Die Anfänge des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau

Die Anfänge des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau

 

„Es gibt drei Dinge, die sich nicht vereinen lassen: Intelligenz, Anständigkeit und Nationalsozialismus. Man kann intelligent und Nazi sein. Dann ist man nicht anständig. Man kann anständig und Nazi sein. Dann ist man nicht intelligent. Und man kann anständig und intelligent sein. Dann ist man kein Nazi.“ Gerhard Bronner

Das Konzentrationslager Dachau lag rund 20 Kilometer nordwestlich von München, der so genannten Hauptstadt der Bewegung. Hier begann Heinrich Himmlers wahrhaft menschenverachtende Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein kurzer Rückblick, um ihn bereits in der Anfängen der Herrschaft über ‚Leben und Tod’ richtig einzuordnen:  Am 6. Januar 1929 wurde Heinrich Himmler Reichsführer der SS, die zu dieser Zeit noch eine Untereinheit der Sturmabteilung (SA) mit 280 Mitgliedern ist. Himmler baut die SS konsequent für den Polizeidienst innerhalb der Partei aus und erweitert sie bis September auf über 2.700 Mann. Es gelingt ihm, die SS als unabhängige Parteiorganisation aus der SA herauszulösen. Im März 1933 wird Himmler zusätzlich zum Polizeipräsidenten von München ernannt. Als erstes ‚offizielles’ Konzentrationslager der Schutzstaffel (SS) ließ es der Reichsführer-SS und Münchener Polizeipräsident Heinrich Himmler auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik östlich der Stadt Dachau errichten. Am 20. März gab er in einer Pressekonferenz die Errichtung eines Konzentrationslagers bei Dachau bekannt. Am nächsten Tag stand in allen Zeitungen: „Am Mittwoch wird in der Nähe von Dachau das erste Konzentrationslager mit einem Fassungsvermögen für 5000 Menschen errichtet werden. Hier werden die gesamten kommunistischen und soweit dies notwendig ist, Reichsbanner und sozialdemokratischen Funktionäre, die die Sicherheit des Staates gefährden, zusammengezogen…“ Nach dieser Veröffentlichung wäre es schwierig gewesen, zu behaupten, dass niemand etwas über Konzentrationslager wusste und doch wurde das in der Bevölkerung weitgehend ignoriert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Dachau häufig als erstes Konzentrationslager apostrophiert. Es gab in der ersten Phase der Verhaftung politisch Unliebsamer so genannten ‚wilden‘ Lager vor der Eröffnung dieses ersten Konzentrationslager, vor allen Dingen um die großen Städte des ‚Reichs’ herum. Die besondere Qualität des am 22. März 1933 eröffneten Konzentrationslagers Dachau liegt dann in seiner Funktion als Dauereinrichtung. Das Lager war der erste Ort im Deutschen Reich, an dem einem SS-Lagerkommandanten die alleinige Gerichtsbarkeit zugeteilt wurde und geltendes Recht erfolgreich außer Kraft gesetzt wurde. Die SS schuf einen „Staat im Staat“, in dem sie politische Gegner festhielt, unterdrückte und ermordete.


Die ersten Häftlinge in Dachau waren politische Gegner des Regimes: Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, teilweise auch liberale und konservative Politiker. Später folgten Kriminelle, Zeugen Jehovas, engagierte Christen, Sinti und Roma, Homosexuelle sowie vor allem Juden, die dann, wenn nicht in Dachau selbst, dann in Vernichtungslagern im Osten den Tod fanden.. Das Lager Dachau war während der zwölf Jahre seines Bestehens immer ein politisches Lager, dass heißt, die politischen Gefangenen, die die ersten gewesen waren und deshalb die Bedingungen am besten kannten, konnten einen großen Teil der Schlüsselstellungen in der sogenannten Häftlingsselbstverwaltung besetzt halten. Die hierarchisch aufgebaute Häftlingsselbstverwaltung war von der SS eingerichtet worden, damit die Organisation des Lagerlebens weitgehend von den Gefangenen selbst durchgeführt werden konnte. Im Lager Dachau konnte im Allgemeinen verhindert werden, dass kriminelle Häftlinge in Positionen gelangten, die ihnen Macht über ihre Mithäftlinge gaben, die sie in anderen Konzentrationslagern auf vielfältige Weise grausam missbrauchten.

Im Juni 1933 wurde Theodor EickeKommandant des Lagers Dachau. Er erstellte ein Organisationsschema mit detaillierten Reglements, das mit örtlichen Abweichungen für alle Konzentrationslager verwendet wurde. Auch die Einteilung der Konzentrationslager in das von einem Hochspannungszaun und Wachtürmen umgebene Häftlingslager einerseits und den sogenannten Kommandanturbereich mit Verwaltungsgebäuden und Kasernen andererseits, stammte von Eicke. Ab 1934 wurde er Inspekteur für alle Konzentrationslager. Das Lager Dachau selbst wurde als Musterlager und Modell einer Einrichtung, die allein durch ihre Existenz Schrecken unter der Bevölkerung verbreiten sollte und in der jeder Gegner des Regimes wirksam zum Schweigen gebracht werden konnte. Die SS-Männer, die einige Jahre später den millionenfachen Mord mit Giftgas durchführten, lernten zuerst im Konzentrationslager Dachau, anders denkende Menschen als minderwertig zu betrachten und sie kaltblütig zu ermorden. Die Umsetzung der nationalsozialistischen Theorien in blutige Realität nahm im Konzentrationslager Dachau ihren Anfang. Theodor Eicke gewöhnte die SS-Männer und vor allem die SS-Rekruten gezielt daran, Gewalt auszuüben. Er ließ sie zum Vollzug der Prügelstrafe antreten, sie lernten, mit eigenen Händen zu foltern und zu töten. „Selbstlose Pflichterfüllung, rücksichtslose Strenge und Härte“ verlangte Eicke von seinen SS-Männern gegenüber den Häftlingen, untereinander jedoch „herzverbindende Kameradschaft“. „In einem Konzentrationslager“, so referierte Eicke im Sommer 1938, „können heute nur die besten SS-Führer verwendet werden. Der Dienst ist so verantwortungsreich und gefährlich, dass nur ausgesprochene Pflichtmenschen, die ihre Persönlichkeit völlig zurückstellen und die keine Freizeit kennen, die drückende Verantwortung tragen können.“ Wenn der verantwortliche Führer in einem Konzentrationslager kein mitreißendes Vorbild abgebe und eine Autorität darstelle, dann entwickle sich das Lager durch die Tücke der Verbrecher sehr bald zu einem gefährlichen Pulverfass.“ Eickes Selbstverständnis war das des ‚politischen Soldaten‘, eines nationalsozialistischen Revolutionärs, der sich dezidiert von den Beamten der Weimarer Republik absetzte: „Wir sind keine Gefängniswachtmeister, sondern politische Soldaten und als solche Leibgarde des Führers. Wir werden niemals Beamte werden, sondern stets Männer der Tat und schwarze Stoßtruppe bleiben. Beamte werden bequem, dick und alt. Als Kämpfer bleiben wir gesund und lebendig.“ Eickes martialische Ansprachen verfolgten zwei Ziele. Er versuchte, die Gewaltexzesse als berechtigt und notwendig erscheinen zu lassen, indem er die Häftlinge als ‚Verbrecher‘ denunzierte. SS-Terror sollte als Reflex auf deren Gefährlichkeit dargestellt werden. Außerdem sollten sie die Loslösung von jeglichen Rechtsnormen legitimieren. Ein späterer KZ-Kommandant beschrieb den Dienst unter Eicke als sehr streng. Wir wurden mächtig geschliffen. Je mehr wir geschliffen wurden, desto stolzer waren wir darauf.“ Eicke wandte Methoden an, die auch aus anderen militärischen Verbänden bekannt sind: Strenge, militärischer Drill, Kasernierung sowie rücksichtslose Ahndung jeglicher Nachlässigkeit oder Befehlsmissachtung. Zugleich versuchte Eicke, den SS-Männern ein vertrauter Kamerad zu sein, ein Ansprechpartner auch für persönliche Sorgen und Nöte. Einer dieser späteren Lagerkommandanten war Rudolf Höß, der spätere Kommandant von Auschwitz, dieser lernte hier unter Eicke sein ‚Handwerk’. Eicke versuchte, die SS-Männer gegen die Häftlinge aufzuwiegeln: „Dort hinter dem Draht lauert der Feind und beobachtet all Euer Tun, um Eure Schwäche für sich zu nutzen. Jeder, der auch nur die geringste Spur von Mitleid mit diesen Staatsfeinden erkennen lässt, muss aus unseren Reihen verschwinden. Ich kann nur harte, zu allem entschlossene SS-Männer gebrauchen, Weichlinge haben bei uns keinen Platz!“ Das ‚Interesse des Vaterlandes‘ und die vermeintliche Gefährlichkeit der Häftlinge waren die Bezugsgrößen, mit denen Eicke Brutalität zu legitimieren suchte. Zudem ließ er die Gewalttätigkeit als Inbegriff von Männlichkeit erscheinen. Um ihres Selbstbildes willen, aus Angst vor dem Spott der ‚Kameraden’ und vor den Sanktionen der Vorgesetzten schlugen die SS-Männer zu; nichts fürchteten sie mehr als das Verdikt der ‚Weichheit‘. Die SS-Männer durchliefen bei Eicke, der ab Ende 1934 als Inspekteur für alle Konzentrationslager zuständig war, die so genannte ‚Dachauer Schule’. Durch die Praxis der Tat und nicht durch die Theorie erwarben sie ihr Wissen über die Behandlung der KZ-Häftlinge. Gleichwohl kam der NS-Ideologie eine wichtige Funktion zu. Die SS-Männer vollzogen, was bis zur so beschriebenen Machtergreifung nur in Schriften und Worten präsent war. Sie prügelten und schikanierten die von ihren Vorgesetzten als ‚Staatsfeinde’ bezeichneten politischen Häftlinge und in besonderem Maße die Juden. Jüdische Gefangene wurden zu einem überproportional hohen Prozentsatz Opfer ihrer tödlichen Gewalt. Im Grunde erwies sich die ‚Dachauer Schule’ als Initiationsritus, der die SS-Männer unempfindlich gegen ihre eigene Gefühle und die Qualen der Gefolterten machen sollte, der sie vor allem in die Gruppe der Täter integrieren sollte. Die gemeinsam begangenen Verbrechen schweißten die Gruppe zusammen. Eine wichtige Funktion kam den Ehefrauen und Kindern zu, die in der SS-Siedlung des Konzentrationslagers meist in unmittelbarer Nähe des Schutzhaftlagers wohnten. In diesem abgeschotteten Kreis fand allmählich ein Umbau des Gewissens statt. Die Mitglieder der Konzentrationslager-SS empfanden im Laufe der Zeit Dinge als ‚normal’, die außerhalb ihrer Welt weiterhin als barbarisch galten. Es ist richtig, dass Eicke nicht der ‚Erfinder’ der KZ-Systeme war, aber vielmehr ihr Entwickler.


Dachau diente als Vorbild für die vielen anderen Konzentrationslager, in denen die Nazis ihre Gegner und vor allem die Juden quälten, zur Zwangsarbeit verdonnerten und viele schließlich töteten. „Dachau war das Modell, war sozusagen die Retorte, in der das ganze KZ-System entwickelt wurde“, sagt Historiker Benz. In Dachau sei das Personal für die anderen Lager trainiert worden. „In Dachau hat man die verbindliche Lagerordnung für alle Konzentrationslager entwickelt, Dachau war sozusagen das Trainingscamp für die Bewacher. Das KZ-System insgesamt ist ohne Dachau überhaupt nicht denkbar.“Max Mannheimer, der 1920 geborene jüdische Autor, ist Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau. Er sagt: „Die Blutspur von Dachau führt auch nach Auschwitz. In Dachau sind die Kommandanten ausgebildet worden, hier ist der Grundstock des Terrors angelegt worden.“

Bild 1: Eingangstor KZ Dachau – schoah.org · Bild 2: Häftlinge 1933 in Dachau – Quelle: crapbookpages.com · Bild 3: Instruktionen an das Wachpersonal – Quelle: bundesbildarchiv.de · Bild 4: Zeichnung v. A. Kerner aus Dachau 1938 – Quelle: rememberme.ws

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