Hören • Hin – hören • Zu – hören

Hören •  Hin – hören • Zu – hören
 
 
Das erste, dass wir im wachsen innerhalb des Muttleibs er-hören, sind Schwingungen, Vibrationen und Laute, die uns bereits kurz nach der Geburt, wieder gehört, beruhigen können. So ist es die Stimme der Mutter, die uns schon vertraut ist, wenn wir sie das erste Mal hören nach der Geburt. Ebenso geht es uns mit Musik oder einem beruhigendem Summen einer Melodie. Unsere gesamte Sprachfähigkeit, unsere anfängliche Lautbildung beginnt mit dem Hören, denn nur ein genaues hinhören befähigt uns zum genauen formulieren, wie einfach auch immer das am Anfang bei einem Kleinkind auch sein mag.
 
„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“ Gustav Mahler
 
Obwohl wir darum wissen, wie wir zur Sprache kommen, wird in der Erziehung von Kindern eher Wert auf Sprachvermögen gelegt, denn auf die Fertigkeit des Hörens. Nun wird der eine oder andere darüber stolpern, dass das Hören, ja, keine Fertigkeit ist, sondern eine Fähigkeit. Das mag stimmen, dass wir, zum Glück, die Fähigkeit des gesunden Hörens besitzen, doch bedingt das gleichzeitig auch die Fertigkeit des Hinhören oder des aktiven Zuhörens? Oder wird davon ausgegangen, dass das Hören ein Automatismus ist, der sich sozusagen von selbst ausbildet, der nicht erzieherisch ausgebildet werden muss? Hinge man einer solchen These an, so wäre es nur folgerichtig, dem Hören keine große Bedeutung beizumessen, da es sich sozusagen von selbst heranbildet. Aber spätestens wenn Kinder etwas größer werden sollen sie auf die Eltern ‚hören’, vielleicht sogar ‚ge-horchen’, ohne vorher auf-ge-horcht zuhaben. Es wird genauso vorausgesetzt, dass Kinder im Kindergarten oder der Schule zuhören können um das Gehörte umsetzen zu können.
 
Zuhören ist unsichtbar. Ob jemand wirklich zuhört, kann man nicht sehen. Ist das ein Grund, warum Zuhören kaum wahrgenommen wird? Zuhören wird in seiner Bedeutung vollkommen unterschätzt, denn es ist der erste Weg miteinander in Kontakt zu kommen. Hören und Zuhören finden immer statt, häufiger als Sprechen, Lesen und Schreiben.
 
„Lerne zuhören, und du wirst auch von demjenigen Nutzen ziehen, die nur dummes Zeug reden.“  Platon
 
 
Was aber ist der Unterschied zwischen dem Hin-hören und dem Zu-hören? Hören wir nur hin, so sind wir oftmals sehr mit uns selbst beschäftigt und warten nur darauf selbst reden zu dürfen, wir wenden uns dem Redenden nicht zu und hören somit auch gar nicht wahrhaftig zu. Beim Zu-hören schenken wir dem Anderen unsere volle Aufmerksamkeit und Empathie, denn durch das Zuhören erfassen wir nicht nur die gesprochenen Worte, wir nehmen auch die Schwingungen des Anderen mit auf. Wir hören seine Gefühlslage mit heraus, ohne diese je in Worte gefasst zu haben. Bei dieser Form des Zuhörens erfassen wir die Zwischentöne und in uns selbst entsteht ein Hörerlebnis.
 
„Wenn Sie wirklich zuhören, dann geschieht dabei ein Wunder. Das Wunder besteht darin, dass Sie ganz bei dem sind, was gesagt wird, und gleichzeitig Ihren eigenen Reaktionen lauschen.“  Krishnamurti
 
 

Zuhören ist also ein aktiver Vorgang, der einen selbst bereichert sowohl auf der kognitiven wie auch emotionalen Ebene. Wir lassen uns auf solche Hörerlebnisse auf Konzerten ein, schwelgen im Genuss einer Opernaufführung oder erfreuen uns in einer anregenden Buchpräsentation. Solche Erfahrungen sind uns eher vertraut und wir ziehen aus ihnen, völlig zu Recht, unseren inneren Gewinn. Obwohl uns das mehr oder weniger bewusst ist, gehen wir aber nicht mit der gleichen oder einer ähnlich gearteten Erwartung in ein Gespräch. Unsere Bereitschaft all unsere Sinne während eines Gesprächs bewusst zu öffnen ist oftmals eher unbewusst, denn ein komplexer Vorgang auf den wir uns völlig einlassen.

„Ein liebenswürdiger Mensch ist jemand, der lächelnd anhört, was er schon weiß, wenn es ihm jemand erzählt, der das nicht weiß.“ Alfred Capus  

Je mehr wir unser Zu-hören kultivieren und zu einer Fertigkeit werden lassen, desto mehr tragen wir zu unserer eigenen inneren Erweiterung bei und die Hinwendung zum Gegenüber wird so zur Selbstverständlichkeit. Die Fülle an Informationen, die wir durch zugewandtes Zuhören erhalten, verschafft uns Erkenntnisse, die uns vorher versagt blieben.

 
 
 
„Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können.“
Mark Twain
 
Ich wünschte mir, wir würden unsere Fähigkeit zu hören zur Fertigkeit des Zuhörens vervollkommnen. Nun ich denke, ich treffe einige auf diesem Pfad der Bemühung ein wahrhaftiger, mitfühlender und zugewandter Zuhörer zu werden, auch wenn es manchmal anstrengend ist, so lohnt es sich in hohem Maße.
 
„Zuhören ist ein aktiver Schöpfungsakt.“  Andreas Tenzer
 
Foto: Florida Muschel   Quelle:  Apotheker Zeitschrift ·Bild: Das Fötenkonzert von Adolph Menzel
Neun Jahre ist es her, dass ich den obigen Artikel zum Thema „Hinhören“ schrieb… Ein Thema, dass mich immer wieder, auf ganz vielfältige Weise beschäftigt…

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.