Anne Frank • 70 Jahre ist ihr Tagebuch
„Es ist ein Wunder, daß ich all meine Hoffnungen noch nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube.“ Anne Frank
Heute am 12. Juni 2012 jährt sich jener Tag zum 70. Mal, an dem Anne Frank ihr Tagebuch zum 13. Geburtstag geschenkt bekommen hat. Das Tagebuch, dem Anne den Namen Kitty gab, wurde zu ihrer besten, weil einzigen Freundin während der Zeit im Versteck.
In ihren Gedanken, Phantasien und Vorstellungen unterscheidet sich Anne Frank nicht von pubertierenden Jugendlichen ihrer Zeit, das macht ihre Geschichte so lebensnah und nachzuvollziehen. Besonders bedrängend ist es die Zeit im Versteck so voller Emotionen dieser Menschen ‚fast’ mitzuerleben. Anne beschreibt sich, ihr Familie und ihre Mitbewohner mit leichter Hand und großer Eindringlichkeit und immer dann wenn beim Lesen Vergnügen aufkommt, erreicht einen die Beklemmung und durch das heutige Wissen, eine Mischung aus Mitgefühl für diese versteckten Menschen und Abscheu für das unmenschliche Regime der damaligen Zeit. Heute ist es eines der wichtigsten Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es wurde in mehr als sechzig Sprachen übersetzt, Millionen Menschen haben es gelesen.
Ein junges Mädchen, das nicht erwachsen werden durfte …
Anne Frank wurde am 12. Juni 1929 als zweite Tochter von Otto Heinrich Frank und Edith Frank-Holländer in Frankfurt am Main geboren.
Die Franks waren Reformjuden, die viele Traditionen des jüdischen Glaubens bewahrten, aber nur wenige Gebräuche pflegten. Edith war der gläubigere Elternteil, während Otto, der im Ersten Weltkrieg als Offizier aktiv war und nun als Unternehmer arbeitete, sich mehr um die Bildung seiner beiden Töchter kümmerte. Er verfügte über eine umfangreiche Privatbibliothek und animierte die Mädchen zum Lesen. Anne musste sich ständig mit ihrer drei Jahre älteren Schwester Margot vergleichen lassen. Margot galt als gutmütig, vorbildlich und zurückhaltend, während Anne vielseitig interessiert und lebhaft, aber auch oft extrovertiert und impulsiv war und sich gegenüber Margot benachteiligt fühlte. Bevor die judenfeindliche Politik der Nationalsozialisten ihr junges Leben in Unruhe brachte und schließlich völlig zerstörte, lebte sie unbeschwert mit ihrer Familie und ihren Freunden in Frankfurt. Als die NSDAP am 13. März 1933 bei der Kommunalwahl in Frankfurt die Mehrheit erreichte, wenige Wochen nach dem Hitler Reichskanzler wurde, kam es sofort zu antisemitischen Demonstrationen. Er zog in die Niederlande, die Familie folgte ihm dann auch. Durch das Reichsbürgergesetz verlor die Familie Frank dort ihre deutsche Staatsbürgerschaft. Am 10. Mai 1940 wurden die Niederlande von der deutschen Wehrmacht angegriffen und besetzt, die niederländischen Streitkräfte kapitulierten. Schnell wurde deutlich, dass den Juden in den Niederlanden das gleiche Schicksal bevorstand wie in den anderen besetzten Gebieten. Otto und Edith Frank konnten die politischen Probleme nicht länger vor ihren Kindern verborgen halten. Bisher hatten die Eltern versucht, ihre Töchter abzuschirmen, um eine gewisse Normalität zu bewahren, aber Anne verstand nun die Welt nicht mehr. Aufgeben passte nicht zu ihrem kämpferischen Charakter; sie war es gewohnt, ihre Meinung durchzusetzen. Immer neue Judengesetze nahmen ihnen zunehmend ihre Rechte. Sie wurden vom gesellschaftlichen Leben und allen öffentlichen Einrichtungen ausgeschlossen. Das Kino-Verbot traf Anne, die mit Begeisterung Fotos von Filmstars sammelte, besonders hart. Mit ihren jüdischen Mitschülern musste sie nun eine besondere Schule, das Lyzeum, besuchen, wodurch sie von vielen Freunden getrennt wurde. Alle Juden mussten sich und später sogar ihre Fahrräder registrieren lassen. Als sie durch die Verpflichtung, den Judenstern tragen zu müssen, gebrandmarkt wurden, solidarisierten sich viele Niederländer mit ihnen. Allerdings formierte sich auch eine niederländische nationalsozialistische Partei. Um seine Firmen vor den strengen Kontrollen der Wirtschaftsprüfung zu schützen, übergab Otto Frank die Leitung pro forma an seine arischen Mitarbeiter Johannes Kleiman und Victor Kugler. Die Lage der Familie Frank spitzte sich zu, als Margot Frank am 5. Juli 1942 einen Aufruf von der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam erhielt, der ihre Deportation in ein Arbeitslager anordnete. Hätte sich Margot nicht gemeldet, wäre die ganze Familie Frank verhaftet worden. Aufgrund des Aufrufs beschloss Otto Frank, früher als geplant mit seiner Familie unterzutauchen. Bereits am nächsten Tag, dem 6. Juli, begann daher für die ganze Familie ein Leben im Untergrund, da eine Flucht aus den besetzten Niederlanden unmöglich erschien. Nach einer Woche folgte die Familie van Pels ins Achterhuis, mit ihrem Sohn Peter und im November 1942 kam noch Fritz Pfeffer dazu.
Es gilt als gesichert, dass das Versteck verraten wurde. Am Morgen des 4. August 1944 gegen 10 Uhr erschien die Gestapo in der Prinsengracht. Die Helfer konnten die Juden nun nicht mehr schützen und mussten dem aus Österreich stammenden Karl Josef Silberbauer das Versteck zeigen. Die Versteckten wurden zunächst bei der Gestapo verhört und über Nacht festgehalten. Am 5. August brachte man sie in das überfüllte Gefängnis Huis van Bewaring in der Weteringschans. Zwei Tage später kamen die Juden ins Durchgangslager Westerbork. Da sie als Verbrecher galten, mussten sie in den Strafbaracken harte Arbeit verrichten. Die Frauen arbeiteten – von den Männern getrennt – in einer Batterie-Abteilung. Sie lebten in der Hoffnung, sich durch die Arbeit unentbehrlich zu machen und so einem noch schlimmeren Schicksal zu entgehen. Jedoch hörten sie nicht nur Gerüchte über die Fortschritte der Alliierten, sondern auch Nachrichten über Transporte in die Konzentrationslager im Osten. Anne wirkte nach Angaben der anderen Gefangenen in Westerbork wie gelöst. Nach der langen Zeit im Versteck holte sie sich ihre Zuversicht durch den Glauben an Gott. Am 2. September wurde sie mit ihrer Familie und der Familie van Pels beim Appell zum Transport nach Auschwitz ausgewählt. Anne war drei Monate vor der Ankunft in Auschwitz 15 Jahre alt geworden und entging damit dem direkten Tod. 549 der 1.019 Passagiere, darunter alle Kinder unter 15 Jahren, kamen direkt in die Gaskammern. Die 258 Männer und 212 Frauen, die die Selektion überstanden hatten, mussten die demütigende Prozedur mit Ausziehen, Desinfektion, Rasur und dem Eintätowieren einer Nummer auf ihrem Arm über sich ergehen lassen.
Anne, Margot und Edith Frank wurden in Block 29 des Frauenlagers Birkenau untergebracht. Da ihnen eine hohe Nummer eintätowiert worden war, standen sie in der Hierarchie weit unten. Tagsüber mussten sie harte Arbeit verrichten und nachts in überfüllten Baracken frieren. Da die Alliierten immer näher rückten, entschlossen sich die Nationalsozialisten, Auschwitz allmählich zu räumen. Am 28. Oktober deportierten sie 1308 Frauen aus Birkenau ins KZ Bergen-Belsen. Sie gehörten zu den insgesamt 8.000 „kranken, aber potentiell wiederherstellungsfähigen Frauen“, die für einen späteren Einsatz in der Rüstungsindustrie vorgesehen waren. In Bergen-Belsen brachte man Anne und Margot sowie die anderen Gefangenen in Zeltlagern unter. Im März 1945 breitete sich eine Typhus-Epidemie im Lager aus, die geschätzt 17.000 Gefangene tötete und der auch Anne und Margot zum Opfer fielen. Laut Zeugenaussagen fiel Margot geschwächt von ihrer Pritsche und starb. Einige Tage später war auch Anne tot. Die genauen Daten wurden kurz vor dem Kriegsende nicht mehr notiert. Wenige Wochen später, am 15. April 1945, befreiten britische Truppen das Lager.
Otto Frank überlebte als Einziger der im Hinterhaus untergetauchten Juden. Miep Gies sammelte die Blätter mit Annes Aufzeichnungen und verwahrte sie in einer Schublade, um sie nach dem Krieg an Annes Vater zurückzugeben.
Bild 1+2: Tagebuch der Anne Frank – Quelle: wikimedia.org · Bild 3: Buchtitel Anne Frank – Quelle: wordpress.com
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