„Oma hat morgen Geburtstag…“, sagt die Mutter zu ihrem pubertierenden Sohn. Sein Gesicht verzieht sich, er erwidert: “Nö, ich kann nicht. Bin mit den Jungs verabredet.“ Der Vater mischt sich ein: “Nein, du kommst mit, Oma hat einmal im Jahr Geburtstag und du kommst mit. Deine Freunde kannst du immer treffen.“ Der Sohn sagt gar nichts mehr, schiebt den Stuhl geräuschvoll zurück und geht schweigend, mit einem Kinn, das sich bis tief gen Erde neigt, raus.
Die Großmutter zu ihrem Mann: “Wenn du Morgen die Erdbeeren für die Torte holst, vergiß das Basilikum nicht, das mag meine Schwester Elsa so gern.“ Der Angesprochene brubbelt: “Immer dieses Tamtam, jedes Jahr.“ Zustimmend nickt die Frau und antwortet: “Na ja, so ist das eben, alle erwarten das, was soll ich machen.“
Diese beiden kleinen Beispiele zeigen, dass so eine Familienfeier nicht immer ein erfreuliches Ereignis für alle Beteiligten ist. Sie kommen alle zusammen, weil es schon immer so war und nicht, weil es ihnen ein Bedürfnis ist. Das scheint häufig die Realität zu sein, doch was weit aus beunruhigender ist, sie alle, die da zusammenkommen, reden nicht über ihre Bedürfnissen. Ja, viele haben es gar nicht gelernt ihre Wünsche und Anliegen zu formulieren. Doch dies kann man lernen. Das könnte zwar manchmal zu einem Konflikt führen, zwangsläufig muss es das aber nicht. Zuerst sollten die eigenen Bedürfnisse und Gefühle analysiert werden, um vor sich selbst zu bestehen. Dieses Resultat kann dann mit den Werten und moralischen Einstellungen, die einen begleiten, abgeglichen werden. Erlangt man so ein für sich stimmiges Bild, kann man sich dieses zu Eigen machen. Natürlich ist das ein innerer Prozess, dem man auch Zeit und Intensität geben muss, doch es lohnt sich diese mutige Reise zu sich selbst zu beginnen. Jeder kennt das, man kann sehr schnell und meistens präzise formulieren was man nicht will, doch wenn man gezwungen ist, zu sagen was man denn genau möchte, so ist das oft nicht so einfach. Aber man kann das tagtäglich üben, beim Einkaufen oder beim Bestellen in einem Restaurant. Auch im Gespräch mit dem Chef ist es mehr als sinnvoll die eigenen Anliegen genau auf den Punkt zu bringen. So wäre es doch gut, um noch einmal auf den Anfang zu verweisen, wenn der Enkel mit seiner Großmutter hätte reden können, und sie beide zu dem Ergebnis gekommen wären, dass der Enkel halt zwei Stunden später zur Familienfeier käme. Auch hätte die Schwester selbst ihr Basilikum, vielleicht als Sträußchen gebunden, mitbringen können und dem Geburtstagskind somit keinen Aufwand geboten. Mit dem Rückhalt einer liebevollen und einander tragenden Familie kann ein jeder gestärkt in der Gesellschaft seinen Platz finden. Denn auch ein Scheitern, kann durch solch feste Bande gemildert werden. Die eignen Ziele und Wünsche innerhalb seines gesellschaftlichen Umfeldes zu leben, entspricht häufig einem erfüllten Leben. Dies ist jedem zu wünschen, aber es sollte auch jedem offen stehen. Wir haben eine Aufgabe in unserem Leben, die über den Broterwerb hinausgeht. Vielleicht ist es nicht immer leicht seinen Platz zu finden, doch sich auf die Suche zubegeben ist ein Anfang, auch wenn man nicht gleich das richtige für sich findet. In solch einer Sinnsuche liegt bereits so viel Erkenntnis, dass auch schon die Suche, die Bereicherung ist. Ob wir bereits gefunden haben oder noch Suchende sind, wir werden immer gewinnen. Dies, sowohl für uns selbst, wie auch für die anderen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir nicht Reichtum und Macht wünschen, sondern ein leidenschaftliches Gespür für Potential – ein Auge, das, immer jung und feurig, das Mögliche sieht.
„Das Vergnügen enttäuscht, die Möglichkeit nie.“ Søren Kierkegaard
Schwärmen wir aus und begeben wir uns auf Entdeckungen, die unsere Herzen und unseren Verstand erweitern, streben wir neugierig nach dem Neuen, vielleicht begegnen wir uns.
Bild: „Halle der Träume“ von Martina Badregal Calderon, 2009 Kiel
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