George Tabori

George Tabori

George Tabori • Die Phantasie war seine Heimat

Die ‚Neue Zürcher Zeitung’ schrieb 2007 über George Tabori:

„All seine biografischen Adern fließen zusammen: ungarische Nonchalance, angelsächsischer Humor, amerikanische Leichtfüßigkeit, jüdische Chuzpe und mitteleuropäischer Tiefsinn. […] Und er verband die seltene Einheit von Stückeschreiber, Regisseur, Theaterleiter und, gelegentlich, Schauspieler. Ein Nachkomme Molières.“

George Tabori wurde am 24. Mai 1914 in Budapest als György Tábori geboren und verstarb am 23. Juli 2007 in Berlin. Er war ein Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer, Dramatiker und Theaterregisseur ungarischer Herkunft. Den Begriff ‚Regisseur’ lehnte er für sich als zu autoritär ab und bezeichnete sich stattdessen als ‚Spielmacher’. Dazu Tabori selbst:

“Vor 200 Jahren gab es keine Regisseure, den ‚Regisseur’ hat ein Deutscher erfunden. Ich habe auch das Wort ‚Regie’ nicht gerne. Das erinnert mich an ‚Regime’. Und das hat mit Theater nichts zu tun.“  

In seinen Theaterstücken setzte er dem Grauen von Rassismus und Massenmord schwarzen Humor und absurde Komik entgegen. 1933 muss Tabori, der aus einer jüdischen Familie stammt, aus Nazi-Deutschland emigrieren und gelangt über Stationen in Wien und Prag schließlich nach London, wo auch sein älterer Bruder lebt. In Großbritannien arbeitet Tabori zunächst als Übersetzter und Journalist, später auch als Auslandskorrespondent. 1941 erhält er die britische Staatsbürgerschaft und ist fortan als Kriegsberichterstatter tätig. Tabori wird zudem als Offizier des britischen Nachrichtendienstes im Nahen Osten eingesetzt. In dieser Zeit versucht er vergeblich, seine in Ungarn verbliebenen Eltern zur Emigration zu bewegen. Sein Vater Cornelius Tabori wird 1944 in Auschwitz ermordet, seine Mutter Elsa entkommt der Deportation in das Vernichtungslager nur durch Zufall. Die ungewöhnlichen Umstände ihrer Rettung thematisiert Tabori in seiner Erzählung ‚Mutters Courage’, die auch Gegenstand einer Verfilmung wurde. 1947 reist Tabori in die Vereinigten Staaten, wo er als Autor für Bühne und Film arbeitet, unter anderem als Drehbuchautor für Alfred Hitchcock, Charles Vidor und Anatol Litvak und enge Kontakte mit Emigranten wie Bertolt Brecht unterhält. Wie viele andere Künstler wird auch er Opfer der anti-kommunistischen unter Senator Joseph McCarthy und gelangt auf die „Schwarze Liste“. Tabori siedelt nach New York über, wo er im Umfeld des Actors Studio arbeitet, literarische Übersetzungen verfasst und 1955 seine erste Theaterregie übernimmt.


Ende der 1960er Jahre kehrt Tabori nach England zurück und kommt 1971 mit einem Stipendium nach Deutschland. 1975 Gründung des Bremer Theaterlabors, das er bis 1978 leitet. Im Anschluss inszeniert er erfolgreich an den Münchner Kammerspielen und gelangt nach weiteren Engagements 1990 an das Wiener Burgtheater unter Claus Peymann. Dort feiert Tabori etliche Erfolge mit denkwürdigen Inszenierungen sowie als Regisseur und Autor seiner eigenen Stücke, wie etwa „Mein Kampf“ und „Goldberg Variationen“. 1999 wechselt Tabori ans Berliner Ensemble, wo er seine Theaterarbeit fortsetzt. Daneben ist er Autor zahlreicher Buchveröffentlichungen und wirkt gelegentlich auch in Filmen mit.

Themen wie ‚Schuld’ waren nie seine Themen. Diskussionen oder Historikerstreits interessierten ihn nicht. Die akademische Auseinandersetzung mit dem Holocaust war nicht seine Sache, zwar war die Auseinandersetzung über den Holocaust immer ein inneres Anliegen von ihm, doch immer mit spitzer Feder oder mit ebenso spitzer Zunge und einem so liebenswerten, verschmitztem Lächeln. Hannah Arendts Ausspruch über „die Banalität des Bösen“ setzte George Tabori mit seiner Lieblingsgeschichte noch eins drauf:  

Sitzt das deutsche Ehepaar Müller vor dem Fernseher, sieht eine Holocaust-Serie, schwimmt in Tränen des Mitleids. Sagt Herr Müller zu seiner Frau beruhigend: „Das hätte es unterm Hitler nicht gegeben!“

… Stockt einem der Atem, nun auch die bittersten Kalauer können gesellschaftliche Spiegelbilder sein, auch in der Absurdität … 1983 sprüht ein Neonazi auf dem Friedhof  auf jüdische Gräber ein ‚Juda verreke’, Tabori im Namen der Toten: „Mit,ck‘,mein Junge! Mit ‚ck’ …“ …  So siegen die Geister über die Realität.

Geliebt von Schauspielern und Kollegen, verehrt von Lesern und Leserinnen, hoch geehrt von Kunst, Kultur und Staaten verstarb George Tabori 2007. Er wurde in einer Urnen-Beisetzung am 21. August auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin im Beisein u.a. der Intendanten des Wiener Burgtheaters und Berliner Ensembles bestattet. In einer Trauerfeier ohne Reden, wie es sich Tabori erbeten hatte, verabschiedete sich am 27. August 2007 das Berliner Ensemble mit Weggefährten Taboris von seinem Doyen. In der Mitte der Bühne war noch einmal sein Sessel mit seinen Utensilien Spazierstock, Schal und Mütze postiert, darum herum scharte sich ein Halbrund von zwei Dutzend Freunden, die zu seinem Gedenken Texte von Tabori vorlasen.

Bild 1: George Tabori – Quelle: szenenfoto.de · Bild 2: Buchtitel George Tabori – buecher.de · Bild 3: Tabori-Treppe – Quelle: ggpht.com

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