Das Konzentrationslager Fuhlsbüttel in Hamburg

Das Konzentrationslager Fuhlsbüttel in Hamburg

 

Das Konzentrationslager Fuhlsbüttel, auch Kola-Fu genannt, wurde bereits ab März 1933 innerhalb des Gebäudekomplexes der Strafanstalt Fuhlsbüttel in Hamburg errichtet und bestand bis zum April 1945, also über die gesamte Zeit des Nationalsozialismus. Es wird als einer der zentralen Orte der Willkür in Hamburg benannt, ‚an denen sich Unterdrückung und Terror der faschistischen Herrschaft manifestierten’. In den ersten Monaten zur Unterbringung von Schutzhaftgefangenen genutzt, wurde es ab dem 4. September 1933 der SS-Bewachung unterstellt und förmlich zum Konzentrationslager erklärt. Die Reichstagswahl am 5. März 1933 war die Wahl zum achten Deutschen Reichstag in der Weimarer Republik. Sie war die letzte Reichstagswahl, an der mehr als eine Partei teilnahm, und stand bereits unter dem Eindruck der beginnenden Diktatur. Der Wahlkampf war von Übergriffen von Mitgliedern der NSDAP auf politische Gegner insbesondere von KPD und SPD geprägt. Daneben setzte bereits die staatliche Verfolgung ein. Dabei kam der Regierung auch der Reichstagsbrand zugute. Mit Hilfe der Reichstagsbrandverordnung wurden die Grundrechte außer Kraft gesetzt und die Strukturen der KPD wurden praktisch zerschlagen. Bei der Wahl selbst konnte die NSDAP zwar stark zulegen, erhielt aber nicht wie gehofft die absolute Mehrheit. Am Abend nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 besetzten die Nationalsozialisten das Rathaus, ernannten den SA-Standartenführer Alfred Richter zum Reichskommissar für die Hamburger Polizei und übernahmen die Polizeigewalt in der Stadt. Der offene Terror gegen die politischen Gegner setzte noch in derselben Nacht ein, auf der Grundlage der nach dem Reichstagsbrand erlassenen Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 und dem damit geschaffenen Instrument der Schutzhaft kam es zu Massenverhaftungen. Allein im März 1933 wurden 552 Personen, zumeist aus dem KPD-Umfeld und insbesondere deren leitenden Funktionäre, festgenommen. Einher ging dies mit der umgehenden Umgestaltung und Gleichschaltung der Polizei, dem Einsatz von SA-Hilfspolizisten und der Einrichtung eines Kommandos Z.B.V. (zur besonderen Verwendung), das der Staatspolizei unterstand und sich aus SA- und SS-Mitgliedern rekrutierte.


Die Bewachung der Häftlinge in Fuhlsbüttel unterstand in den ersten Monaten den Beamten des Strafvollzugsdienstes, die Haftbedingungen entsprachen den üblichen, die Gefangenen wurden nicht misshandelt, zudem gab es kaum Arbeitsmöglichkeiten, so dass innerhalb nationalsozialistischer Kreise Beschwerden laut wurden, ihre Gegner führten auf Kosten des Staates eine „angenehme Haft“. Am 3. August 1933 inspizierte Gauleiter Karl Kaufmann die Einrichtungen in Fuhlsbüttel sowie in Wittmoor und war empört über die vorgeblich nachlässigen Zustände. Er drängte darauf, die „Konzentrationshäftlinge“ unter eine einheitliche und straffe Verwaltung in Fuhlsbüttel zu stellen. Die Umsetzung erfolgte am 4. September 1933 mit der Einsetzung seiner Adjutanten und Vertrauten. Zudem erfolgte die Verlegung der Häftlinge aus dem Sternenbau in das ebenfalls zum Abbruch vorgesehene ehemalige Frauengefängnis Fuhlsbüttel im südlichen Teil des Geländes, in dem auch die Wachmannschaft untergebracht wurde. Die Misshandlungen setzten unmittelbar ein. Schon beim ersten Antritt zum Appell wurde den Häftlingen eine unerbittliche und harte Behandlung angekündigt und sogleich von der SS-Wachmannschaft Kolbenstöße und Fußtritte ausgeteilt. Die Gefangenen wurden in drei Gruppen unterschiedlich strenger Haftbedingungen eingestuft: die erste Gruppe sollte bei einwandfreier Führung normale Verpflegung, einmal im Monat Post und Schreiberlaubnis sowie Raucherlaubnis in der Freistunde erhalten. Die zweite Gruppe bekam keine „Vergünstigungen“ wie Post-, Schreib- und Raucherlaubnis, und umfasste diejenigen, die gegen die Anstaltsordnung verstoßen hatten oder wegen der Schwere ihrer „Vortat“ hier eingeordnet wurden. Die dritte Gruppe, die der „Aufsässigen“, kamen in Einzelhaft und nur jeden dritten Tag „warmes Essen und weiches Nachtlager“. Eine zusätzliche Verschärfung konnte durch Dunkelhaft verhängt werden.

Zum 1. Dezember 1933 wurde der Justizbehörde die Aufsicht über das Konzentrationslager entzogen und der Hamburger Staatspolizei unter deren Leiter Bruno Streckenbach unterstellt. Zu diesem Zeitpunkt begann im Kola-Fu ein Regime des Terrors. Willkürliche Misshandlungen und Schikanen waren nun alltäglich. Das Hamburger Konzentrationslager galt zu dieser Zeit als eines der brutalsten Lager im Deutschen Reich. Das Hamburger Landgericht stellte 1962 in seinem Urteil gegen den ehemaligen SA-Adjutanten Willi Dusenschön fest: „Die Häftlinge mussten stundenlang in strammer Haltung auf dem Hof stehen, sie wurden […] ins Gesicht geschlagen oder ins Gesäß getreten. […] Man ging aber auch dazu über, einzelne Häftlinge unter den entwürdigten Umständen mit Peitschen, Ochsenziemern, Koppeln und Stuhlbeinen in viehischer Weise zu misshandeln, manchmal, bis sie bewusstlos zusammenbrachen. […] Von so genannten Rollkommandos wurden Gefangene nachts aus den Zellen geholt und dort wüst zusammengeschlagen.“


Seit Mitte 1934 änderte sich auch die Häftlingsstruktur, so richtete man ab August 1934 eine gesonderte Abteilung für weibliche „Schutzhaftgefangene“ ein. Gegen einen Teil der politischen Häftlinge waren Prozesse eröffnet worden, nach ihrer Verurteilung lieferte man sie in Gefängnisse oder Zuchthäuser ein oder überstellte sie in andere Konzentrationslager. Andere wurden entlassen oder aber, nach wie vor ohne Gerichtsverhandlung, in das KZ Esterwegen oder andere Lager überführt. Damit ging die Anzahl der politischen Häftlinge zurück. Die Belegungszahl änderte sich in den Jahren bis 1936 von Monat zu Monat und pendelte zwischen 65 und über 700 Personen. Statistisch wurden im Tagesdurchschnitt fast 20 Häftlinge neu aufgenommen, die Fluktuation war außerordentlich hoch, jährlich gingen 7000 Personen durch das Lager. Zwischen 1935 und 1938 waren es Zeugen Jehovas, Homosexuelle und als „Asoziale“ verhaftete, die große Gruppen der Inhaftierten stellten. Mit der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ kamen im Juni 1938 900 Bettler, Vorbestrafte, zahlreiche Sinti und Roma und weitere stigmatisierte Minderheiten zur Schutzhaft in das Lager Fuhlsbüttel. Nach den Novemberpogromen 1938 wurden 700 Juden eingeliefert. Am 10. März 1933 waren 1.909 Häftlinge registriert, zum 31. Dezember 1933 wurden bereits 3.302 ohne die Schutzhäftlinge gezählt. Verurteilungen durch Sondergerichte, zum Beispiel als „Heimtücke“ bei Unmutsäußerungen über das NS-Regime, konnten ebenso zu Haftstrafen führen, wie „Vorbereitung zum Hochverrat“ bei vermuteter politischer Gegnerschaft. Teilweise wurden die Häftlinge nach Ablauf ihrer Haftzeit nicht entlassen, sondern als Sicherungsverwahrte in das KZ Neuengamme und andere überstellt, jüdische Gefangene wurden im Anschluss an ihre Haft zumeist nach Auschwitz deportiert. Viele Hamburger Stolpersteine weisen auf diese Mitbürger hin.

Die Willkür und der Terror, dem diese Gefangenen ausgesetzt waren sind schwer vorstellbar. Misshandlungen in tage- beziehungsweise wochenlangen Verhören waren zum Teil unvorstellbar. Das Konzentrationslager oder auch Polizeigefängnis Fuhlsbüttel war jedoch für die allermeisten Häftlinge ‚nur’ eine Durchgangsstation, danach ging es in die großen Konzentrations- und Vernichtungslager. Helmuth Warnke, ehemaliger Häftling äußerte sich vor dem Torhaus am Suhrenkamp: „Wenn junge Menschen heute erfahren, dass Fuhlsbüttel zwölf Jahre bestanden hat und die Behandlung der politischen Gefangenen immer unmenschlicher gehandhabt wurde, können sie sich vielleicht vorstellen, warum wir Ehemaligen dieses Torhaus das „Tor zur Hölle“ nennen. Diese Straße hier hat nicht länger verdient, dass sie den Namen Suhrenkamp trägt, sie müsste längst „Golgatha-Straße“ heißen.“

Bis 1939 kamen im Konzentrationslager beziehungsweise dem Untersuchungsgefängnis der Gestapo mindestens 76 Häftlinge ums Leben. In einem Gedenkbuch sind etwa 250 Ermordete bis Kriegsende aufgeführt, dabei handelt es sich vorwiegend um Widerstandskämpfer und Juden. Insgesamt kamen über 500 Frauen und Männer in den Haftstätten in Fuhlsbüttel durch Misshandlung, Ermordung oder dadurch, dass sie in den Tod getrieben wurden, ums Leben. Die Gedenkstätte wurde 1987 in dem ehemaligen Eingangsgebäude, einem zweitürmigen Torhaus, der noch heute in Betrieb befindlichen Justizvollzugsanstalten eingerichtet und 2003 neu gestaltet. Eine im Eingangsbereich angebrachte Gedenktafel nennt die Namen der im »Kola-Fu« und im KZ-Außenlager getöteten Häftlinge. In einer Ausstellung werden die Geschichte des Konzentrationslagers und das Schicksal seiner Gefangenen dargestellt. Zahlreiche Originalgegenstände und eine nachgestaltete Einzelzelle sind Teil der Dokumentation. 

Foto 1: Eingangstor + Gedenkstätte des ehemaligen KZ Fuhlsbüttel – Quelle: gedenkstätten-in-hamburg.de · Foto 2: Gefängnis Kola-Fu – Quelle: gedenkstaette-neuengamme.de · Foto 3: Häftlingsjacke m. lila Winkel f. Zeugen Jehova bzw. Bibelforscher – Quelle: archiv-vegelahn.de · Foto 4: Stoplersteine der Fam. Neumann – Quelle: hamburgwiki.de

 

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