Kazimierz Smoleń

Kazimierz Smoleń

Kazimierz Smoleń • Zeitzeuge als Lebensaufgabe

„…es ist schwer zu beschreiben. Aber wir möchten wenigstens einer Sache sicher sein: dass das, was wir erzählt haben, vom Verstand ins Herz gelangt ist. Das ist uns sehr wichtig.“ Kazimierz Smoleń

Kazimierz Smoleń wurde am 19. April 1920 in Chorzow, Oberschlesien geboren und verstarb am 27. Januar 2012 in Oświęcim. Er war ein polnischer Widerstandskämpfer, Häftling im KZ Auschwitz und späterer Leiter des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau.


1939 wurde Polen von den Deutschen überfallen, der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen wurden Tausende von Polen erschossen und verhaftet, die Juden wurden in verschiedenen Ghettos in Polen eingesperrt. Die Schulen und Universitäten wurden geschlossen, Lehrer und Professoren wurden verhaftet. Es herrschte ein Nazi-Terror von bestialischem Ausmaß in Polen und schon im Oktober 1939 entstanden einzelne Widerstandsgruppen, diese Gruppen wurden zum großen Teil von der SS oder der Gestapo entdeckt. Aus diesem Grund waren die Gefängnisse stark überfüllt; deshalb versuchte die SS im Jahre 1940 eine Stelle zu finden, an der man ein Konzentrationslager errichten konnte, damals wurden sie als Quarantänelager für Polen bezeichnet. Bei einer Besprechung mehrerer hoher SS- und Gestapoführer wurde festgestellt, dass sich die frühere polnische Feldartilleriekaserne in Oswiecim, später Auschwitz, ihnen als Konzentrationslager dienen könnte. Am 1. Mai 1940 sind etwa 100 SS-Männer, der Schutzhaftlagerführer Rudolf Höß, er wurde zum Kommandanten von Auschwitz ernannt, außerdem auch sind 30 Berufsverbrecher aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin ins Lager gekommen. Am 14. Juni 1940 wurden die ersten 728 polnischen Häftlinge nach Auschwitz transportiert, dies war der Anfang des Lagers, dessen Name noch heute den Schrecken symbolisiert.

Der Jurastudent Kazimierz Smoleń wurde am 15. April 1940 verhaftet, da er sich in Königshütte am polnischen Widerstand beteiligt hatte. Am 14. April 1940 kamen drei Gestapo-Männer in Smoleńs Haus und durchsuchten seine Wohnung, jedoch konnten sie nichts finden. Er wurde trotzdem mitgenommen und verbrachte von diesem Zeitpunkt  an 60 Monate in Haft. Im Gefängnis angekommen, wurde er im Durchgangslager untergebracht, dort gab es keine Betten, sondern nur Pritschen, die Häftlinge bekamen keine Decken, sie durften nur auf dem Bauch liegen und nicht miteinander sprechen. Die Gefangenen wurden über 3 Monate von der geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhört und gefoltert. Am 6. Juli 1940 wurde er in das Stammlager des Konzentrationslagers Auschwitz (Auschwitz I) eingewiesen, das zu dieser Zeit noch ein relativ kleines Lager war. Am 6. Juni, es war ein sehr heißer Sommertag, es waren etwa 35 – 40 Grad, so erinnert Kazimierz Smoleń sich, befahlen ihnen die SS- Männer, einen Mantel, eine Mütze und einen Schal anzuziehen. Sie stellten sie mit dem Gesicht in Richtung Süden. Da die Männer seit Monaten keine Sonne mehr gesehen hatten bekamen sie sehr schnell einen Sonnenbrand. Darüber hinaus mussten sie hüpfen, sich rollen und sich um ihre eigene Achse drehen, mit ausgestreckten Armen. Dies dauerte einige Stunden. Vom 6. auf den 7. Juli wurden sie zu einem Appell gerufen, und sie stellten sich in zehn Reihen auf. Sie wurden von den SS-Männern mit Stöcken und Schaufeln geschlagen. Ein polnischer Name wurde gerufen, später stellte sich heraus, dass der Angesprochene geflohen war. Dieser Appell war der längste, den Smoleń erlebt hatte, er dauerte 18 Stunden. 18 Stunden, währenddessen sie ständig aufrecht und ruhig stehen bleiben mussten. Am nächsten Tag wurden sie auf drei Baracken verteilt, dort gab es keine Betten, sondern Strohsäcke, die sie auf den Boden legten. Morgens stapelten sie die Säcke und man bekam abends nie den gleichen wie zuvor. Damals verbreitete sich dadurch sehr schnell die Krätze, eigentlich keine schlimme Krankheit, wenn man die richtigen Salben besaß. Wenn man sie nicht hatte, entstanden Wunden und Infektionen, alle Häftlinge wurden sehr schnell krank. Sie wurden je nach Jahreszeit um 5 oder 6 Uhr morgens geweckt und arbeiteten bis spät in den Abend. Morgens bekamen sie einen Liter eines Kräutergetränks, mittags einen Liter Suppe mit Kartoffeln oder Sauerkraut und abends einen Liter Kräutergetränk, etwa 250g Brot und etwas Marmelade, manchmal sogar Leberwurst. Aufgrund dieser Ernährung hatten fast alle Häftlinge Durchfall, es gab im Lager jedoch keine Wasserleitung, keine Kanalisation. Es gab nur eine Latrine mit ungefähr 10 Plätzen, und diese Latrine durfte man nur früh morgens und abends eine halbe Stunde benutzen. Sie mussten oft barfuss arbeiten, und dies auch im Winter, deshalb sind viele an Nieren- oder Lungenentzündung gestorben. 1941 kam der Reichsführer der SS Himmler zum ersten Mal zur Inspektion nach Auschwitz und gab drei Befehle: Man sollte das Lager soweit vergrößern, dass es 30.000 Gefangene fassen konnte. Aus Birkenau sollten die Polen umgesiedelt werden, um dort das KZ Auschwitz- Birkenau zu errichten, das dann 100.000 Menschen aufnehmen sollte. Das gleiche sollte auch in Monowitz geschehen und Auschwitz III bilden, wo die Gefangenen in einer Chemiefabrik der IG Farben arbeiten sollten.


Bis Ende 1940 waren im Lager nur Polen und eine kleine Gruppe von Juden. Diese Juden waren im Block 11 eingesperrt, sie haben nicht gearbeitet und sie haben sehr wenig zu essen bekommen, von morgens bis abends mussten sie immer im Hof von Block 11 stehen und jüdische Gebete und Lieder singen, dabei wurden sie ständig geschlagen. Nach 2 Wochen ist keiner von dieser Gruppe am Leben geblieben. Nach der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 kamen sehr große Transporte, manchmal wurden 3-4 Tausend Menschen an einem Tag in das Lager gebracht, das nun ein Vernichtungslager war. Damals entstanden dann die ersten Häftlingswiderstandsbewegungen im Lager. Die Idee war, wichtige Informationen, wie die Anzahl der Vergasten und Namen von wichtigen SS-Männern, nach draußen zu befördern und von Widerstandsorganisationen in Krakau abholen zu lassen. Diese schrieb man dann in winziger Schrift auf Zigarettenpapier, welches dann am Arbeitsplatz außerhalb des Lagers liegen gelassen wurde. Wenn Häftlinge geflohen und wieder eingefangen wurden, wurden sie stundenlang verhört und gefoltert, um zu erfahren, wer ihnen geholfen hatte. Nach dem Verhör ließen sie den Häftling auf dem Hof umher rennen, und er sollte schreien „Hurra, ich bin wieder da“. Am Abend wurde er dann gehängt. Im Jahr 1942/43 waren die Kontakte zwischen den Häftlingen und Partisanen sehr eng. Diese wurden mit geheimen Nachrichten darüber informiert, wenn jemand fliehen wollte, um ihm dann zu helfen. Dies gelang nicht immer, viele wurden auch wieder aufgegriffen.

Kazimierz Smoleń war in Auschwitz Gefangener mit der Nummer 1327 von 1940 bis 1945. Als die Rote Armee sich Auschwitz näherte, wurde er zusammen mit 60.000 Gefangenen aus den Lagern in Auschwitz mit auf den Todesmarsch geschickt. Er kam bis ins Konzentrationslager Ebensee, einem Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich. Die Häftlinge wurden am 6. Mai 1945, 2 Tage vor der Kapitulation der Deutschen, von US-amerikanischen Truppen befreit.

Nach dem Krieg studierte Smoleń Jura und kehrte 1955 auf das Gelände des ehemaligen Lagers zurück, um die dortige Gedenkstätte bis 1990 zu leiten. In zahlreichen Prozessen trat Kazimierz Smoleń als Zeuge auf, verfasste unzählige Arbeiten zur Geschichte des Vernichtungslagers und war ein gesuchter Zeitzeuge und Gesprächspartner gerade junger Menschen. „Bleiben Sie Mensch“  so verabschiedete er sich immer nach Gesprächen von seinen Zuhörern.

Am 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, ist Kazimierz Smoleń, ehemaliger Häftling des Vernichtungslagers Auschwitz und langjähriger Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, in Oświęcim im Alter von 91 Jahren gestorben.

„Gerade am heutigen Tag macht uns dieser tiefe Verlust deutlich, dass wir uns bald ohne Zeitzeugen werden erinnern müssen. Ihre Erinnerungen jedoch haben sie an uns weitergegeben. Kazimierz Smoleń wollte eine Stimme der vielen sein, die in Auschwitz geblieben sind. Er hat diese Aufgabe bis zum Ende seines Lebens mit großer Entschiedenheit und Würde – besonders in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz – wahrgenommen. Auch wenn seine Kräfte und sein Augenlicht nachließen – seine Worte blieben deutlich hörbar und sind im Gedächtnis vieler Menschen gespeichert“, betonte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees in Berlin.

„Eine Ära geht zu Ende. Dies ist ein großes Kapitel nicht nur in der Geschichte des Museums Auschwitz-Birkenau, sondern auch in der Geschichte der KZ-Gedenkstätten in Polen. Abgesehen davon, dass er ein ehemaliger Häftling war, war er außerdem über 30 Jahre lang der Direktor des Museums. Während seiner Zeit als Direktor der Gedenkstätte, war er für ehemalige polnische Häftlinge ein Hüter dieses Ortes, ein Steuerkapitän. Er war in seiner Rolle noch bis zum Schluss sehr aktiv. Er traf tausende von jungen Leuten, meist aus Deutschland. Ein weiteres dieser Treffen sollte Anfang Februar stattfinden. Die Tatsache, dass er genau an diesem Tag starb, ist etwas, das ich kaum fassen kann, “ sagte Piotr M.A. Cywiński, Ph.D., Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau.

Bild 1: K. Smolen – Quelle: oswieciem.pl · Bild 2: Einmarsch deutscher Truppen in Polen – Quelle: okazie.info.pl · Bild 3: Zäune von Auschwitz – Quelle: polskaokalna.pl · Bild 4: Smolen mit jüdischen Gefangenen – Quelle: auschwitz.org · Bild 5: 1. Museumsausgabe – Quelle: auschwitz.org · Bild 6: letztes Bild von K. Smolen – Quelle: auschitz.org

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