Lida Gustava Heymann

Lida Gustava Heymann

 

Lida Gustava Heymann • Frauenrechtlerin und Pazifistin

„Die politischen Rechte bedeuten keineswegs das Dach oder die Wetterfahne, sie sind das Fundament, auf dem das Gebäude der Frauenfreiheit gegründet werden sollte.“ L.G. H.

Lida Gustava Heymann wurde am 15. März 1868 in Hamburg geboren und verstarb am  31. Juli 1943 in Zürich. Sie war eine deutsche Frauenrechtlerin. Als mittlere von fünf Mädchen, wird sie von ihren Eltern, ihrer Mutter Adele von Hennig und dem 30 Jahre ältere Vater Gustav Christian Heymann von der Außenwelt fern gehalten. Sie bekommt Hausunterricht und besucht später, von einem Diener begleitet, eine Töchterschule. Zwischen ihrem 17. und 28. Lebensjahr führt sie ein unausgefülltes „Höhere-Töchter-Leben“ ohne Aufgabe, das sie deprimiert. Als ledige Tochter betreut sie den Vater bis zu dessen Tod im Jahr 1896. Obwohl er Lida testamentarisch zur Verwalterin des Millionenvermögens bestimmt hat, muss die 28-Jährige gerichtlich um ihr Erbe kämpfen, das ihr als Frau zunächst von den Behörden verweigert wird. Sie gewinnt schließlich, indem sie einen Präzedenzfall aus dem 13. Jahrhundert nachweist.


Im Jahr 1896 lernt sie auf dem ersten Internationalen Frauenkongress in Berlin die radikale Feministin Anita Augspurg  kennen, die bald ihre Lebens- und Arbeitsgefährtin wird. Lida G. Heymann schließt sich dem radikalen Flügel der Frauenbewegung an, der, im Gegensatz zum „gemäßigten“, einen naturgegebenen Unterschied zwischen den Geschlechtern bestreitet. Heymann: „Diese willkürlich, aber schlau erfundene Einteilung männlicher und weiblicher Eigenschaften wurde durch Jahrhunderte von den Männern solange gepredigt und der Frau suggeriert, bis die domestizierten Weibchen sie gläubig anbeteten, ohne der vielen lebendigen Gegenbeweise zu achten.“ Auf der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin entsteht die ‚International Union of Progressive Women’. Gemeinsam mit anderen Radikalen wie Minna Cauer und Hedwig Dohm gründen Heymann und Augspurg die deutsche Sektion, den ‚Verband fortschrittlicher Frauenvereine’ als radikalen Gegenpol zum gemäßigten ‚Bund deutscher Frauenvereine’. Sein Programm: politische Rechte für Frauen, allen voran das Wahlrecht; Bekämpfung der Doppelmoral der Gesellschaft gegenüber ledigen Müttern und Prostituierten; Abschaffung der Höhere-Töchter-Schulen zugunsten gleicher Bildungschancen für Mädchen; Zusammenarbeit mit der Arbeiterinnen-Bewegung. 1902 gründen Heymann und ihre Kampfgefährtinnen den ‚Verein für Frauenstimmrecht’. Ihr Versuch, auch die Sozialdemokratinnen für ihren Kampf zu gewinnen, scheitert. Die Genossinnen fühlen sich stärker ihren Genossen verpflichtet als den „bourgeoisen“ Frauenrechtlerinnen. Heymann klagt: „Leider haben noch viel zu wenige Frauen begriffen, dass hier alle Frauen der ganzen Welt dasselbe empfinden sollten. Welcher Nation, Religion, Standes oder politischen Bekenntnisses sie auch sind, leiden sie nicht alle unter der generellen Unterdrückung als Geschlechtswesen?“ Bedenkt Frau solch Auseinandersetzung Heute, dann hat es allen Anschein, dass sich nicht allzu viel im Bewusstsein von uns Frauen geändert hat. Lidas  forschen Kampfformen stoßen nicht immer auf Zustimmung. Als Heymann und Augspurg im Juni 1908 in London einem Protestmarsch mit 750.000 Suffragetten, Englands größter Demonstration aller Zeiten, beiwohnen und dies begeistert auch in Deutschland initiieren wollen, scheitern sie an der Zögerlichkeit ihrer Schwestern.

Die deutsche Frauenrechtlerin und Publizistin Lida Gustava Heymann gilt als eine der bedeutendsten, schillerndsten und kreativsten Vertreterinnen des radikalen Flügels der Historischen Frauenbewegung. Zunächst setzt die Hamburger Patriziertochter ihr Vermögen für unterprivilegierte Frauen und Kinder ein: Sie gründet Deutschlands erstes Frauenzentrum, finanziert Mittagstische für Arme und Zufluchtsstätten für Prostituierte und misshandelte, deren Leben sie in der Hamburger Hafengegend nachts in Männerkleidung erkundet, und richtet die erste Handelsschule für Mädchen ein. Am Herzen lag ihr auch das gemeinsame Lernen von Jungen und Mädchen, damals ein unmöglicher Gedanke, Heute Normalität. Aber gerade die Ausbeutung von Prostituierten hat sie auf den Plan gebracht, um die Missstände hier publik zu machen, setzte sie durchaus kreative Mittel ein, zum Beispiel verklagte sie die Stadt Hamburg wegen Zuhälterei. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin, der Journalistin und späteren Juristin Anita Augspurg, gründet sie den ersten deutschen Verband für das Frauenstimmrecht, kämpft für ein die Frauen nicht länger entmündigendes Familienrecht und für die Abschaffung des § 218.

Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs ist die Pazifistin Heymann die erste Stimme in Deutschland, die sich öffentlich gegen den nationalistischen Wahn ausspricht. Als Pazifistin und Internationalistin erhebt Heymann die Stimme gegen den Krieg, den „Kulminationspunkt männlicher Raff- und Zerstörungswut“ und veröffentlicht in Minna Cauers Zeitschrift, Frauenbewegung’ den ersten Artikel gegen das „größte Verbrechen“: „Wir reichen den Frauen aller Nationen, die mit uns gleichen Sinnes sind, die Hand.“ Mit ihrer Kritik steht Heymann in der völlig kriegseuphorisierten Nation selbst in Frauenrechts- und Intellektuellenkreisen nahezu allein. Sie wagt es sogar, die systematische Vergewaltigung von Frauen im Krieg anzuprangern und dies 60 Jahre vor Susan Brownmillers ‚Gegen unseren Willen’. Heymann gelingt es, zum Motor einer Frauenfriedensbewegung zu werden. Sie gehört zu den Organisatorinnen des ‚Internationalen Frauen-Friedenskongresses’ 1915 in Den Haag und wird Mitbegründerin der ‚Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit’. Wegen ihrer „staatsfeindlichen“ Äußerungen und „unpatriotische Propaganda“ wird sie 1917 aus Bayern ausgewiesen und lebt dort vorübergehend illegal.


Im Jahr 1923, Nazitruppen überfallen bereits Versammlungen und begehen politische Morde, fordern Heymann und Augspurg die Ausweisung des Österreichers Hitler. Bei der Machtergreifung zehn Jahre später sind Heymann und Augspurg gerade auf Auslandsreise auf Mallorca. Im Alter von 60 Jahren hatte Heymann noch den Führerschein gemacht und sich gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin auf ausgedehnte Reisen begeben. Das Paar, das, wie viele Radikalfeministinnen, auf der Todesliste der Nazis steht, geht ins Schweizer Exil. Unterstützt von Schweizer Frauenrechtlerinnen, kämpfen Heymann und Augspurg von dort aus weiter gegen Faschismus und für Frieden. Bereits 1934 warnt Heymann:

„Unter faschistischer Diktatur wird Leib und Seele des Menschen militarisiert, von der Wiege bis zum Grabe auf Krieg gedrillt. Ein Volk, dessen Männer und Frauen so militärisch verseucht sind, muss sich, um überhaupt weiter existieren zu können, kriegerisch betätigen. Faschismus ist gleichbedeutend mit Krieg.“

In der Zeitschrift ,Pax International‘ beklagt Heymann 1935 das Schweigen der Nachbarländer zum Hitler-Regime:

„Im Herzen Europas werden Pogrome veranstaltet, und das zivilisierte Europa schweigt. (…) Es ist Komplize, weil es bedeutende Anleihen und Kredite gibt, Waren und Rohstoffe und dadurch zu Deutschlands Aufrüstung und Kriegsmacht beiträgt.“

Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich, der Übernahme von Böhmen und der Reichspogromnacht im Jahr 1938 fordert Heymann die Intervention der USA:

„Wir wissen, dass die Gewaltmethoden des Faschismus durch pazifistische Mittel heute nicht mehr zu überwinden sind.“

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus erlebt Lida Gustava Heymann nicht mehr. Zwei Jahre nachdem sie gemeinsam mit Anita Augspurg ihre Lebenserinnerungen ‚Erlebtes – Erschautes’ veröffentlicht hat, stirbt sie im Juli 1943 in Zürich, wenige Monate vor ihrer Lebensgefährtin, wo sie auch beigesetzt wurde.

Obwohl ihre Gedanken über 100 Jahre alt sind, so sind sie (leider) in keiner Weise veraltet.

Foto 1: Lida Gustava Heymann – Quelle: woman-in-history.eu · Foto 2: Heymann + Augspurg – Quelle: frauenmediaturm.de · Foto 3: Plakat ‚Nie wieder Krieg‘ v. K. Kollwitz – Quelle: emma.de · Foto 4: Heymann u. Anita Augsspurg – Quelle: frauenmediaturm.de · Foto 5: Lida G. Heymann – Quelle: fembio.net

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