Nur sehr wenig ist über Maria Strombergers Leben vor ihrer Zeit in Auschwitz bekannt. Geboren wird sie am 16.März 1898 in Metnitz, einer im Norden Kärntens gelegenen Marktgemeinde mit damals ca.3500 Einwohnern. Mit sechs Jahren erkrankt Maria Stromberger sehr schwer. Die leidgeprüften Eltern, die ja schon drei ihrer Kinder zu Grabetragenmussten, haben auch ihre Tochter Maria schon aufgegeben, als wider Erwarten Besserung eintritt und das Kind sich erholt, sind sie überglücklich . Von nun an hat Maria sich zu einem starken Menschen entwickelt.
In den Wirren des 1. Weltkriegs macht sie eine Kindergärtnerinnenkurs, sie dann bei Schwester und Schwager 10 Jahre lang im Hotel, hier schafft sie es bis zur Chefköchin aufzusteigen. Nach deren Tod pflegt sie ihren Vater und erst jetzt erfüllt sie sich ihren Lebenstraum und lässt sich zur Kranken-schwes ter ausbilden.Ihre Arbeitstationen führten sie von Meran nach Heilbronn, Göttingen und Klagenfurt.
In Klagenfurt, im Krankenhaus hörte sie wohl von verwundeten Soldaten über Verbrechen, die in Polen begangen würden. Sie zweifelt zwar am Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen, doch lassen sie ihr keine Ruhe, so dass sie um eine Versetzung nach Polen ersucht, obwohl ihr Vorgesetzter sie nur ungern gehen lässt: „Die Versetzung geschah auf meinen Wunsch hin. Weil ich in meiner Heimat Gelegenheit hatte, Verschiedenes darüber zu hören, was im Osten geschah, wollte ich mich überzeugen, ob die Erzählungen der Wahrheit entsprachen, denn als alte Österreicherin konnte ich das nicht glauben, wir waren immer tolerant und human.“
Maria Stromberger wird am 1.Juli1942 aus Kärnten nach Königshütte, (Krolewska Huta; heute Chorzow) Polen, etwa 35 Kilometer Luftlinie von Auschwitz entfernt, versetzt. Sie arbeitet am städtischen Infektionsspital als Abteilungsschwester auf der Infektionsabteilung. Hier kommt sie zum ersten Mal in Kontakt mit Menschen aus Auschwitz. Am 23.7.1942, also ebenfalls zu der Zeit, in der Maria Stromberger in Königshütte arbeitet, ordnet Auschwitzkommandant Höß wegen der im Lager herrschenden Flecktyphusepidemie sogar eine Lagersperre für die SS an.
Durch die Fiberphantasien der erkrankten SS-Patienten erfährt Maria von den Vorkommnissen in Auschwitz.
Dr.Stefan, ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und ihr Vorgesetzter fragt Stromberger, ob sie den Verstand verloren habe, als ihr Versetzungsantrag ins Vernichtungslager vorlag. Sie bejaht, weil ihr klar ist, dass sie über ihre wahren Beweggründe am besten mit niemandem redet. Als sie mit ihrer Schwester Karoline in Bregenz über ihre Entscheidung spricht, ist auch diese bestürzt und versucht sie um zustimmen. Doch Maria antwortet ihr: „Ich will sehen, wie es wirklich ist, und vielleicht kann ich auch etwas Gutes tun. Glaube mir!“ Am ersten Oktober wird ihr von der zuständigen Schwester in Kattowitz mitgeteilt, dass ihre Versetzung bestätigt worden sei. Am selbenTag begibt sie sich zum Dienstantritt ins Konzentrationslager.
Als Maria Stromberger am 1. Oktober 1942 nach Auschwitz kommt, wird sie vom damaligen Adjutanten des Lagerleiters Höß und Robert Mulka, begrüßt, der sie mit folgenden Worten empfängt: „Schwester, Sie haben einen schweren Dienst vor sich. Die Deutschen führen in Auschwitz eine wirklich schreckliche Arbeit aus, die aber für uns nötig ist.“ Mulka weiß genau, wovon er spricht, denn er ist für Beschaffung und Transport des Giftgases Zyklon B nach Auschwitz und den Transport von Gefangenen in die Gaskammern verantwortlich. Außerdem macht er Stromberger klar, dass alles, was in Auschwitz vorfalle, als Staatsgeheimnis zu gelten habe. Er warnt sie, dass die seelische Belastung im Lager kaum auszuhalten sei: „Die Front, das ist ein Kinderspiel im Verhältnis zu Auschwitz.“
Damit ist sie für die kranken SS-Männer, also das Lagerpersonal, und nicht für die Häftlinge zuständig. Grund ist laut Entress ein Erlass, der den Dienst in einigen Schutzhaftlagern deutschen Schwestern und Krankenpflegern verbiete „weil dieser Dienst eine zu große Belastung für sie darstelle.“ Ansonsten wäre sie zum Dienst im Lager Birkenau eingeteilt worden. Stromberger wohnt in einem Haus in einer Wohnsiedlung für das Auschwitz-Personal außer halb des Lagers und erscheint jeden Morgen im SS-Revier zum Dienst. Ihr Vorgesetzter ist Dr. Eduard Wirths ,seit 1.9.1942 SS-Standortarzt in Auschwitz und damit verantwortlich für alle Ärzte und das gesamte Sanitätspersonal im KL Auschwitz und dessen Nebenlagern. Ihr untergeben sind die anderen Krankenschwestern im SS-Revier. Edward Pys (polnischer Häftling) bemerkt, dass Stromberger viel von ihnen verlangt, keine Nachlässigkeiten durchgehen lässt und sich ihnen überaus reserviert zeigt. Sie sei, so Pys, bei ihnen nicht beliebt gewesen.
Edward Pys schildert Maria Stromberger folgendermaßen: „Hochgewachsen, schlank, sich ungewöhnlich aufrecht haltend. Ihre raben- schwarzen Haare, zum Zopf geflochten, waren auf dem Nacken hochgesteckt. Auf dem Kopf trug sie eine Krankenschwesternhaube mit dem schwarzen Streifen.“ Sie spricht einen ausgeprägten österreichischen Dialekt, der im Lager von den Deutschen und Deutsch sprechenden Polen kaum verstanden wird und an dem Hermann Langbein Maria Stromberger sofort als Österreicherin erkennt. Pys findet sie zunächst nicht sympathisch, und er verhält sich sehr reserviert, weil er aus Erfahrung weiß, dass auch die Krankenschwestern gefährlich sein können. In ihrer Zeugenaussage beim Höß-Prozess berichtet Maria Stromberger von einer solchen Pflegerin im Lager Birkenau: „Diese Schwester hat unsere Pflegerinnentracht geschändet für ewige Zeiten. Diese Schwester hat jeden Häftling, jede Frau, die schwach, ausgemergelt und voll Angst vor ihr stand, mit einer Hetzpeitsche geschlagen. […] Die Frauen zitterten, wenn sie zu dieser Schwester ins Revier gerufen wurden, denn sie wussten, dass sie von dort nicht mehr lebend herauskommen werden.“
Maria Stromberger hört Schüsse aus dem Lager und sieht, dass Häftlinge wie bei einer Treibjagd von dem SS-Personal in den Stacheldraht trieben werden, zur Belustigung. Ihr Entsetzen und ihre Fragen an Pys, bringen beide näher…..
Er (Pys) schlägt ihr vor, ins Lager zu gehen, in den Häftlingskrankenbau, um sich selbst ein Bild zu machen. Stromberger ist es nicht erlaubt, das Lager zu betreten .Dennoch befolgt sie den Rat noch am selben Tag. Als sie zurückkommt, so Pys, ist sie „blass und sehr verändert. Ich hatte Angst, dass sie mir wieder ohnmächtig wird.“ Um die Zustände kennen zu lernen, die dort herrschen, unternimmt sie solche Ausflüge noch weitere Male. Insgesamt gelingt es ihr zweimal, ins Frauenlager Birkenau zu kommen: Einmal schmuggelt sie ein Mitglied des SDG hinein, einmal nimmt Dr.Wirths sie mit. Dreimal gelangt sie in den Häftlingskrankenbau im Männerlager.
Die Eindrücke dort sind so schrecklich: „dass es lange dauerte, bis ich mein seelisches Gleichgewicht wieder gefunden hatte.“
Dazu kommen weitere Ereignisse, die ihr den wahren Charakter von Auschwitz deutlich machen: „Zwischen uns war nur eine Straße: Hier war das Revier, und dort das Krematorium und die Gaskammern. Ich beschreibe ein Beispiel, das ich durch das Fenster sah: Da war ein vielleicht 7-jähriger Junge, der einen Matrosenanzug anhatte und blonde Haare, er sah so hübsch aus. Er zog den Anzug aus und legte ihn sorgfältig zusammen. Inzwischen kam seine Mutter mit einem Kind an der Hand, das vielleicht anderthalb Jahre alt war und auch schon nackt ausgezogen war. Sie gab ihm das Kind in die Arme, damit sie sich auch ausziehen konnte. Und dann sind sie hinein gegangen.
Und jetzt ein zweites Beispiel.
Einmal, das war im Januar 1943 an einem ungewöhnlich kalten Tag, ein Maßstab dafür kann sein, dass mir kalt war, obwohl ich warm angezogen war, es war an einem Vormittag, am so genannten Stabsgebäude, da hörte ich ein schreckliches Geheul, das war schon nicht mehr menschlich. Ich stand wie erstarrt, und in diesem Moment kamen drei riesige Lastwagen an mir vorbei gefahren, vollgeladen mit nackten Männern, die vor Fieber zitterten und die ihre abgemagerten Arme nach mir ausstreckten, ich stand ja im Kleid einer Krankenschwester am Weg, aber helfen konnte ich ihnen nicht. Sie fuhren zum Krematorium in Birkenau. Sie waren schon frei. Weiter hörte ich einmal in der politischen Abteilung, die dem Untersturmführer Max Grabner unterstand, (ein Teil der Baracke war die politische Abteilung, der andere Teil war die Post) damals hörte ich das Schreien eines gefolterten polnischen Mannes, der gerade verhört wurde. Ich habe mich halb bewusstlos an der Wand abgestützt. Als er herausgezogen wurde, habe ich gesehen, dass im wörtlichen Sinne das Fleisch in Streifen an ihm herabhing. In diesem Zustand wurde er in den Bunker zurückgebracht. Die, die bei ihm waren, waren junge SS-Männer. Einige der unmenschlichen Aufseher lachten und sagten: „Schwester, sie werden noch einige Male die Auschwitzer Sirene hören!“
Schwester Maria · Engel von Auschwitz
Schon bevor Schwester Maria Stromberger im SS-Revier tätig ist, haben die Häftlinge versucht, notwendige Güter für Mithäftlinge ins Lager zu schmuggeln, doch ist dies durch die Hilfe der zuständigen Stationsschwester, die Zugang zur Apotheke hat und weitaus weniger kontrolliert wird, in viel größerem Umfang möglich. Vorallem an Medikamenten und Spritzen fehlt es im Häftlingskrankenbau, während diese in der SS-Apotheke im Überfluss vorhanden sind, weil dort auch die den nach Auschwitz Deportierten abgenommenen Medikamente verwahrt werden. Medikamente sind auch leichter zu schmuggeln als Lebensmittel, so dass die Häftlinge sich darauf konzentrieren, während sie die organisierten Lebensmittel teilweise selbst essen und ihre Rationen im Lager den Mithäftlingen überlassen. Maria Stromberger ist bemüht, immer und überall, wo es möglich ist, zu helfen. Wenn sie Häftlingen begegnet, versucht sie ,ihnen etwas zuzustecken. So berichtet Hunja Hecht, die in der SS-Schneiderei arbeitet: „Schwester Maria hat uns immer etwas mitgebracht, wenn sie zu uns kam.“ Sehr wichtig sind von Anfang an auch die Informationen, die Stromberger an die Häftlinge weitergibt. Sie spricht mit ihnen offen über alles, was sie bei SS-Männern, Ärzten und Offizieren hört. Dadurch können die Häftlinge vorgewarnt werden, Gefahren besser abschätzen und ihnen aus dem Weg gehen und rechtzeitig auf Veränderungen reagieren. Nachrichten über den Verlaufdes Krieges und die Frontlage sind vorallem für die Stimmung im Lager sehr wichtig. Stromberger versorgt die Häftlinge damit. So besucht sie etwa die Schneiderei immer dann, wenn gerade keine SS-Leute dort sind, um diese Meldungen weiter geben zu können. Recht bald nach Maria Strombergers Dienstantritt, kommt es zu einem gefährlichen Zwischenfall: Während der Typhusepidemie erhalten die erkrankten SS-Leute täglich einen halben Liter Milch. Edward Pys ist damit beauftragt, diese Milch abzufüllen und zuverteilen. Wie auch bei anderen Dingen läss ihm Schwester Maria dabei freie Hand, so dass er einen Teil der Milch für seine Mithäftlinge beiseite schaffen kann und den Rest mit Wasser auffüllt, um auf die reguläre Menge zukommen. Die so gewonnene Milch über gibt er einem Kollegen, der sie dann versteckt, ehe sie abends ins Lager geschmuggelt wird. Eines Tages jedoch wird dieser Kollege, als er gerade mit der vollen Kanne aus der Küche gehen will, von einem in der Kanzlei arbeitenden SS-Mann namens Geiger erwischt und zur Rede gestellt. Er stürzt in die Küche, bezichtigt Pys der Sabotage, schlägt ihm mehrmals ins Gesicht und droht ihm lautstark an, über den Vorfall Meldung zu erstatten. Aufgeschreckt durch das Geschrei erscheint Maria Stromberger, lässt sich berichten und handelt sehr schlagfertig, indem sie Geiger zurechtweist und behauptet, bei der Milch handle es sich um die Reste, die die Kranken übrig gelassen hätten; daher sei die Milch verdorben. Wenn die Häftlinge davon trinken und dann krank würden, sei das nicht ihre Sache. Sie setzt dabei ganz auf ihre Autorität als Schwester und muss hoffen, dass Geiger nicht bekannt ist, dass eine Flecktyphusinfizierung auf diese Weise gar nicht möglich ist. Der Schachzug gelingt, Geiger verlässt die Küche, eine Meldung bleibt aus.
Ich danke dem Kath. Bildungswerk Vorarlberg, namens Herrn Dr. Hans Rapp, für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Lebens und Wirkens der Maria Stromberger.
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