Mala Zimetbaum

Mala Zimetbaum

Mala Zimetbaum • Ermordet in Auschwitz

Mala Zimetbaum wurde als Tochter von Pinkas und Chaya Zimetbaum im südlichen Polen geboren, wuchs aber in Belgien auf, wohin ihre Familie in den Zwanziger Jahren zog. Sie war das jüngste unter fünf Geschwistern. In Antwerpen, wo sich die Familie 1928 definitiv niederließ, trat sie als Jugendliche einer jüdischen Organisation bei. Schon während ihres Studiums ging sie arbeiten, da der erblindete Vater die Familie nicht mehr ernähren konnte; zuerst war sie in der Modebranche tätig, dann als Übersetzerin bei einem Juwelier.

Nach der deutschen Besetzung Belgiens im Sommer 1940 ging Mala mit ihrer Familie in den Untergrund. Am 22. Juli 1942 wurde sie von der Gestapo verhaftet und zunächst nach Fort Breendonk, anschließend ins Sammellager Mecheln (Malines) verbracht, bevor man sie im September 1942 nach Auschwitz deportierte, wo sie die Häftlingsnummer 19880 erhielt. Sie überstand die Selektion und kam ins Frauenlager Birkenau, wo sie wegen ihrer vielfachen Sprachkenntnisse (sie sprach Deutsch, Französisch, Holländisch, Italienisch und Polnisch) als Dolmetscherin, also in einer vergleichsweise privilegierten Stelle, eingesetzt wurde und auch Büroarbeiten verrichtete. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Häftlingen, die aus dem Häftlingskrankenbau als gesund entlassen wurden, Arbeitskommandos zuzuweisen, wobei sie kranke Häftlinge vor bevorstehenden Selektionen gewarnt haben soll. Ferner war sie wegen ihrer Gewandtheit  eine der „Runner“ (Läuferin) in Birkenau. Sie nutzte die Vorteile und Privilegien ihrer Position, die sie sich frei bewegen zu können von einem Teil des Lagers zum anderen, um Mithäftlinge helfend zu aktivieren. Sie erleichtert die Kontakte zwischen Familienangehörigen, überbrachte Nachrichten und unterstützte die Widerstandsbewegung im Lager.

Eine Mitgefangene, die Auschwitz überlebte und 1964 als Zeugin im ersten Frankfurter Auschwitzprozess aussagte, beschrieb sie vor Gericht so:

„Also Mala Zimetbaum habe ich seit 42 gekannt. Das war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, diese junge Frau. Weil sie einen guten Posten hatte, und im Gegensatz zu den anderen, die diese Macht ausübten, war sie gut, mitleidig, hat immer allen geholfen und wurde so wie ein Engel angeschaut. Ihr war sehr bewusst, was die Lage der Juden im Lager bedeutet. Und bei uns wurde darüber gesprochen, dass ihre Flucht mit einem Polen, der Edek hieß, keine normale Flucht war.“

Der letzte Satz spielt darauf an, dass Mala, die die ihr gebotenen Vorteile gegenüber den anderen Häftlingen nicht ausnutzte und das Vertrauen ihrer Leidensgenossen besaß, eine wichtige Rolle im Lagerwiderstand spielte. Am 24. Juni 1944 floh sie gemeinsam mit ihrem polnischen Geliebten, dem „politischen Häftling“ Edek Galinski, in einer SS-Uniform verkleidet aus Auschwitz und versuchte dabei, Deportiertenlisten, zu denen sie Zugang hatte, nach außen zu schmuggeln, um die Welt von den Vorgängen in Auschwitz in Kenntnis zu setzen.

Mala Zimetbaum, die erste jüdische Frau, die aus Auschwitz zu entkommen versuchte, wurde  am 6. Juli zusammen mit Edek an der Grenze zur Slowakei gefasst, zurück nach Auschwitz gebracht und nach intensiven Verhören durch die Politische Abteilung (Block 11) wegen ihres Fluchtversuchs zum Tod durch Erhängen verurteilt. Gleichwohl sperrte man sie anschließend in den Strafbunker, wo sie, unter anderem von Wilhelm Boger, schwer misshandelt wurde. Dennoch war ihre Haltung, wie eine Mitgefangene rückblickend erzählte, stark und gefasst:

„Und die Mala selber kam auch zu uns, in die kleine Baracke. Und dann habe ich mit ihr sprechen können. Und sie war stolz und ruhig. Und wie man sie gefragt hat: “Wie geht es dir, Mala?“ hat sie gesagt: “Mir geht es immer wohl“, obgleich sie wusste, was ihr Ende sein wird.“

Ihre geplante Hinrichtung am 15. September 1944 wurde von der Lagerleitung als Exempel inszeniert; zur Exekution war für das gesamte Frauenlager Generalappell befohlen. Doch Mala hatte sich heimlich Rasierklingen beschafft, und es gelang ihr, sich damit unmittelbar vor der Vollstreckung die Pulsadern zu öffnen. Als ein SS-Aufseher ihr daraufhin die Klingen wegnahm, schlug sie ihn mit ihren blutenden Händen ins Gesicht und rief:

„Ich werde als Heldin sterben, du verreckst wie ein Hund!“ Daraufhin wurde Mala von den Aufsehern, die dieser Akt des selbstbewussten Widerstandes einer Jüdin rasend machte, brutal misshandelt, geschlagen und getreten. Zugleich erging der Befehl, sie lebendig im Krematorium zu verbrennen. Ein Mithäftling berichtet:

„Dann wurde sie durch das ganze Lager geführt und in eine kleine Kiste geworfen. Als man sie in der Kiste in das Krematorium gebracht hat, ist sie an unserem Bürotor vorbeigezogen. Sie war nur noch ein Klumpen. Sie hat nur noch geröchelt.“

Augenzeugen berichten übereinstimmend, dass Mala, entgegen dem Befehl, noch vor ihrer Verbrennung den Tod gefunden habe: Die einen behaupten, ein SS-Mann habe sie zuvor aus Mitleid erschossen; andere erzählen, sie sei noch auf dem Karren, worin man sie zum Krematorium zog, verblutete.

Giza Weisblum berichtet:

„Eine Mala war verantwortlich die Kranken aus dem Krankenhaus verschiedenen Arbeitskommandos  zuzuweisen. Sie hat immer versucht, die Frauen, die noch schwach waren von ihren Krankheiten zu den leichtesten Arbeiten zu schicken. Auch warnte sie immer Patienten wenn es Selektionen kam, drängte sie dann das Krankenhaus so schnell wie möglich verlassen. Auf diese Weise rettete sie das Leben vieler Frauen.“

Tzipora Silberstein erzählt:

„Ich möchte Mala Zimetbaum Geschichte erzählen. Malas Geschichte ist nicht meine Geschichte, aber sie ist mit mir und vielen anderen Menschen verbunden. … Die junge Frau war hübsch, in der Tat sehr schön. Sie sprach Polnisch, Jiddisch, Flämisch, Französisch und Deutsch. Sie war reizend. … Diese junge Frau hat Hunderte und Tausende guter Dinge für uns alle getan, Kleinigkeiten vielleicht, aber sie waren so viel wert. Es gab Transporte aus Griechenland und sie stand in der Nähe der Deutschen, gab schriftlich Dinge weiter. … Oft hörte ich, dass sie nur vorgetäuscht hat zu schreiben, das ersparte vielen Menschen das Gas. Sie brachte auch Medizin zu kranken Menschen zu.“

Mala Zimetbaum war eine mutige und beeindruckende jüdische Frau, sie blieb durch das Lagerleben ungebrochen und wurde so eine der Heldinnen von Auschwitz-Birkenau. In unserer Erinnerung sollte sie einen Platz bekommen.

Foto 1: Mala Zimetbaum – Quelle: wikipedia.org · Foto 2: Mala und Edek Galinski – Quelle: blog.hu · Foto 3: Auschwitz-Birkenau – Quelle: poland-aktive.com · Foto 4: Portrait der Mala Zimetbaum – Quelle: idea-journal.com

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