens und Akzeptanz in der Gesellschaft hatte. Einem solchen Freikorps gehörten Heinrich Himmler, Rudolf Hess, Adolf Hitler und viele andere spätere NS-Verbrecher an. Die Gefahr, die von diesen Verbänden ausging, war die der Konterevolution, denn sie agierten nicht im demokratischen Sinne, ihnen war die Demokratie als solches zu wider. Gesellschaftlich generierten sie sich als Bollwerk gegen den russischen Kommunismus, der im Deutschland der Weimarer Republik als Menetekel gegen Linke Politik an die Wand gemalt wurde. Hinzu kamen Kampfverbände der Parteien, die auch einen organisierten, militärischen Eindruck den Bürgern vermittelten. Kampfesstimmung lag in der Luft und die Demokratie der Weimarer Zeit hatte weder Zeit noch Kraft, dem wirkungsvoll entgegen zu treten. Carl von Ossietzky arbeitete in der Organisation ‚Nie wieder Krieg’ und in seiner viel beachteten Zeitung der ‚Weltbühne’, sowie seinen Mitstreitern gegen diese gesellschaftliche Bedrohung an. So schrieb er bereits 1923: „Wo die Männer versagen, da ruft man nach dem Mann. Der Faschismus, der überall anders, überall in neuer nationaler Vermummung auftritt, weist in allen Ländern diesen einen gemeinsamen Wesenszug auf: Die Sehnsucht nach dem Diktator. Die erschlafften Völker suchen nach einem Hirn, das für sie denkt, nach einem Rücken, der für sie trägt.“ Aus: Berliner Volks-Zeitung, 13. Mai 1923. In den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit geriet Ossietzky schließlich durch seine Anklage im so genannten Weltbühne-Prozess. Der Artikel, der zu der Anklage geführt hatte, war bereits im März 1929 erschienen und hatte die verbotene Aufrüstung der Reichswehr aufgedeckt. Ende 1931 wurden Ossietzky und der Flugzeugexperte Walter Kreiser schließlich wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anders als Kreiser lehnte es Ossietzky jedoch strikt ab, sich dem Gefängnisaufenthalt durch Flucht ins Ausland zu entziehen. Stattdessen erklärte er, nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden war und der Haftantritt kurz bevorstand:„Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts, sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.“ aus: Die Weltbühne, 10. Mai 1932. Carl von Ossietzky kam vorzeitig aus dem Gefängnis und nahm seine Arbeit wieder auf.
Gefängnis und nahm seine Arbeit wieder auf. Viele Kritiker bemängeln, dass er auch die Demokraten des Reichtags und der Regierung scharf unter die Lupe nahm und in seinen, häufig sarkastischen Artikeln, attackierte; doch für ihn war das ein demokratischer Akt der Presse gegen über der Demokratie, wenn er den Finger auf die Wunde der Unzulänglichkeiten legte. So gab es von ihm in der Gesellschaft der damaligen Zeit ein äußerst unterschiedliches Bild, die einen sahen ihn als Streiter für Frieden und Demokratie, andere wiederum meinten ihn als Sargnagel der selben zu sehen. Doch das war ihm letztendlich gleich, er blieb sich bis zum leidvollen Ende treu. Nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, drängten ihn Freunde und Weggefährten zur Flucht. Doch Carl von Ossietzky blieb in Deutschland. Warum er nicht das Land verließ, hatte bestimmt viele Gründe, zum einen konnte er es sich finanziell nicht leisten, hinzu kam die Alkoholkrankheit seiner Frau und letztendlich wollte er den Nationalsozialisten nicht ‚das Feld’ räumen, zumal er davon ausging, dass das nationalsozialistische Regime selbst entlarvt und von den Bürgern bei der nächsten Wahl hinweg gefegt wird. Doch es kam anders. Natürlich wusste er, dass er auf Listen der SA und der NSDAP stand und somit zu den ‚Feinden’ des Landes gezählt wurde, auch war ihm die Brutalität der neuen Machthaber bewusst, deren kommendes Ausmaß überstieg auch seiner Vorstellung. Gleich im März 1933 wurde die ‚Weltbühne’ verboten und er musste hilflos der Bücherverbrennung zu sehen, in denen Werke seiner Freunde und Weggefährten verbrannt wurden, ein Meilenstein und eine lodernde Ankündigung war diese Bücherverbrennung, wenn man den Satz Heinrich Heines bedenkt: „Wo heute Bücher brennen, brennen morgen Menschen.“
Bücherverbrennung, wenn man den Satz Heinrich Heines bedenkt: „Wo heute Bücher brennen, brennen morgen Menschen.“Am Abend des Reichstagsbrand saß er mit Freunden zusammen, die ihn warnten in dieser Nacht nach hause zu gehen, doch er ignorierte den Rat und blieb nicht, wie schon häufiger zuvor, in der Wohnung seiner Freundin. Stattdessen verließ er sich darauf, dass an seiner Wohnungstür keine Namen stünden und die Polizei ihn deswegen nicht finden werde. Bei dieser Entscheidung mag ebenfalls die Sorge um seine Frau Maud eine Rolle gespielt haben. Am frühen Morgen des 28. Februar wurde er verhaftet. Vom Polizeigefängnis am Alexanderplatz kommt er am 6. April 1933 in das KZ Sonnenburg und von dort aus am 15. Februar 1934 in das KZ Papenburg, Esterwegen. Es wurde von Mithäftlingen berichtet, dass Carl von Ossietzky in Esterwegen physisch vernichtet werden sollte, seine Mitgefangenen retten ihm mehrfach das Leben. Im Frühjahr 1934 beginnt die Liga für Menschenrechte sich für einen Friedensnobelpreis für Ossietzky einzusetzen, weitere gewichtige Persönlichkeiten unterstützen den Antrag, wie Thomas Mann und Albert Einstein. Am 23. November 1936 wird ihm der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 zugesprochen, allerdings wird ihm die Annahme des Nobelpreises von Adolf Hitler verboten und seine Ausreise wird abgelehnt. So findet die Preisverleihung in Oslo ohne Carl von Ossietzky statt. Physisch vernichtet wird er, nach weltweiten Protesten, vor der Olympiade im Sommer 1936, in ein Berliner Krankenhaus verbracht. Doch seine Freilassung kann sein Siechtum nicht aufhalten, am 4. Mai 1938 stirbt Carl von Ossietzky in dem Berliner Krankenhaus Nordend, noch immer unter Polizeiaufsicht, an den Folgen der Tuberkulose und den schweren Misshandlungen in den KZ. Nicht belegt ist, ob er im Konzentrationslager vorsätzlich mit Tuberkulose infiziert wurde.
Viele Preise und Schulen sind heute nach ihm benannt und schaut man sich die Welt heute an, so wäre die Welt ein wenig glücklicher, hätte es viele solcher Streiter für den Frieden in ihren Reihen, denn der Satz ‚Nie wieder Krieg’ ist auch heute noch von absoluter Relevanz.
Bild 1: Carl v. Ossietzky – Quelle: denktag-archiv.de · Bild 2: Plakat ‚Nie wieder Krieg‘ v. K. Kollwoitz – Quelle: museumonline.at · Bild 3: Weltbühne – Quelle: revierflaneur.de · Bild 4: Ossietzky als KZ Häftling – Quelle: Bundesarchiv.de
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