Else Lasker-Schüler • Ein Leben voller Bilder und Versen
Geschichte soll nicht das Gewissen belasten, sondern den Verstand erhellen. G.E. Lessing
Im Bewusstsein, dass das Gemetzel des Zweiten Weltkriegs ein Ende haben wird, wohl wissend um die Gräuel, die ihrem Volk widerfahren sind, verstarb, versöhnend mit ausgestreckter Hand, Else Lasker-Schüler am 22. Januar 1945 in Jerusalem. Die Buntheit des Lebens hatte sie auf exaltierte Weise gelebt, wohl wissend um die tiefen und tiefsten Täler eines Erdenslebens, die sie durch nichts brechen ließ. Niemals ließ sie sich in eine Norm zwängen, bereits mit vier Jahren konnte sie lesen und schreiben; was ihre begüterten Eltern, sie zum ‚Wunderkind’ stilisieren ließ, vielleicht auch weil sie das Nesthäkchen der Familie war, jedenfalls nutzte sie die Freiheiten, die sie genoss ganz für sich selbst. Ihre Pubertät brachte ihr tiefe Einschnitte in ihre bisherige Welt, so starben ihr über alles geliebter Bruder Paul, nur kurz darauf der Vater und dann die Mutter. Sie brach ihre Schule ab und auch den langjährigen privaten Zeichenunterricht und begann ihre Lebenssituation in Gedichten und Skizzen zu verarbeiten. Mit 25 Jahren heiratet sie den Arzt Berthold Lasker und zieht mit ihm nach Berlin, der Stadt, die sich gerade daranmacht, zur Metropole zu werden. Durch die Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter Hille findet sie Anschluss an die literarische Szene und veröffentlicht erste Gedichte in der Zeitschrift ‚Die Gesellschaft’, im gleichen Jahr kommt ihr Sohn Paul zur Welt, der ihr zum ersten Mal, seit langer Zeit Halt gibt, da ihr Ehemann das nicht schaffte ließ sie sich vier Jahre später scheiden. Eine überaus mutige Entscheidung für eine Frau ihrer Zeit, zumal sie völlig mittellos da stand. Zwar wurde ihr erster Gedichtband ‚Styx’, von der Kritik gelobt, doch leben konnten sie und ihr Sohn von den Einnahmen nicht. Freunde und vor allen Dingen Gottfried Benn unterstützten sie in dieser Zeit finanziell. Sie taucht nun tief in die Kunstszene Berlins ein und kam als Paradiesvogel der Phantasie wieder hervor. Else Lasker-Schüler ließ sich weder von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht noch von ihrer Zeit einschränken. Als ‚Prinzessin Tino von Bagdad’ und ‚Prinz Jussuf von Theben’ spielte sie in verschiedenen Rollen und Verkleidungen ihre Gedankenbilder aus, und das nicht nur in den berühmten Salons der Stadt, sondern auch ganz ‚alltäglich’ auf der Straße. Seit 1899 war sie dahingehend schnell zu identifizieren. 1919 wurde ihr Drama ‚Die Wupper’ im Deutschen Theater erfolgreich uraufgeführt, hier setz sie auch ihrem Vater ein Denkmal; im selben Jahr begann der Verlag Paul Cassirer mit einer 10bändigen Gesamtausgabe ihrer Gedichte und Prosatexte. Auch ihre zweite Ehe mit dem Schriftsteller Herwarth Walden, dem späteren Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift ‚Der Sturm’, verlief wenig erfreulich, so ließ sie sich 1912 wieder scheiden. Doch verabschiedete sie sich nie von der Liebe, in dem Gedichtsband ‚Meine Wunder’ zelebriert sie diese so, dass sie zur führenden Repräsentantin des Expressionismus wird, wobei leider anzumerken ist, dass ihre Bilder und Szizzen selten Beachtung finden, beziehungsweise fanden.
Höre!
Ich raube in den Nächten
Die Rosen deines Mundes,
Daß keine Weibin Trinken findet.
Die dich umarmt,
Stiehlt mir von meinen Schauern,
Die ich um deine Glieder malte.
Ich bin dein Wegrand.
Die dich streift,
Stürzt ab.
Fühlst du mein Lebtum
Überall
Wie ferner Saum?
Auch der zeitgenössischen Berliner Bohème setzt sie in dem Roman ‚Mein Herz’ ein Ehrenmal. 1913 veröffentlicht Else Lasker-Schüler die ‚Hebräischen Balladen’, ein unbestrittener Höhepunkt ihres Werkes. Zu ihrem Freundeskreis gehören mittlerweile der
Maler Franz Marc und der Dichter Georg Trakl, beide werden Opfer des Ersten Weltkrieges. Diese dramatischen Ereignisse verarbeitet Else Lasker-Schüler in ihrem 1919 veröffentlichten Werk ‚Der Malik’. Im gleichen Jahr kommt es zu einer Neuherausgabe ihrer Werke durch Paul Cassirer. 1923 erscheint der Band ‚Theben’, eines ihrer schönsten Bücher, mit Gedichten und Lithografien, herausgegeben von Alfred Flechtheim. Hier kommt ihr künstlerisches Talent voll zur Geltung. Doch noch immer befindet sie sich in einer wirtschaftlich prekären Lage. Diese ist auch begründet durch die schwere Krankheit ihres Sohnes Paul und der damit verbundenen Arztkosten. Zahlreiche Freunde und Schriftstellerkollegen, wie Thomas Mann, verwenden sich für die Dichterin, die größte Wertschätzung genießt. 1927 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Sohnes dramatisch. Paul Lasker-Schüler stirbt am 14. Dezember 1927. Tief getroffen von diesem Verlust, zieht sich die Dichterin zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. 1932 erhält Else Lasker-Schüler für das Gesamtwerk den Kleistpreis, jeder, der an diesem Festakt teilnahm gönnte der 63jährigen diese mehr als verdiente Ehrung, doch dieses Mal wird sie in der Presse nicht nur gefeiert. Der ‚Völkische Beobachter’ nennt sie „die Tochter eines Beduinenscheichs“ und kritisiert die Verleihung des Preises auf das Schärfste. Die rechtsgerichtete Zeitung, die die Wahlerfolge der Nationalsozialisten erahnen lässt, zeigte offen auf, was sie von der Preisverleihung an eine jüdische Künstlerin hielt. So kam es, dass sie sich nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten in ihrer Heimat nicht mehr sicher fühlen konnte, so emigrierte sie am 19. April 1933 in die Schweiz. Ihre ‚Duldung’ als Emigrantin erweist sich für Else Lasker-Schüler als zermürbende Angelegenheit. Sie darf ihren Beruf nicht ausüben, muss ständig neue Aufenthaltsgenehmigungen erwirken und bekommt häufige Besuche der Fremdenpolizei. 1934 unternimmt sie ihre erste Palästinareise. Klaus Mann veröffentlicht Gedichte von ihr in seiner Emigrantenzeitschrift ‚Die Sammlung’ und auch sonst erfährt sie große Unterstützung. 1936 kommt es zur Uraufführung des Stückes ‚Arthur Aronymus und seine Väter’. Diesmal soll sich die finanzielle Lage bessern, doch nach zwei Aufführungen wird das Stück, vermutlich auf Druck der deutschen Botschaft, abgesetzt.
Jerusalem
Gott baute aus Seinem Rückgrat: Palästina
aus einem einzigen Knochen: Jerusalem.
Ich wandele wie durch Mausoleen –
Versteint ist unsere Heilige Stadt.
Es ruhen Steine in den Betten ihrer toten Seen
Statt Wasserseiden, die da spielten: kommen und vergehen.
Es starren Gründe hart den Wanderer an –
Und er versinkt in ihre starren Nächte.
Ich habe Angst, die ich nicht überwältigen kann.
Wenn du doch kämest…
Im lichten Alpenmantel eingehüllt –
Und meines Tages Dämmerstunde nähmest –
Mein Arm umrahmte dich, ein hilfreich Heiligenbild.
Wie einst wenn ich im Dunkel meines Herzens litt –
Da deine Augen beide: blaue Wolken.
Sie nahmen mich aus meinem Trübsinn mit.
Wenn du doch kämest –
In das Land der Ahnen –
Du würdest wie ein Kindlein mich ermahnen:
Jerusalem – erfahre Auferstehen!
Es grüssen uns
Des ‚Einzigen G´tts’ lebendige Fahnen,
Grünende Hände, die des Lebens Odem säen.
1938 wird die Dichterin aus der Schweiz ausgebürgert, nun unternimmt Else Lasker-Schüler ihre dritte Palästinareise. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert eine Rückkehr in die Schweiz. Den Rest ihres Lebens verbringt die Dichterin in Jerusalem. Auch hier lebt sie in ärmlichen Verhältnissen. Sie verfasst ihr letztes Stück ‚Ichundich’, das aber erst im Jahre 1979 zur Uraufführung kommt. Mit diesem Werk thematisiert sie erstmals die politische Situation. Publiziert wird das Stück jedoch nicht. Ferner gründet sie den Lesering ‚Kraal’“. 1943 erscheint ihr letzter Gedichtband ‚Mein blaues Klavier’ in einer Auflage von nur 330 Exemplaren. Sie hält mit diesem Band ein Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz und trauert um das, was sie in ihrem Leben verloren hat. Am Ende steht nur noch der Tod.
Weltende.
Es ist ein Weinen in der Welt,
als ob der liebe Gott gestorben wär,
und der bleierne Schatten, der niederfällt,
lastet grabesschwer.
Komm, wir wollen uns näher verbergen…
Das Leben liegt in aller Herzen
wie in Särgen.
Du, wir wollen uns tief küssen…
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
an der wir sterben müssen.
Am 22. Januar 1945 stirbt die große Repräsentantin des Expressionismus in Jerusalem. Auf dem Ölberg wird sie begraben. Gottfried Benn nannte sie 1952: „[…] die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte.“
In Deutschland gibt es viele Gedenkorte und Plätze, die an das Leben und Wirken von Else Lasker-Schüler hinweisen.
Bild 1: Else Lasker Schüler – Quelle: igc.org · Bild 2: Der Prinz … – Quelle: google.com · Bild 3: Buchtitel Else Lasker-Schüler – Quelle: amazon.com · Bild 4: Briefmarke Lasker-Schüler – Quelle: dbp.org
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