Fritz Bauer

Fritz Bauer

Das Fritz Bauer Institut

Zeitgeschichte und Erinnerung

 
Das Fritz Bauer Institut ist eine interdisziplinär ausgerichtete, unabhängige Forschungs-, Dokumentations- und Bildungseinrichtung zur Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen – insbesondere des Holocaust – und deren Wirkung bis in die Gegenwart. Es hat seinen Sitz im IG Farben- Haus auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
 
Am 11. Januar 1995 wurde das Fritz Bauer Institut vom Land Hessen, der Stadt Frankfurt am Main und dem Förderverein Fritz Bauer Institut e.V. als Stiftung bürgerlichen Rechts ins Leben gerufen. Seit Herbst 2000 ist es als An-Institut mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main assoziiert. Forschungsschwerpunkte des Fritz Bauer Instituts sind die Bereiche Zeitgeschichte und Erinnerung und moralische Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Holocaust. Gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Frankfurt betreibt das Fritz Bauer Institut das Pädagogische Zentrum Frankfurt am Main. Zudem arbeitet das Institut eng mit dem Leo Baeck Institute London zusammen. Das aus diesen Verbindungen heraus entstehende Zentrum für jüdische Studien soll neue Perspektiven eröffnen, sowohl für die Forschung wie für die gesellschaftliche und pädagogische Vermittlungsarbeit.Die Arbeit des Instituts wird unterstützt und begleitet vom Wissenschaftlichen Beirat, dem Rat der Überlebenden des Holocaust und dem Förderverein Fritz Bauer Institut e.V. .
 
Fritz Bauer:
 
Fritz Bauer von 16. Juli 1903 bis 1. Juli 1968 war ein deutscher Richter und Staatsanwalt, der eine maßgebliche Rolle beim Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse spielte. Er war Sohn jüdischer Eltern, studierte nach dem Besuch des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums in Stuttgart Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft in Heidelberg, München und Tübingen. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. wurde Bauer 1930 Gerichtsassessor beim Amtsgericht Stuttgart und damals jüngster Amtsrichter im Deutschen Reich.
 
Von früh an war Bauer politisch aktiv. Er war Mitgründer des Republikanischen Richterbundes in Württemberg. Bereits 1920 trat er der SPD bei, und 1930 übernahm er den Vorsitz der Ortsgruppe Stuttgart des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Im Zusammenhang mit Planungen zu einem gegen die Machtübergabe an die Nationalsozialisten gerichteten Generalstreik wurde Bauer im Mai 1933 von der Gestapo festgenommen und acht Monate im KZ Heuberg inhaftiert. Aus dem Staatsdienst wurde er entlassen. 1936 emigrierte er nach Dänemark und floh im Oktober 1943, als die Nazis mit der Deportation der dänischen Juden in das KZ Theresienstadt begannen, mit Unterstützung von einheimischen Helfern nach Schweden. Dort gründete er mit Willy Brandt und anderen die Zeitschrift ‚Sozialistische Tribüne’.
 
1949 kehrte Bauer nach Deutschland zurück, wurde Landgerichtsdirektor am Landgericht Braunschweig und 1950 Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht der Stadt. 1956 wurde er auf Initiative des Ministerpräsidenten Georg August Zinn in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts mit Sitz in Frankfurt am Main berufen, das er bis zu seinem Tod 1968 innehatte. Einer seiner ersten Fälle als Generalstaatsanwalt in Braunschweig machte ihn auch außerhalb Deutschlands bekannt: 1952 war er der Ankläger im so genannten Remer-Prozess. In Folge dieses Prozesses wurden die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 rehabilitiert, und ihr Versuch, Hitler zu töten, legitimiert. Das Gericht schloss sich Bauers Auffassung in seinem Plädoyer an, der NS-Staat sei „kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat“ gewesen. Ein entschiedener Schritt in der Rechtsprechung in der jungen Bundesrepublik.
 
1959 erreichte Bauer, dass der Bundesgerichtshof die „Untersuchung und Entscheidung“ in der Strafsache gegen Auschwitz-Täter dem Landgericht Frankfurt am Main übertrug. Auf Weisung Bauers leitete die dortige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen vormalige Angehörige der SS-Besatzung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz ein. Der 1. Auschwitzprozess, die „Strafsache gegen Mulka u.a.“ wurde im Dezember 1963 vor diesem Landgericht eröffnet.
 
Die bundesdeutsche Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die Justiz begann erst 1950 mit dem Gesetz Nr. 13 des Rats der Hohen Kommissare, welches die Einschränkungen in der Verfolgung von NS-Verbrechern durch die Bundesrepublik aufhob. Zunächst wurden nur Verbrechen verhandelt, die von Deutschen an Deutschen begangen worden waren. Bis zum Jahre 1952 wurden 5.678 Angeklagte rechtskräftig verurteilt. Nach dieser anfänglichen Welle von Verfahren nahm die Anzahl der Verfahren von 44 im Jahre 1954 auf fast die Hälfte im Jahre 1956 ab. Eine Wende brachten die aus Russland heimkehrenden Kriegsgefangenen. Die Entschädigungsverfahren brachten neue Beweise ans Licht. Zudem erkannte man, dass eine große Anzahl von Verbrechen ungesühnt geblieben war und die Täter sich in der deutschen Bevölkerung frei bewegten. Aus dem Bedürfnis heraus, die Strafverfolgung der noch unbehelligten Täter zu koordinieren, wurde 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gegründet. Ihre Aufgabe war es zu Beginn, nationalsozialistische Tötungsverbrechen an Zivilpersonen außerhalb des Bundesgebietes zu recherchieren. Es handelte sich dabei um Verbrechen, die außerhalb der eigentlichen Kriegshandlungen stattgefunden hatten, also in Konzentrationslagern oder Ghettos, außerdem die von den so genannten Einsatzgruppen begangenen Massentötungsdelikte. Die Zentrale Stelle setzte vor dem förmlichen Ermittlungsverfahren an. Sie sammelte und sortierte einschlägige Unterlagen und stellte den Verbleib der Täter fest, noch bevor ein Verfahren eröffnet war. Sollte es zum Verfahren kommen, so musste die Zentrale Stelle die Ermittlungen an die jeweilige Staatsanwaltschaft des Wohnortes des Täters abgeben, da sie selbst keine Anklage erheben konnte. Darüber hinaus sammelte sie alle in ihren Verfahren gewonnenen Erkenntnisse in Form von Vernehmungsprotokollen und Dokumenten, um so bei folgenden Prozessen Doppelungen auszuschließen.
 
Es war nicht einfach, die Auschwitzprozesse in Frankfurt zu konzentrieren. Die damalige Justiz und Staatsanwaltschaft hätte lieber viele kleinere Einzelprozesse geführt. Erst der hessische Generalstaats- anwalt Fritz Bauer – selbst Jude und früher in Haft – sowie der Präsident des Internationalen Auschwitzkomitees Hermann Langbein erreichten 1959 die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Anklagen gegen Einzelpersonen in Frankfurt zusammenzuführen.
 
Vielmehr standen akribische Recherche und das Durchhaltevermögen derer im Vordergrund, die diesen Prozess ins Rollen bringen wollten. Denn es war nicht von vornherein selbstverständlich, dass dieser Prozess überhaupt zustande käme. Eine zentrale Figur war sicher Fritz Bauer. Der hessische Generalstaatsanwalt war während des Prozesses zwar nicht im Sitzungssaal aktiv beteiligt, aber als Chef der Anklagebehörde steuerte er maßgeblich den Verlauf des Verfahrens. Im Januar 1959 bekam Fritz Bauer vom Journalisten Thomas Gnielka Akten zugeschickt, die dieser bei einer Recherche für ein anderes Thema zufällig entdeckt hatte. Ein KZ-Häftling hatte die verkohlten Aktenblätter als „Souvenir“ aus dem brennenden Breslauer Bezirksgericht mitgenommen. Es waren Erschießungslisten aus dem Lager Auschwitz, die detailliert die Tötung von Häftlingen dokumentierten. Unterzeichnet waren sie vom Lagerkommandanten Rudolf Höß und dem Namenskürzel seines Adjutanten Robert Mulka. Bauer leitete diese Beweisstücke an den Bundesgerichtshof weiter, der in Frankfurt die Zuständigkeit gegeben sah.
 
Dem späteren Angeklagten Wilhelm Boger kam man 1958 durch die von dem in Haft sitzenden Adolf Rögner eingereichte Beschwerde auf die Spur, die dieser an die Staatsanwaltschaft Stuttgart richtete. Der Beschwerde über die Beschlagnahmung seiner Medikamente fügte er eine Anzeige gegen Wilhelm Boger bei. Gegen den damaligen Leiter des „Fluchtreferats“ der politischen Abteilung im Lager Auschwitz wurden in der Folge unauffällige Ermittlungen angeordnet, die allerdings im Sande verliefen. Rögner informierte des Weiteren das Internationale Auschwitz Komitee in Wien. Dieses bot der Staatsanwaltschaft Stuttgart Beweismittel an. Nachdem das Internationale Auschwitz Komitee in Person des Generalsekretärs Hermann Langbein der Anklagebehörde mangelndes Interesse unterstellt und elf weitere Zeugen gegen Wilhelm Boger ausfindig gemacht hatte, erging am 2. Oktober 1958 durch das Landgericht Stuttgart Haftbefehl. Doch nicht nur im Fall Boger konnte das Komitee mit sachdienlichen Informationen helfen. Es war maßgeblich daran beteiligt, Zeugen ausfindig zu machen, die in Deutschland gegen andere Angeklagte aussagen sollten.
 
Weitere Ermittlungen stellte die Zentrale Stelle in Ludwigsburg an. Sie machte unter anderem den Lager-Adjutanten Mulka ausfindig. Der Lager-Sanitäter Josef Klehr wurde von Staatsanwalt Joachim Kügler lokalisiert, der von der Zentralen Stelle mit den Ermittlungen betraut worden war. Ihm und seinem Kollegen Georg Friedrich Vogel gingen weitere Tatverdächtige ins Netz.
 
Die Suche ergab insgesamt 24 Personen, die mit den Verbrechen, die im Lager Auschwitz begangen worden waren, in Verbindung gebracht wurden. Der Hauptbeschuldigte Richard Baer (Adjutant von Oswald Pohl im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt und Lagerkommandant) starb bereits Mitte 1963 in Frankfurt am Main in der Untersuchungshaft. Nach fünf Jahren Ermittlungsarbeit und 1.400 vernommenen Personen wurde am 16. April 1963 die Anklageschrift eingereicht. Sie umfasste 700 Seiten und war von vier Staatsanwälten verfasst worden. Zusätzlich legten diese 75 Aktenbände mit Beweismaterial vor. Dabei handelte es sich um Zeugenaussagen von Überlebenden, Dokumente aus Archiven und bei der Befreiung des Lagers beschlagnahmte Akten der Lagerkommandantur, welche Fahrbefehle und Funksprüche enthielten.
 
Trotz einiger lebenslänglicher Strafen hatten die Auschwitzprozesse juristisch nicht ganz den gewünschten Erfolg, doch gesellschaftlich gaben sie, trotz Ablehnung weiter Teile der Bevölkerung, den Anstoß zur Diskussion und durch Veröffentlichungen auch zur ersten breiten Aufarbeitung der nationalistischen Vernichtungsmaschinerie.
 
Nach dem Tod Bauers begonnenen Ermittlungen gegen die Schreibtischtäter der „Euthanasie“ wurden später eingestellt.
 
1961 gründete Bauer zusammen mit Gerhard Szczesny die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union. Nach seinem Tod stiftete die Humanistische Union den nach ihm benannten Fritz-Bauer-Preis. Das 1995 gegründete Fritz Bauer Institut, eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, die sich mit der Geschichte und Wirkung des Holocausts befasst, ist ebenfalls nach ihm benannt.
 
Fritz Bauers Werk galt dem Aufbau einer demokratischen Justiz, der konsequenten strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts und der Reform des Straf- und Strafvollzugsrechts. Die Frankfurter Auschwitzprozesse (1963-1981) wären ohne Bauers hartnäckigen Einsatz wohl nicht zustande gekommen. Zwar konnten die Tatbeteiligten größtenteils nur zu wenigen Jahren Haft wegen Beihilfe zu Mord verurteilt werden, auch lehnten breite Schichten der Gesellschaft die Verfahren ab. Dennoch besteht das Verdienst Bauers darin, durch die von ihm angestrengten Prozesse ab Mitte der 1960er Jahre die öffentliche Auseinandersetzung mit der Holocaust-Thematik eingeleitet zu haben.
Bauer ist auf der Frankfurter Treppe verewigt.
 
Das Bundesverdienstkreuz wurde ihm nicht verliehen.
  
Forschung des Fritz Bauer Instituts
 
Im Zentrum der Forschungen des Fritz Bauer Instituts stehen die Verbrechen der Nationalsozialisten, insbesondere der Völkermord an den europäischen Juden: ihre Ursachen, die politischen und gesellschaftlichen Strukturen, die sie ermöglichten und in deren Kontext sie stattfanden, die Ideologien, die sie rechtfertigten, die Einstellungen und Verhaltensweisen der vielen Menschen, die sie durchführten und an ihnen beteiligt waren, die Rechtfertigungen, die sie begleiteten, die Leiden und die Erfahrungen der Opfer, die Versuche von Verfolgten und anderen, Widerstand zu leisten.Zu den Verbrechen gehört auch die Geschichte ihrer Wirkung: die Traumatisierung bei den überlebenden Opfern, die Entstehung eines Bewusstseins über die neue Dimension des Verbrechens in der Weltöffentlichkeit, der Kampf der Überlebenden um Entschädigung und Verfolgung der Täter, für eine Erinnerung an die Verbrechen in der neu entstehenden Demokratie in Deutschland und in anderen Ländern Europas. Das Fritz Bauer Institut schreibt mit an der Geschichte der justiziellen, politischen und kulturellen Auseinandersetzung mit den Verbrechen im Nachkriegsdeutschland bis heute; es nimmt Teil an den Kontroversen um Gedenkstätten und Mahnmale, Begriffe und Verhal-
tensweisen.Die Forschungsprojekte des Fritz Bauer Instituts untersuchen speziell die Rechtfertigungsstrukturen, die die Verbrechen vorbereiten halfen und begleiteten. Beunruhigend ist die Frage, ob diese Strukturen in den Diskussionen um deutsche Schuld und Verantwortung und um die richtigen Formen des Erinnerns und Gedenkens in der Geschichte nach dem Krieg noch präsent sind. Wie änderte sich das moralische Bewusstsein in Deutschland nach der militärischen Niederschlagung des Nationalsozialismus? Gab es ideologische Kontinuitäten? Wo lagen die Brüche?
  
Pädagogisches Zentrum
des Fritz Bauer Instituts & des Jüdischen Museums Frankfurt

Das Pädagogische Zentrum des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt verbindet zwei Themenfelder: jüdische Geschichte und Gegenwart sowie Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust. Sein zentrales Anliegen ist es, Juden und jüdisches Leben nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung und des Antisemitismus zu betrachten. Ein gemeinsames pädagogisches Zentrum für jüdische Geschichte und Gegenwart auf der einen und Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust auf der anderen Seite bietet die Chance, folgende Themen differenziert zu bearbeiten:
  • Deutsch-jüdische Geschichte im europäischen Kontext
  • Jüdische Gegenwart
  • Antisemitismus und Rassismus
  • Holocaust
 
Das Fritz Bauer Institut verfügt über ein beachtliches Archiv und über eine hervorragende Bibliothek zum Thema Shoa/Holocaust. Dazu kommt ein Veranstaltungskalender rund ums Jahr mit Vorträgen, Diskussionen und Ausstellungen.
 Der Tod auf Raten ein Dokumentarfilm, hier ein Ausschnitt ….

Quellen: Bilder vom Fritz Bauer Institut

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.