Maria Stromberger

Maria Stromberger

 

Nur sehr wenig ist über Maria Strombergers Leben vor ihrer Zeit in Auschwitz bekannt. Geboren wird sie am 16.März 1898 in Metnitz, einer im Norden Kärntens gelegenen Marktgemeinde mit damals ca.3500 Einwohnern. Mit sechs Jahren erkrankt  Maria  Stromberger sehr  schwer.  Die leidgeprüften Eltern,  die ja schon drei ihrer Kinder zu Grabetragenmussten, haben auch ihre Tochter Maria schon aufgegeben, als wider Erwarten Besserung eintritt und das Kind sich erholt, sind sie überglücklich . Von nun an hat Maria sich zu einem starken  Menschen entwickelt.

In den Wirren des 1. Weltkriegs macht sie eine Kindergärtnerinnenkurs, sie dann bei Schwester und Schwager 10 Jahre lang im Hotel, hier schafft sie es bis zur Chefköchin aufzusteigen. Nach deren Tod pflegt sie ihren Vater und erst jetzt erfüllt sie sich ihren Lebenstraum und lässt sich zur Kranken-schwes ter ausbilden.Ihre Arbeitstationen führten sie von Meran nach Heilbronn, Göttingen und Klagenfurt. 

In Klagenfurt, im Krankenhaus hörte sie wohl von verwundeten Soldaten über Verbrechen, die in  Polen  begangen  würden. Sie  zweifelt zwar am Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen, doch lassen sie ihr keine Ruhe, so dass sie um eine Versetzung nach Polen ersucht, obwohl ihr Vorgesetzter sie nur ungern gehen lässt: „Die Versetzung  geschah  auf  meinen  Wunsch  hin. Weil ich in meiner Heimat Gelegenheit hatte, Verschiedenes darüber zu hören, was im Osten geschah, wollte ich mich überzeugen, ob die Erzählungen der Wahrheit entsprachen, denn als alte Österreicherin konnte ich das nicht glauben, wir waren immer tolerant und human.“

Maria Stromberger wird am 1.Juli1942 aus Kärnten nach Königshütte, (Krolewska Huta; heute Chorzow) Polen, etwa 35 Kilometer Luftlinie von Auschwitz entfernt, versetzt. Sie arbeitet am städtischen Infektionsspital als Abteilungsschwester auf der Infektionsabteilung. Hier kommt sie zum ersten Mal in Kontakt mit Menschen aus Auschwitz. Am 23.7.1942, also ebenfalls zu der Zeit, in der Maria Stromberger in Königshütte arbeitet, ordnet Auschwitzkommandant  Höß wegen der im Lager herrschenden Flecktyphusepidemie sogar eine Lagersperre für die SS an.

Durch die Fiberphantasien der erkrankten SS-Patienten erfährt Maria von den Vorkommnissen in Auschwitz.

Dr.Stefan, ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und ihr Vorgesetzter fragt Stromberger, ob sie den Verstand verloren habe, als ihr Versetzungsantrag ins Vernichtungslager vorlag. Sie bejaht, weil ihr klar ist, dass sie über ihre wahren Beweggründe am besten mit niemandem redet. Als sie mit ihrer Schwester Karoline in Bregenz über ihre Entscheidung spricht, ist auch diese bestürzt und versucht sie um zustimmen. Doch Maria antwortet ihr: „Ich will sehen, wie es wirklich ist, und vielleicht kann ich auch etwas Gutes tun. Glaube mir!“ Am ersten Oktober wird ihr von der zuständigen Schwester in Kattowitz mitgeteilt, dass ihre Versetzung bestätigt worden sei. Am selbenTag begibt sie sich zum Dienstantritt ins Konzentrationslager.

Als Maria Stromberger am 1. Oktober 1942 nach Auschwitz kommt, wird sie vom damali­gen Adjutanten des Lagerleiters Höß und Robert Mulka, begrüßt, der sie mit folgenden Worten empfängt: „Schwester, Sie haben einen schwe­ren Dienst vor sich. Die Deutschen führen in Auschwitz eine wirklich schreckliche Arbeit aus, die aber für uns nötig ist.“ Mulka weiß genau, wovon er spricht, denn er ist für Beschaffung und Transport des Giftgases Zyklon B nach Auschwitz und den Transport von Gefangenen in die Gaskammern verant­wortlich. Außerdem macht er Stromberger klar, dass alles, was in Auschwitz vorfalle, als Staatsgeheimnis zu gelten habe. Er warnt sie, dass die seelische Belastung im Lager kaum auszuhalten sei: „Die Front, das ist ein Kinderspiel im Verhältnis zu Auschwitz.“

Damit ist sie für die kranken SS-Männer, also das Lagerpersonal, und nicht für die Häftlinge zuständig. Grund ist laut Entress ein Erlass, der den Dienst in einigen Schutzhaftlagern deutschen Schwestern und Krankenpflegern verbiete „weil dieser Dienst  eine  zu  große  Belastung  für sie darstelle.“ Ansonsten wäre sie zum Dienst im Lager Birkenau  eingeteilt  worden.  Stromberger wohnt in einem Haus in einer Wohnsiedlung für das Auschwitz-Personal  außer halb des Lagers und erscheint jeden Morgen im SS-Revier zum Dienst.  Ihr Vorgesetzter ist Dr. Eduard Wirths ,seit 1.9.1942 SS-Standortarzt in Auschwitz und damit verantwortlich für alle Ärzte und das gesamte Sanitätspersonal im KL Auschwitz und dessen Nebenlagern. Ihr untergeben sind die anderen Krankenschwestern im SS-Revier. Edward Pys (polnischer Häftling) bemerkt, dass Stromberger viel von ihnen verlangt, keine Nachlässigkeiten durchgehen lässt und  sich  ihnen  überaus  reserviert  zeigt.  Sie sei, so Pys, bei ihnen nicht beliebt gewesen.

Edward  Pys  schildert  Maria Stromberger  folgendermaßen: „Hochgewachsen, schlank, sich ungewöhnlich aufrecht haltend. Ihre raben- schwarzen Haare, zum Zopf geflochten, waren auf dem Nacken hochgesteckt. Auf dem Kopf trug  sie  eine  Krankenschwesternhaube  mit dem schwarzen Streifen.“ Sie spricht einen ausgeprägten österreichischen Dialekt, der im Lager von den Deutschen und Deutsch sprechenden  Polen  kaum verstanden  wird   und an dem Hermann Langbein Maria Stromberger sofort als Österreicherin erkennt.  Pys findet sie zunächst nicht sympathisch, und er verhält sich sehr reserviert, weil er aus Erfahrung weiß, dass auch die Krankenschwestern gefährlich sein können. In ihrer Zeugenaussage beim Höß-Prozess berichtet Maria Stromberger von einer solchen  Pflegerin  im  Lager  Birkenau: „Diese Schwester hat unsere Pflegerinnentracht geschändet für ewige Zeiten. Diese Schwester hat jeden Häftling, jede Frau, die schwach, ausgemergelt und voll Angst vor ihr stand, mit einer Hetzpeitsche geschlagen. […] Die Frauen zitterten, wenn sie zu dieser Schwester ins Revier gerufen wurden, denn sie wussten, dass sie von dort nicht mehr lebend herauskommen werden.“

Maria Stromberger hört Schüsse aus dem Lager und sieht, dass Häftlinge wie bei einer Treibjagd von dem SS-Personal in den Stacheldraht trieben werden, zur Belustigung. Ihr Entsetzen und ihre Fragen an Pys, bringen beide näher…..

Er  (Pys) schlägt  ihr  vor,  ins  Lager  zu gehen, in den Häftlingskrankenbau, um sich selbst ein Bild zu machen. Stromberger ist es nicht erlaubt, das Lager zu betreten .Dennoch befolgt sie den  Rat noch am selben Tag. Als sie zurückkommt, so Pys, ist sie „blass und sehr verändert. Ich hatte Angst, dass sie  mir  wieder ohnmächtig wird.“ Um die Zustände kennen zu lernen, die dort herrschen, unternimmt sie solche Ausflüge noch weitere Male. Insgesamt gelingt es ihr zweimal, ins Frauenlager Birkenau zu kommen: Einmal schmuggelt sie ein Mitglied des SDG hinein, einmal nimmt Dr.Wirths sie mit. Dreimal gelangt sie in den Häftlingskrankenbau im Männerlager.

Die Eindrücke dort sind so  schrecklich: „dass es lange  dauerte, bis ich mein seelisches Gleichgewicht wieder gefunden hatte.“ 

Dazu kommen weitere Ereignisse, die ihr den wahren Charakter von Auschwitz deutlich machen: „Zwischen uns war nur eine Straße: Hier war das Revier, und dort das Krematorium und die Gaskammern. Ich  beschreibe ein Beispiel, das ich durch das Fenster sah: Da war ein vielleicht 7-jähriger Junge, der einen Matrosenanzug anhatte und blonde Haare, er sah so hübsch aus. Er zog den Anzug aus und legte ihn sorgfältig zusammen.  Inzwischen kam seine Mutter mit einem Kind an der Hand, das vielleicht anderthalb Jahre alt  war und auch  schon nackt ausgezogen war. Sie gab ihm das Kind in die Arme, damit sie sich auch ausziehen konnte. Und dann sind sie hinein gegangen.

Und jetzt ein zweites Beispiel.


Einmal, das war im Januar 1943 an einem ungewöhnlich kalten Tag, ein Maßstab  dafür  kann  sein, dass mir kalt war, obwohl ich warm angezogen war, es war an einem Vormittag, am so genannten Stabsgebäude, da hörte ich ein schreckliches Geheul, das war schon nicht mehr menschlich. Ich  stand wie erstarrt, und in diesem Moment kamen drei riesige Lastwagen an mir vorbei gefahren, vollgeladen mit  nackten Männern, die vor Fieber zitterten und die ihre abgemagerten Arme nach mir ausstreckten, ich stand ja im Kleid einer Krankenschwester am Weg, aber helfen konnte ich ihnen nicht. Sie fuhren zum Krematorium in Birkenau. Sie waren schon frei. Weiter hörte ich einmal in der politischen Abteilung, die dem Untersturmführer Max Grabner unterstand, (ein Teil der Baracke war die politische Abteilung, der andere Teil war die Post) damals hörte ich das Schreien eines gefolterten polnischen Mannes, der gerade verhört wurde. Ich habe mich halb bewusstlos an der Wand abgestützt.  Als  er  herausgezogen  wurde, habe ich gesehen, dass im wörtlichen Sinne das Fleisch in Streifen an ihm herabhing. In diesem Zustand wurde er in den Bunker zurückgebracht. Die, die bei ihm waren, waren junge SS-Männer. Einige der unmenschlichen Aufseher lachten und sagten: „Schwester, sie werden noch einige Male die Auschwitzer Sirene hören!“

Schwester Maria · Engel von Auschwitz

Hier wird erzählt,  wie ‚Schwester Maria’ zum Engel von Auschwitz wurde.
Ihr Einsatztgebiet war die SS-Krankenstation innerhalb des Vernichtungslagers, das unter der Leitung des Dr. Wirths stand. Maria Stromberger wurde als Oberschwester eingesetzt und hatte neben anderen Schwestern Helfer, die aus der Masse der Häftlinge rekrutiert wurden. Ein besonderes Vertrauensverhältnis entstand zwischen ihr und dem polnischen Häftling Ewald Pys.
 
Nachdem ihr, Maria, das Grauen dieses Ortes bewusst war, versuchte sie zu helfen wo sie konnte:
 

Schon bevor Schwester Maria Stromberger im SS-Revier tätig ist, haben die Häftlinge versucht, notwendige Güter für Mithäftlinge ins Lager zu schmuggeln, doch ist dies durch die Hilfe der zuständigen Stationsschwester, die Zugang zur Apotheke hat und weitaus weniger kontrolliert wird, in viel größerem Umfang möglich. Vorallem an Medikamenten und Spritzen fehlt es im Häftlingskrankenbau, während diese in der SS-Apotheke im Überfluss vorhanden sind, weil dort auch die den nach Auschwitz Deportierten abgenommenen Medikamente verwahrt werden. Medikamente sind auch leichter zu schmuggeln als Lebensmittel, so dass die Häftlinge sich darauf konzentrieren, während sie die organisierten Lebensmittel teilweise selbst essen und ihre Rationen im Lager den Mithäftlingen überlassen.  Maria Stromberger ist bemüht, immer und überall, wo es möglich ist, zu helfen. Wenn sie Häftlingen begegnet, versucht sie ,ihnen etwas zuzustecken. So berichtet Hunja Hecht, die in der SS-Schneiderei arbeitet: „Schwester Maria hat uns immer etwas mitgebracht, wenn sie zu uns kam.“ Sehr wichtig sind von Anfang an auch die Informationen, die Stromberger an die Häftlinge weitergibt. Sie spricht mit ihnen offen über alles, was sie bei SS-Männern, Ärzten und Offizieren hört. Dadurch können die Häftlinge vorgewarnt werden, Gefahren besser abschätzen und ihnen aus dem Weg gehen und rechtzeitig auf Veränderungen reagieren. Nachrichten über den Verlaufdes Krieges und die Frontlage sind vorallem für die Stimmung im Lager sehr wichtig. Stromberger versorgt die Häftlinge damit. So besucht sie etwa die Schneiderei immer dann, wenn gerade keine SS-Leute dort sind, um diese Meldungen weiter geben zu können. Recht bald nach Maria Strombergers Dienstantritt, kommt es zu einem gefährlichen Zwischenfall: Während der Typhusepidemie erhalten die erkrankten SS-Leute täglich einen halben Liter Milch. Edward Pys ist damit beauftragt, diese Milch abzufüllen und zuverteilen. Wie auch bei anderen Dingen läss ihm Schwester Maria dabei freie Hand, so dass er einen Teil der Milch für seine Mithäftlinge beiseite schaffen kann und den Rest mit Wasser auffüllt, um auf die reguläre Menge zukommen. Die so gewonnene Milch über gibt er einem Kollegen, der sie dann versteckt, ehe sie abends ins Lager geschmuggelt wird. Eines Tages jedoch wird dieser Kollege, als er gerade mit der vollen Kanne aus der Küche gehen will, von einem in der Kanzlei arbeitenden SS-Mann namens Geiger erwischt und zur Rede gestellt. Er stürzt in die Küche, bezichtigt Pys der Sabotage, schlägt ihm mehrmals ins Gesicht und droht ihm lautstark an, über den Vorfall Meldung zu erstatten. Aufgeschreckt durch das Geschrei erscheint Maria Stromberger, lässt sich berichten und handelt sehr schlagfertig, indem sie Geiger zurechtweist und behauptet, bei der Milch handle es sich um die Reste, die die Kranken übrig gelassen hätten; daher sei die Milch verdorben. Wenn die Häftlinge davon trinken und dann krank würden, sei das nicht ihre Sache. Sie setzt dabei ganz auf ihre Autorität als Schwester und muss hoffen, dass Geiger nicht bekannt ist, dass eine Flecktyphusinfizierung auf diese Weise gar nicht möglich ist. Der Schachzug gelingt, Geiger verlässt die Küche, eine Meldung bleibt aus.

 
Im Herbst 1942 erkrankt Pys so schwer, dass sein Leben an einem seidenen Faden hängt, Maria versteckt ihn und pflegt ihn gesund. Diese Aktion forderte sie sehr, da er ja auch bei Zählappellen nicht anwesend war und sie dauernd Ausreden erfinden musste. Doch sie rettete ihm das Leben. Sobald er nur fähig war, stand er bereit bei der nächsten Zählung, bei der er selektiert wurde. Maria sorgte auch hier dafür, dass Pys weiter leben durfte, dies tat sie auch noch für viele andere, ohne an die Gefahr zu denken, in die sie sich begab. Ob es Milch, Medikamente oder die Rettung Einzelner, es wird auch immer gefährlicher für sie selbst:
Maria Stromberger verhält sich sichtbar anders zu den Häftlingen als üblich. Das fällt auf und erweckt Misstrauen unter denübrigen Angestellten im SS-Revier. Besonders bedrohlich werden, von den Häftlingen die Männer des SDG, vor allem jene des so genannten „Desinfektionskommandos“ unter der Leitung von SS-Oberscharführer Josef Klehr empfunden, die auch für die Ermordungen mit dem Giftgas Zyklon B zuständig sind. Vom SS-Revier aus kann man das alte Krematorium mit der Gaskammer sehen. Wenn die Ermordungen nicht wie meist üblich sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend, sondern untertags stattfinden, ist es den Häftlingen und dem PersonaldesSS-Reviers möglich, diese zu beobachten. Um dies zu verhindern, wird befohlen, die Rollläden herunterzulassen. Jedes Hinausspähen ist strengstens untersagt. Edward Pys erlebt mit, wie ein französischer Häftling, der eine Erschießung beobachtet, von SS-Untersturmführer Maximilian Grabner dabei erwischt wird und schon beim nächsten Ausrücken nicht mehr dabei ist, weil er selbst erschossen worden ist. Pys erkennt sie, weil solche Büchsen auch im SS-Revier gelagert werden. Bei jedem Kamin werden zwei bis drei Büchsen abgestellt. Die Männer setzen Gasmasken auf, legen ein gezahntes Eisenwerkzeug auf die Büchsen, das Pys ebenfalls schon im Revier liegen gesehen hat und nicht zuordnen konnte, klopfen mit Hämmern die Büchsen auf und schütten den Inhalt dann in die Kamine. Nach kurzer Zeit ertönt markerschütterndes Geschrei, das auch durch extra vorbeifahrende überlaute Motorräder nicht übertönt wird, ehe nach etwa vier Minuten Stille eintritt. Circa nach einer Viertelstunde wird die Entlüftung eingeschaltet. Josef  Klehr wird von Hermann Langbein als äußerst brutaler Mensch beschrieben, dem das Töten von Häftlingen Spaß zu machen scheint: „Ich habe keinen SS-Angehörigen kennen gelernt, der das Gefühl seiner Macht so ausgekostet hat, wie dieser völlig ungebildete Mann“.
 
Von eben diesem Klehr wird Maria denunziert, ebenso von den SS-Leuten Kaulfuß und Ontl. Doch durch ihre couragierte Art konnte sie die Verdächtigungen entkräften, hinzukommt, dass ihr Chef ihr wohl gesonnen war. All dies waren nur folgerichtige Schritte, bevor Maria Stromberger auch aktiv politisch an der Seite der Häftlinge im Vernichtungslager mitarbeitete:
 
Stromberger bringt nun regelmäßig Pakete aus dem Lager, die Informationen, Pläne, Fotos und anderes Beweismaterial über Auschwitz beinhalten. Diese übergibt sie Kontaktpersonen von der polnischen Untergrundbewegung, die sie weiter an die Widerstandsbewegung in Krakau leiten. Diese wiederum steht in Kontakt mit London, so dass Nachrichten über die Verbrechen in Auschwitz über BBC verbreitet werden können. „Über die Ätherwellen von BBC und Moskau, Schweiz und Washington gingen Meldungen über den Völkermord und über die Täter im KL Auschwitz. Durch den Stacheldraht des Lagers gelangten täglich Zahlen, Berichte, Anweisungen, Fluchtvorbereitungen, Warnungen vor beabsichtigten Verhaftungen, Todesmitteilungen, Briefe und Worte desTrostes für die Familien in der Freiheit. Unter anderem die Hände von Schwester Maria haben die geheime Post des kämpfenden K.L. Auschwitz in die freie Welt gebracht.“ Vor allem für die so genannte „große Post“, wie etwa Lagerbücher oder Fotoplatten, ist Stromberger unverzichtbar. „Aus dem Kassiber vom 9. 10 1944 erfahren wir, dass„ … große Sendungen nach Krakau über dieSchwester gehen“ und imKassiber vom 7.11.44 heißt es: „Versucht, für größere Sendungen die Schwester zu benutzen“ Stromberger schmuggelt daneben auch persönliche Gegenstände der polnischen Häftlinge, die für deren Familien bestimmt sind, aus dem Lager, so etwa ein Kruzifix, das von Zbigniew Raynoch hergestellt wurde, und das an seine Familie in Krakau weitergeleitet wird.
Umgekehrt bringt sie auch Briefe und andere Dinge, die ihr außerhalb des Lagers übergeben werden ins SS-Revier, von wo aus sie von Edward Pys, Zbigniew Raynoch und anderen ins Lager geschmuggelt werden. Dabei handelt es sich um Plastiksprengstoffe für einen eventuellen Aufstand im Lager (Kassiber G.R.O. vom 16. 10. 1944: „Presse und Plastilin am Samstag erhalten“), Medikamente, Impfstoffe und Gift (das vor allem für den Fall einer misslungenen Flucht für die Häftlinge selbstbestimmt ist) (Kassiber G.R.O. vom 16. 10. 1944: „…schickt weiter über die Schwester Presse, Glukose, Opium…“) und auch Waffen: Einmal trifft sie im Lagergelände einen SS-Offizier, von dem sie nach Austausch der Parole ein Paket überreicht bekommt, indem sich eine Pistole befindet.
 
Maria Stromberger schmuggelt Nachrichten, Karten und Informationen aus dem Vernichtungslager bis nach Wien. Von dort aus wird die Welt über die Vorgänge informiert. Aber sie versucht auch reinzuschmuggeln, was immer sie kann. Unter anderem die beiden Waffen mit Munition ihres verstorbenen Vaters. Zusätzlich nimmt sie Kontakt zu Widerständlern in Wien und Polen auf, so wird sie zu einer wichtigen Verbindungsfrau. Doch die Widerstandsgruppe fliegt auf und nur wenige bleiben unentdeckt, weil die bestialisch verhörten Mitstreiter nichts verrieten. Doch der Tod vieler von Marias Freunden setzte ihr auch gesundheitlich zu, ihr Herzleiden ließ es kaum noch zu, dem Schwesterndienst nach zukommen.
 
Die Front und damit die Befreier rücken immer näher, Maria Stromberger sorgt dafür, dass ein großer Teil der Dokumente, die die Vernichtung belegen, nicht, wie vieles anderes, von der SS beseitigt werden.
 
Von ihrem Chef Dr. Wirths wird sie, deklariert als Rauschgiftabhängige, in ein Krankenhaus in „Reich“ geschickt. Die Trennung von ihren Freunden viel ihr mehr als schwer. Nach drei Wochen Klinikaufenthalt, wurde sie entlassen und ging nach Bregenz zu ihrer Schwester. Doch ihr Gesundheitszustand, nun auch Lähmungserscheinungen, verschlechterte sich immer mehr.
 
In Bregenz erlebt sie die Beschießung der Stadt durch die französischen Truppen mit und das Ende des Krieges. Noch immer leidet sie unter Schmerzen und hat Probleme mit ihrem Arm. Erst am 18.7.1946 teilt sie Edward Pys mit: „Was mich anbelangt, so bin ich wieder ganz gesund! Das Herz streikt nicht mehr und der Arm ist wieder voll beweglich.“ Sie hofft, dass Edward Pys sie, wie vereinbart, besuchen kommt: „JedenTag hoffte ich, Sie würden einmal bei uns vor derTüre stehen und jedenTag war es mir, als ob ich Ihre Gestalt auftauchen sähe! Aber leider immer vergebens.“ Pys will sein Versprechen einhalten, hat aber, als er am 5.Mai von den Amerikanern aus dem Lager Gusen befreit wird, kein Geld, um den Plan zu verwirklichen. Außerdem gibt es keine Verkehrsverbindungen, und er fühlt sich sehr erschöpft und müde. Er will auch sehen, wie es seiner Familie geht, von der er seit Juli 1944, also seit fast einem Jahr nichts mehr gehört hat. Er kehrt deshalb mit dem erstenTransport aus Linz nach Hause zurück und trifft bereitsam 28. Juni 1945  in Rzezow ein, wo er seine gesamte Familie lebend vorfindet. Sofort nach seiner Heimkehr schreibt er einen Brief an Schwester Maria, der aber acht Monate unterwegs ist und sie erst am 18.2.1946 erreicht.
Im Zuge der Entnazifizierung durch die französische Besatzungsmacht wird auch Maria Stromberger als ehemalige Krankenschwester im K.L. Auschwitz verhaftet. Ihr wird vorgeworfen, Häftlinge mit Phenol getötet zuhaben. Sie verbringt einige Wochen im Gefängnis und kommt dann ins Internierungslager Brederis. Es gibt in Vorarlberg drei solche Lager, eines in Lochau, eines in Bludenz-Rungelin und das größte in Brederis, in dem im Frühjahr 1946 etwa 500 Menschen festgehalten werden, von denen etwa 10% Frauen sind. Stromberger schreibt von dort am 18. Juli 1946 an Edward Pys: „Gegenwärtig befinde ich mich in einem Internierungslager! Ich stehe in dem Verdacht während meiner Tätigkeit in Auschwitz, Häftlinge mit `Venol’ behandelt zuhaben. Lachen Sie nicht, Edek! Es ist Ernst! Ich bin sehr froh, dass man mich nach ein paar Wochen Gefängnis hierher gebracht hat, die Behandlung ist durchaus menschlich und ich kann mich in gewissen Grenzen frei bewegen und bin in Gottes freier Natur, habe es auch arbeitsmäßig sehr gut . Ich darf sogar Kaffee kochen! (wenn ich einen habe) und darf rauchen. […] Wissen Sie, ich bin mitten unter Nazis, SS, Gestapo!!  Ich als ihr größter Feind! Und muss ihre Redensarten täglich anhören über die `Ungerechtigkeit  und ihre Klagen, was die Menschen jetzt mit ihnen tun. Dann stehen vor meinem geistigen Auge die Erlebnisse von Auschwitz!! Ich sehe die Feuerscheine der Scheiterhaufen! Ich verspüre den Geruch verbrannten Fleisches in der Nase, ich sehe die Elendszüge der einrückenden Kommandos mit den Toten hinterher, ich verspüre die würgende Angst, welche ich jeden Morgen um Euch gehabt habe, bis ich Euch wieder gesund vor mir sah und ich könnte diesen hier ins Gesicht schreien und blind auf sie los gehen.

 

Tadeusz Holuj, der in Auschwitz ebenfalls in der Widerstandsbewegung tätig war, inzwischen als Chefredakteur der gerade erst gegründeten Tageszeitung „Echo Krakowa“ beschäftigt ist. Dieser veröffentlicht einen kleinen Artikel darüber, der in der Ausgabe vom 23.8. erscheint. Außerdem telefoniert er sofort mit Józef Cyrankiewicz, der inzwischen Generalsekretärder PPS (PolskaPartiaSocjalistyczna = Polnische Sozialistische Partei) und Minister ohne Geschäftsbereich in der polnischen Regierung ist. Auf seine Intervention bei der französischen Militärregierung in Österreich hin wird Maria Stromberger am 23. September 1946 durch einen Gnadenakt, das heißt ohne Prozess, vorzeitig aus dem Lager entlassen.
 
 
1947 ist Schwester Maria noch einmal in Polen, jetzt aber als Zeugin im Prozess gegen den Kommandanten von Auschwitz, der am Ende zum Tode durch den Strang verurteilt wurde. Sie verbrachte eine geraume Zeit in Polen um all ihre Freunde und Überlebenden zu treffen. Mit ihnen fühlte sie sich verbunden, im Wissen um die Erlebten Schrecken.
 
Da sie nie wieder völlig gesund wurde, konnte sie ihren Beruf auch nie wieder ausüben. Sie arbeitete als Näherin in einer Fabrik, sie war Hilfsarbeiterin.
Zwar machte sie noch eine Weiterbildung als Masseurin, doch wegen ihrer körperlichen Hinfälligkeit, war es ihr nicht möglich in dieser Tätigkeit zu arbeiten.
Aber Maria war nicht nur körperlich gebrochen, auch seelisch. Von sich selbst behauptet sie in einem Brief:“ Ich atme nur noch.“ „Ich lebe nicht mehr.“
 
 
Vom „Bundesverband der österreichischen Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus“ (KZ-Verband) wird sie auf Betreiben Hermann Langbeins hin, im Februar 1955 zum ersten Ehrenmitglied ernannt. Bereits im Jänner 1955 ist in der Zeitschrift des KZ-Verbandes „Der neue Mahnruf“ ein Artikel erschienen, der unter dem Titel „Zwei Österreicher, auf die wir stolz sein können“ neben Ernst Burgers auch Maria Strombergers Tätigkeit im Auschwitzer Widerstand würdigt. Auch bei der Gedenkkundgebung anlässlich des zehnten Jahrestages der Befreiung von Auschwitz in Wien wird in einer Rede an Maria Stromberger erinnert:
„Ich möchte hier nicht einmal in erster Linie der jenigen gedenken, die als politische Funktionäre nach Auschwitz gekommen sind und hier ihren Kampf unter den schwierigsten Umständen fortgesetzt haben. Es gab noch eindrucksvollere Entwicklungen: Frau Maria Stromberger – die Schwester Maria, wie sie in Auschwitz genannt wurde – kam nicht als Häftling dorthin, sondern als Krankenschwester.
 
Ihr Antwortschreiben:
 
„Liebe Kameraden!
Ihr habt mir mit Eurem Schreiben vom 16. Februar 1955 eine große Freude bereitet und mich mit Stolz erfüllt! Es ist eine große Ehre (speziell für meine Person), die ich voll und ganz zu würdigen weiß, nur fürchte ich, dass Ihr meine damaligeTätigkeit bedeutend überschätzt. Es war für mich in meiner Eigenschaft als Oberschwester nicht allzu schwer, allerlei Dinge zu drehen, und wie Ihr wohl wisst, war Auschwitz eine gute Schule, Gefahren zu begegnen, wenn man nicht auf den Kopf gefallen war. Was ich tat, war Menschenpflicht und leider nur ein Tropfen ins Meer. Ach, alles ist noch so lebendig, und die Erinnerung an jene Zeit wird wohl nie verblassen. Wie gern möchte ich wieder mit Euch darüber sprechen und ich freue mich, wenn ich einmal Wien besuchend, mit Euch überall diese Dinge plaudern kann. In treuer Kameradschaft grüßt Euch, Maria Stromberger, Bregenz, 4. März 1955“
 
Die Sprachlosigkeit ihrer Mitmenschen lässt Maria Stromberger immer mehr vereinsamen. Völlig zurückgezogen, ohne soziale Kontakte, stirbt sie am 18.Mai 1957.
 
Die einzige Wertschätzung, die wir ihr heute entgegen bringen können ist, dass wir uns ihrer erinnern.
 
Ich danke dem Kath. Bildungswerk Vorarlberg, namens Herrn Dr. Hans Rapp, für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Lebens und Wirkens der Maria Stromberger.
Foto: Eingang Vernichtungslager Auschwitz Quelle Archiv AuschwitzFoto: a) Maria Stromberger & b) Ewald Pys Quelle Festschrift M. Stromberger, Kath. Bildungswerk  VorarlbergFoto: Menschen in der Baracke (Auschwitz) Quelle Archiv AuschwitzFoto: Menschliche Versuchsopfer  Quelle Archiv AuschwitzFotos: Maria Stromberger 1947 in Krakau und zu Besuch bei Familie Pys Quelle: Kath. Bildungswerk VorarlbergFoto: Maria Strombeger  Quelle: kath. Bildungswerk Vorarlberg

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