Georg Herwegh

Georg Herwegh

 

Georg Herwegh • Das Prinzip der Freiheit für alle Menschen

„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ G. Herwegh 1863

Georg Friedrich Rudolph Theodor Herwegh wurde am 31. Mai 1817 in Stuttgart geboren und verstarb am 7. April 1875 in Lichtental. Er war ein sozialistisch-revolutionärer deutscher Dichter des Vormärz und Übersetzer, er gilt als einer der bedeutendsten Dichter des deutschen Proletariats im 19. Jahrhundert. Er wächst als Sohn des Gastwirts Ludwig Ernst Herwegh und dessen Gattin Rosine Catharina Herwegh geborene Märklin recht behütet auf, doch kann man keinesfalls von einer glücklichen Kindheit sprechen, obwohl die Herweghs keine finanzielle Not leiden. Georg leidet unter den Streitigkeiten der Eltern und fürchtet die Tätlichkeiten des Vaters. Als er zwölf ist, nimmt die Mutter ihn vom dem Gymnasium seiner Heimatstadt und schickt ihn auf die Lateinschule nach Balingen, angeblich seiner schwächlichen Gesundheit wegen, doch vor allem möchte sie ihm ihren Ehekrieg ersparen. Er besucht die Klosterschule in Maulbronn, wo er neben der Freude an den leiblichen Genüssen vor allem die Leidenschaft für verbotene Bücher seiner Idole Heine, Platen, Börne und anderen entwickelt. Er gibt eine handschriftliche Schülerzeitung heraus und beginnt zu dichten, wobei er schon zu jener Zeit aufmüpfige Kritik übt Im Oktober 1835 tritt er in das Tübinger Stift ein, wo er versichern muss, dass er fest auf dem Boden des Metternich-Systems steht. Allerdings liest er weiter die verbotenen Schriften und hält auch damit nicht hinterm Zaun. Im August 1836 wird er dann unter einem Vorwand („nächtliche Ruhestörung“) hinausgeworfen. Nach langem Zögern kommt aber sein Vater für seine Kosten und seinen Unterhalt auf. Daraufhin besucht Georg Herwegh philosophische, literaturwissenschaftliche und geschichtliche Vorlesungen an der Universität.  

Du bist jung, du sollst nicht sprechen!
Du bist jung, wir sind die Alten!
Lass die Wogen erst sich brechen
Und die Gluten erst erkalten!

Du bist jung, dein Tun ist eitel!
Du bist jung und unerfahren!
Du bist jung, kränz deinen Scheitel
Erst mit weißen Haaren

Lern, mein Lieber erst entsagen,
Lass die Flammen erst verrauchen,
Lass dich erst in Ketten schlagen,
Dann vielleicht kann man dich brauchen!


Im Juni 1837 bricht Herwegh sein Studium ab und zieht nach Stuttgart, wo er bei der Zeitschrift „Europa“ arbeitet. Dank seines Herausgebers ist es ihm möglich, trotz Militärdienst seine Arbeit bei der Zeitschrift fortzuführen. Mit Erfolg. Er erhält den Auftrag, französische Werke zu übersetzen und hat damit ein gesichertes Auskommen. Herwegh verkehrt in den literarischen Salons, hat sogar Einfluss in der Theaterszene. Ende Juni 1839 begeht er jedoch einen fatalen Fehler. Er beleidigt auf einem Maskenball einen Offizier. Zur Strafe soll er zu einem Regiment nach Ulm versetzt werden. Herwegh entzieht sich der Strafe, indem er in die Schweiz flieht. In Emmishofen, am Ufer des Bodensees, schreibt Herwegh für die Exil-Zeitschrift „Deutsche Volkshalle“. 1840 geht er nach Zürich, wo er auf einen Emigrantenzirkel stößt, der ähnliche politische Ansichten wie er hat. Er findet in dem ehemals revolutionären Burschenschafter Follen einen väterlichen Freund und lernt die Schriften des drei Jahre zuvor verstorbenen Georg Büchner kennen. Er hält Literaturvorlesungen an der Universität. Follen gründet eigens für Herwegh einen Verlag, das „Literarische Comptoir“. Im Sommer 1841 erscheint Herweghs erstes Büchlein ohne Namensnennung unter dem Titel Gedichte eines Lebendigen. Das Werk wird nach Deutschland geschmuggelt und unter dem Ladentisch verkauft. Im September 1842 geht Herwegh auf eine Rundreise durch die deutschen Staaten, eigentlich gedacht als Werbeaktion für ein neues Journal, den „Deutschen Boten“. Er begegnet unter anderen Prutz, Marx, Ruge, Turgenjew und Bakunin. Überall wird er gefeiert, gehuldigt, die „Dienstreise“ wird mehr und mehr zum Triumphzug. Herwegh-Klubs werden gegründet, Mädchen schicken ihm ihre Locken, ein ‚Herwegh-Fieber’ entstand. In Berlin lernt Herwegh Emma Siegmund kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Am 13. November 1842 verloben sie sich. Am 19. November erhält er eine Audienz bei Friedrich Wilhelm IV. Statt zum Abschied den Nacken zu beugen, fixiert er den König und hat das letzte Wort. Er zitiert Schiller: „Sire, ich kann nicht Fürstendiener sein.“ Ein Verstoß gegen die Etikette, der Folgen haben wird: Ein Teil seiner Anhänger verspottet ihn und wendet sich ab. Georg und Emma nehmen die Angriffe nicht allzu ernst, er hat nach dieser Audienz vielmehr das Gefühl, dem König überlegen zu sein: Als der „Deutsche Bote“ direkt nach der Audienz verboten wird, formuliert Herwegh einen persönlichen Brief an den König. Durch einen Zufall gerät dieser Brief in die Hände eines Journalisten und ist zu Weihnachten in allen wichtigen deutschen und europäischen Zeitschriften abgedruckt. Herwegh wird wegen Majestätsbeleidigung aus Preußen und Sachsen ausgewiesen. Die Regierung organisiert eine Pressekampagne an der auch einige Dichter teilnehmen, die Herwegh und seine engeren Freunde mundtot machen soll. Am 8. März 1843 findet im Kanton Aargau in der Schweiz die Hochzeit von Herwegh und Emma statt.

Da stehst du nun mit zornigen Gebärden,
Ratloser Fürst, inmitten deiner Larven,
Der Larven, die sich nie entpuppen werden,

Erschaudernd vor der Wahrheit, vor der scharfen,
Und wirst der Gaukler eifriger Mäzen,
Die zwischen Licht und Finsternis dich warfen.

Zu scheu, der neuen Zeit ins Aug’ zu sehn,
Zu beifallslüstern, um sie zu verachten,
Zu Hochgeboren, um sie zu verstehn…

Kurz darauf erfüllt sich sein sehnlichster Wunsch: Gegen einen Betrag von 1100 Franken wird er Kantonsbürger von Baselland und damit Bürger einer Republik. Herwegh veröffentlicht ein neues Buch namens „21 Bogen aus der Schweiz“, das neben seinen eigenen Aufsätzen Beiträge von Hecker, Engels u.a. enthält. Im Frühjahr gehen Emma und auf Hochzeitsreise nach Südfrankreich und Italien. Nach ihren Flitterwochen lässt sich das Paar in Paris nieder. Sie genießen das Leben in der Kulturmetropole, können sich einen gehobenen Lebensstil leisten und pflegen in einem literarisch-politischen Salon Bekanntschaft mit Heinrich Heine, George Sand, Victor Hugo, Franz Liszt, der Gräfin d’Agoult, Lamartine, Beranger und vielen anderen. Herwegh und der gleichaltrige Marx werden enge Freunde. Im Februar 1848 erhebt sich das französische Volk, Barrikadenkämpfe finden statt und die Monarchie wird gestürzt. Herwegh wird Präsident der „Deutschen Demokratischen Gesellschaft“.

Am 8. März 1842 sendet er eine Adresse an die provisorische Regierung. Er endet seine Adresse mit folgenden Worten und erntet begeisterten Beifall:

Französisches Volk, wir gehen Hand in Hand mit dir.
Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe!
Es lebe die Demokratie!
Es lebe die europäische Republik!

Etwa zur gleichen Zeit schreibt Herwegh eine Art Revolutionshymne, eines der mitreißendsten Lieder des Vormärz:

Frisch auf, mein Volk, mit Trommelschlag
Im Zorneswetterschein!
O wag es doch, nur einen Tag,
Nur einen frei zu sein!
Und ob der Sieg vor Sternenlicht
Dem Feinde schon gehört –
Nur einen Tag! Es rechnet nicht
Ein Herz, das sich empört.

O tilg nur einen Augenblick
Aus deiner Sklaverei,
Und zeig dem grollenden Geschick,
Dass sie nicht ewig sei;
Erwach aus deinem bösen Traum
Reif ist, die du gesucht,
Und schüttle nicht zu spät vom Baum,
wenn sie gefault, die Frucht.
Wach auf! Wach auf! Die Morgenluft
Schlägt mahnend an dein Ohr –
Aus deiner tausendjähr’gen Gruft
Empor, mein Volk, empor!
Lass kommen, was da kommen mag:
Blitz auf ein Wetterschein!
Und wag’s, und wär’s nur einen Tag,
Ein freies Volk zu sein.

O wart in deiner tiefen Not
Auf keinen Ehebund;
Wer liebt, der gehet in den Tod
Für eine Schäferstund:
Und wer die Ketten knirschend trug,
dem ist das Sterben Lust
Für einen freien Atemzug
Aus unterdrückter Brust

1863 wird der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ gegründet, Georg wird ein Schweizer Bevollmächtigter. Gleichzeitig schreibt er eine „deutsche Marseillaise“, das Bundeslied:

Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.
Deiner Dränger Schar erblaßt,
Wenn du, müde deiner Last,
In die Ecke lehnst den Pflug,
Wenn du rufst: es ist genug!

Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!

Die Hymne wird sofort verboten, illegal verbreitet und unablässig beschlagnahmt. Herwegh verlässt den Arbeiterverein, da die neue Führung ihm zu staats- konform handelt. Von nun an schreibt er neben Marx, Engels, Liebknecht und Bebel für Zeitungen der Arbeiterbewegung. 1866 wird er Ehrenkorrespondent der Internationalen Arbeiterassoziation, 1869 tritt er am Tag ihrer Gründung in die SPD ein. Als sich im Frühjahr 1873 die gescheiterte Revolution zum 25. Male jährt, schreibt Georg folgendes Gedicht:

Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als im Lenze das Eis gekracht,
Tage des Februar, Tage des Märzen,
Waren es nicht Proletarierherzen,
Die voll Hoffnung zuerst erwacht
Achtzehnhundert vierzig und acht?
Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als du dich lange genug bedacht,
Mutter Germania, glücklich verpreußte,
Waren es nicht Proletarierfäuste,
Die sich ans Werk der Befreiung gemacht
Achtzehnhundert vierzig und acht?

Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als du geruht von der nächtlichen Schlacht,
Waren es nicht Proletarierleichen,
Die du, Berlin, vor den zitternden bleichen
Barhaupt grüßenden Cäsar gebracht
Achtzehnhundert vierzig und acht?

Achtzehnhundert siebzig und drei,
Reich der Reichen, da stehst du, juchhei!
Aber wir Armen, verkauft und verraten,
Denken der Proletariertaten-
Noch sind nicht alle Märze vorbei,
Achtzehnhundert siebzig und drei.


Diese Worte sind Georg Herweghs Vermächtnis. Er erliegt am 7. April 1875 58jährig den Folgen einer Lungenentzündung. Er wird in Liestal im Schweizer Kanton Baselland, der ihm viele Jahre zuvor das Bürgerrecht gewährte, im Beisein einer großen Trauergemeinde beigesetzt, ‚in freier republikanischer Erde’, ganz nach seinem Wunsch.

Bild 1: Georg Herwegh – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: Buch v. G. Herwegh – Quelle: blogspot.com · Bild 3: Emma Herwegh – Quelle: baselland.ch · Bild 4: Unterschrift G. Herweghs –  georgherweghedition.de

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