Margarete Bieber

Margarete Bieber

Margarete Bieber • Frau, Wissenschaftlerin und Jüdin

„Die Geschichte? Das gleiche Stück mit unterschiedlichen Rollenbesetzung.“ Henry de Montherlant

Margarete Bieber war die angesehenste klassische Kunsthistorikerin ihrer Zeit. Geboren wurde sie am 31. Juli 1879 in Schönau im heutigen Polen. Sie besuchte die Schule vor Ort und in Berlin, studierte klassische Philologie in Berlin und Bonn, und 1907 schloss mit ihrer Promotion ab. Als Wissenschaftlerin der Klassischen Archäologie hatte sie sich keinen leichten Weg ausgesucht, denn Frauen standen in dieser Zeit keineswegs alle Türen offen. Ihr Abitur legte sie an einer Privatschule ab, das dann erst extern anerkannt wurde, als Studentin konnte sie sich nicht ganz normal einschreiben wie ihre männlichen Kommilitonen sondern hatte den Status der Gasthörerin, doch konnte keiner ihrer Professoren ihre hervorragenden Leistungen übersehen, so fand sie in dem einen und anderen Unterstützung und konnte so ihr Studium abschließen. Nach der erfolgreichen Promotion ging sie an die Stätten der Antike, nach Athen und Rom  und veröffentlichte mehrere interessante Artikel, die einen neuen Blickwinkel auf die archäologische Forschung der damaligen Zeit warfen. Bis heute sind ihre Forschungen in Hinsicht auf die antike Kleidung und das antike Theater Bestandteil eines Studiums der Archäologie. Margarete Bieber war die erste Frau die ein renommiertes Reise-Stipendium für Europa zu den antike Stätten erhielt, die sie bis 1914, dem Beginn des Ersten Weltkriegs besuchte. Während dieser Zeit des Krieges ging sie zurück nach Berlin und arbeitete für das Rote Kreuz, zusätzlich leitete Seminare für Archäologie am Archäologischen Institut in Berlin. In die Zeit entstehen weitere entscheidende Publikationen von ihr. Am Ende des Ersten Weltkriegs hatte sie sich weit über die Grenzen Deutschlands hinweg, einen Namen gemacht, der sie als Wissenschaftlerin anerkannte. Mit Beginn der Weimarer Republik, die die Hoffnung der Emanzipation in sich trug, begann auch für Margarete Bieber eine aufstrebende Zeit. Die Hoffnung auf das Sprengen von diversen Fesseln der Gesellschaft und des wissenschaftlichen Betriebs beflügelten sie. Mit Entschlossenheit arbeitete sie an ihrem Ziel auf eine Professur an einer deutschen Hochschule. Doch so einfach war das nicht, denn obwohl die Gesetze der Weimarer Republik ihr das durchaus möglich machten, saß die Diskriminierung von Frauen noch tief in den Köpfen der Menschen damals, hinzu kamen männliche Eitelkeiten und auch Konkurenzdenken, alles Stolpersteine ihren Traum zu verwirklichen.


Schließlich kam der Durchbruch für Frauen in der Wissenschaft: Durchschnittlich 20 Prozent der Studierenden waren Frauen. Selbst Professorinnen konnten sie seit 1920 offiziell werden. Als Beamtinnen mussten sie jedoch weiterhin Diskriminierungen hinnehmen, denn bis in die 50er Jahre hinein mussten sie im Falle einer Heirat wegen der sogenannten ‚Zölibatsklausel’ aus dem Dienst ausscheiden. Bereits 1919, als das Habilitationsrecht noch nicht für Frauen galt, bat Professor Rodenwaldt die Philosophische Fakultät Gießens, Margarete Bieber zu habilitieren. Unsicher fragte die Universität andere Hochschulen innerhalb der Republik, wie man sich verhalten solle. Nachdem die anderen Universitäten mangels Nachfrage keine eindeutige Stellung bezogen, befragte man die juristische Fakultät Gießens. Die gab die rechtliche Zustimmung, so dass Margarete noch im gleichen Jahr mit der Schrift ‚Denkmäler zum antiken Theaterwesen’ und der Vorlesung ‚Kleidung der griechischen Frau’ zu Gießens erster und Deutschlands zweiter Professorin wurde. Erst 1922 erhielt sie einen bezahlten Lehrauftrag. Damit stand sie im Alter von 43 Jahren zum ersten Mal finanziell auf eigenen Beinen. Margarete Bieber wohnte in der Wilhelmstraße 41 mit ihrer Haushälterin und mit der Aussicht auf eine gut bezahlte Stelle an der Gießener Universität adoptierte sie das Mädchen Ingeborg.  Diese Zeit in Gießen beschrieb Margarete als „14 meist glückliche und auch fruchtbare Jahre“. Steigende Studierendenzahlen der Archäologie zeugen von ihrer damaligen Beliebtheit, für ihre Studenten war sie ‚die Bieberin’ und auch der wissenschaftliche Betrieb verweigerte ihre die zustehende nicht mehr. Für das Jahr 1933 wurde ihr sogar eine ordentliche Professur zugesagt.


Wissenschaftlich beschäftigte sie sich weiter mit griechischen Trachten und ließ für Veröffentlichungen Studentinnen in nachgenähten Roben einkleiden und fotografieren.  

Doch diese produktive und glückliche Zeit endete abrupt mit der Ernennung Adolf Hiltlers zum Reichskanzler und der Übernahme der Macht der Nationalsozialisten an den Schaltstellen der Institutionen. Margarete Bieber war Jüdin. Dazu kam sie aus sehr begütertem Elternhaus, ihr Vater ein reicher Mühlenbesitzer, hatte sie all die Jahre großzügig unterstütz, ebenso wie ihre Schwester, die eher die Rolle der Frau der damaligen Zeit annahm. Durch die Nationalsozialisten kam ihr so genannter  zweiter ‚Makel’ ans Licht, nicht nur dass sie eine Frau war, so war sie auch Jüdin. Mitte des Jahres 1933 wurde sie von der Giessener Universität in vorzeitigen Ruhestand versetzt. Doch die Drangsalierung ließ nicht nach, sie hatte eine ‚Volksdeutsche’ Haushälterin und als allein stehende Frau eine Adoptivtochter, die zu einem Teil ‚deutschen’ Blutes war. Dies waren keine Verhältnisse, die die Nationalsozialisten dulden konnten. Margarete Bieber glaubte in dieser Zeit noch an einen kurzen ‚bösen Spuk’ der Politik und versuchte alles, sich mit den Behörden ins Einvernehmen zu setzen, doch bereits ein Jahr später wurde ihr die bis dahin gewährte Pension gestrichen und ihr auch der Privatunterricht von Studenten untersagt. Die Androhung, ihr die Tochter Ingeborg zu entziehen, ließ sie an Selbstmord denken. Doch so weit kam es nicht. Angebote zur Arbeit erreichten sie aus der Schweiz, Großbritannien und den USA. 1934 reiste sie, mit Haushälterin und Tochter, in die USA, wo sie am Barnard College lehrte, bevor er zu Columbia University Department of Fine Arts und Archäologie wechselte.


Auch hier bewies sie sich als eine energische und erfolgreiche Professorin. Beeindruckend auch hier ihre nachhaltige Publikationsliste. Im Jahr 1939 wurde sie amerikanische Staatsbürgerin und schrieb ihre bahnbrechende Arbeite ‚Die Geschichte der griechischen und römischen Theater’. Nach ihrer Pensionierung unterrichtete sie bis 1956 weiter,  vorher wurde sie 1949 sogar die erste Professorin an der Princeton University. Sie veröffentlichte weiterhin Beiträge zur Antikenrezeption, zu Skulpturen in amerikanischen Museen und zu ihrem Lieblingsthema, dem antiken Gewand. Nach 1945 musste sie sich juristisch ihre in Gießen erarbeiteten Pensionsansprüche erkämpfen, kein leichtes Unterfangen. Immerhin wurde sie dort 1959 zur ersten und bisher einzigen Ehrensenatorin ernannt und 1997 wurde auch ein Hörsaal der Universität nach Margarete Bieber benannt. Sie blieb bis ins Alter wissenschaftlich aktiv und lebte zuletzt bei ihrer Adoptivtochter Ingeborg Sachs.

Im hohen Alter von 98 Jahren, am 25. Februar 1978 starb sie in New Canaan im Staat Connecticut.

Bild 1: Die junge Margarete Bieber – Quelle: uni-gießen.de · Bild 2: Buchtitel von M. Bieber – Quelle: fragmentsoftime.com · Bild 3: Margarete Bieber mit Tochter Ingeborg Bad Nauheim, Quelle: Recke – Quelle: uni-gießen.de · Bild 4: Margarete Bieber 1971 – Quelle: brown.edu

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