Marianne Weber • Augen zu und durch
„Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ Max Weber
Das Leben der Marianne Weber ist gespickt mit Widersprüchlichkeiten, die sich auf den ersten Blick als gemeinsam nicht lebbar lesen, doch vielleicht war es ihr größter Fehler nie gänzlich konsequent zu sein und damit ihrem Wesen etwas Schwammiges anzueignen. Andererseits ist es für Menschen nicht gerade ungewöhnlich den bequemeren Lebensweg zu gehen ohne sich öffentlich aufzulehnen. Eine gewisse Schönfärberei des Lebens und seiner Situationen war ihr eigen, doch ihr Engagement und ihre Arbeit zeigten auch eine andere Frau, nur fiel sie immer wieder in ihre angestammte, gesellschaftliche Rolle zurück. Sie war eine Frau ihrer Zeit und ihrer Erziehung, der ist sie nie entwachsen. Dies ist kein Vorwurf, nein, in keinster Weise, denn wer immer es schon mal versucht hat, seinem soziokulturellen Hintergrund zu verlassen, der weiß wie schwierig es ist, sie selbst völlig neu zu definieren, Marianne Weber war das nicht möglich. Geboren wurde sie am 2. August 1870 in Oerlinghausen, ihr Vater Eduard Schnitger war Arzt und ihre Mutter Anna, war Tochter eines Leinenfabrikanten. Marianne wuchs in einer gutbürgerlichen Welt auf, die von Konventionen, gerade für das Verhalten von Frauen geprägt war, auf. Als sie drei Jahre alt war starb ihre Mutter, ein bestimmt einschneidendes Erlebnis für ein so kleines Kind. Erzogen wurde sie dann von der Großmutter und Tante, sie besuchte erfolgreich die Höhere Töchterschule und zog im damals ‚schicklichen’ Alter von 22 Jahren zu Verwandten nach Berlin. Im Haushalt von Max und Helene Weber ‚arbeitete’ sie als Haustochter, doch schon ein Jahr später heiratete sie den Sohn des Hauses, den damals schon anerkannten und später berühmten Soziologen Max Weber. Das junge Paar zog nach Freiburg und hier begann sich Marianne Weber in der Frauenbewegung zu engagieren. Die Befreiung der Frau aus dem engen gesellschaftlichen Korsett zu befreien blieb ein lebenslanges Anliegen von Marianne Weber, doch wollte sie dies immer auf der Ebene ihrer Erziehung erreichen, eine Revolutionärin war sie wahrlich nicht.
Doch ihr Engagement blieb ungebrochen, auch als sie mit ihrem Mann 1897 nach Heidelberg zog, das ihr Leben lang ihr Lebensmittelpunkt bleiben sollte. Drei Jahre später veröffentlichte sie ihr erstes Buch ‚Fichtes Sozialismus und sein Verhältnis zur Marxschen Doktrin’ und 1907 entstand ihr Hauptwerk ‚Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung’. Ein Buch, das sich mit der rechtlichen Stellung der Frau in der Ehe befasst und das großen Einfluss hatte auf die Gesetzgebung in Hinsicht auf die Gleichstellung der Ehefrau. „Wir wollen unsere Töchter nicht […] ahnungslos in die Arme des Mannes werfen. Wir wollen ihnen endlich die Bildung und geistige Selbständigkeit mitgeben, die sie befähigt, später auch ihren Söhnen nicht nur Pflegerinnen, sondern geistige Kameradinnen zu sein, in der festen Überzeugung, daß jede Steigerung der Achtung vor der Frau, nicht als Geschlechtswesen, sondern als Mensch, auch die sittliche Kultur des Mannes steigert.“ Die Webers führten ein offenes Haus mit einem damals üblichen Salon in dem philosophiert und diskutiert wurde, das besondere im Hause Weber war, dass dieser Salon von Damen und Herren besucht wurde und die anwesenden Damen an den Diskussionen teilnahmen. Ein Novum in den damaligen akademischen Kreisen. Nach dem Ersten Weltkrieg, also in der Weimarer Republik betätigte sich Marianne Weber auch politisch. Sie war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei und Abgeordnete im Landtag der Republik Baden. Gleichzeitig war sie Vorsitzende des Bundes deutscher Frauenvereine bis 1923. Eine tiefe Freundschaft verband sie mit Gertrud Bäumer, einer überaus konsequenten Frauenrechtlerin. Ihren Sitz im Badischen Landtag gab sie auf, als ihr Mann an die Universität München berufen wurde, doch starb dieser 1920 kurz nach ihrem Umzug. Immer erklärte Marianne, dass sie eine glückliche Ehe mit Max Weber führte, völlig außer Acht lassend, dass er leidenschaftliche Beziehungen zu anderen Frauen pflegt, auch mit Freundinnen von Marianne. Diese sind durch zahlreiche Briefe belegt und es ist der Verdienst von Marianne Weber, die ihr Leben in die Archivierung des Nachlasses ihres Mannes stellte, dass auch diese hochemotionalen Liebensbriefe erhalten sind.
So gab sie 1921/1922 dessen Hauptwerk ‚Wirtschaft und Gesellschaft’ heraus, das bis zu ihrem Tod zwei zum Teil editorisch überarbeitete Neuauflagen erfahren sollte und sorgte bis 1924 für die Sammlung eines Großteils seiner weit verstreuten Veröffentlichungen in den siebenbändigen Gesammelten Aufsätzen von Max Weber. 1936 folgte die Herausgabe einer Sammlung seiner Jugendbriefe. Eine anschließend geplante Veröffentlichung seiner Reisebriefe aus den 1890er Jahren wurde nicht mehr verwirklicht. Nach der Trauerzeit in München zog Marianne Weber wieder zurück, dort erhielt sie 1922 für ihre Herausgebertätigkeit die juristische Ehrendoktorwürde der dortigen Universität und wurde damit die erste deutsche Ehrendoktorin der Rechtswissenschaften. Sie selbst veröffentlichte 1926 eine herausragende Biographie über ihren Mann ‚Max Weber: Ein Lebensbild’, ein Werk, dem noch heute höchste Anerkennung zu zollen ist. Ein weiterer Schicksalsschlag traf die Familie Weber, denn die jüngste Schwester Max Webers, Lilli, ging in den Freitod und hinterließ vier Kinder.
Mariannes Mann Max hing mit großer Liebe an seiner Schwester und so war es nur natürlich für Marianne, die Kinder zu sich zunehmen, acht Jahre später adoptierte sie sie auch. Die Umstände von Lillis Selbstmord sind von äußerst pikanter Natur, denn sie hatte eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zum Leiter der Odenwaldschule Paul Geheeb, der sie dann von heute auf morgen fallen ließ und sich anderen zuwandte, auch Schülerinnen der Internatsschule. Marianne hatte durchaus Kenntnis von den Hintergründen, die zu Lillis Freitod führten und auch vom Treiben der männlichen Lehrer in Hinsicht auf die Schülerinnen, doch erhob sie dahingehend nie ihre Stimme oder schritt energisch ein. Dass sie die Kinder aus der Schule nahm, von der sie öffentlich als ‚Kinderparadies’ sprach, war das einzige, das sie zum Schutz der Kinder unternahm. In der Zeit des Nationalsozialismus lebte Marianne Weber sehr zurückgezogen. Sie war mit äußerst vielen jüdischen Akademikern befreundet und lehnte die Politik der Nationalsozialisten ab, doch eine öffentliche Stellungnahme war nie von ihr zu hören. Sie half zwar dem einen oder anderen auf dem Weg ins Exil, doch blieben diese Hilfen auf das Private beschränkt. Ihre eigene Rolle in dieser Zeit hat sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg nie öffentlich reflektiert. Weiter zurückgezogen, aber immer noch wissenschaftlich arbeitend, verstarb Marianne Weber am 12. März 1954 in Heidelberg, sie wurde neben ihrem Mann beigesetzt.
Vielleicht stand Marianne Weber nicht oben auf den Barrikaden der Frauenbewegung, doch in ihrem Milieu riss sie viele Schranken des Denkens und Handelns ein, leiser aber nicht weniger wirkungsvoll, so dass sie sich durchaus in die Reihen der Frauenrechtlerinnen einreihen darf.
Archivarbeit und Materialsammlum erstellt von Patrice Jacob
Bild 1: Marianne Weber als junges Mädchen – Quelle: fembio.net · Bild 2: Max und Marianne Weber um 1900 – Quelle: kaeseler-soziologie.de · Bild 3: Buchtitel v. Marianne Weber – Quelle: images-amazon.com · Bild 4: Marianne Weber – Quelle: wikipedia.org
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