Marianne Golz • Eine der Gerechten unter den Völkern

Marianne Golz • Eine der Gerechten unter den Völkern

 

„Ich war glücklich, bis zur letzten Stunde.“ Marianne Golz

Marianne Golz war eine starke, mutige und äußerst talentierte Frau, deren Lebensweg ein (leider) blutiges Ende nahm, ‚nur’ weil sie sich für die eigene Menschlichkeit entschied und nicht einem perversen System huldigte. In Wien geboren, als typisches Kind der k. und k. Monarchie, ihr Vater war Pole, ihre Mutter Tschechin, kam sie als Maria Agnes Belokosztolszky am 30. Januar 1895 zur Welt.  Auf der einen Seite war sie ein typisches Kind ihrer Zeit, katholisch erzogen und die Monarchie liebend, auf der anderen Seite erhielt sie für ein Mädchen ihrer Zeit äußerst viel Freiraum von den Eltern aus gewährt; die auch nichts gegen eine künstlerische Karriere ihrer Tochter einzuwenden hatten. Nach erfolgreichem Abitur, in Österreich Matura, machte sie eine Ausbildung als Tänzerin und Sängerin und ihr herausragendes Talent bringt ihr schnell die ersten Engagements. Doch vorher legt sie sich einen Künstlernamen zu, zum einen ist ihr Geburtsname zu lang und zum anderen hat sie keine Lust den immer wieder buchstabieren zu müssen. Als Marianne Tolska tritt sie in Linz und Stuttgart auf, bis sie ein festes Mitglied des Salzburger Stadttheaters wird. Schnell macht sie sich in Österreich und Deutschland ein Namen als Opern- und Operettensängerin. 1923 tritt sie an der Seite von Richard Tauber in der Operette ‚Die Fledermaus’ von Johann Strauß auf. Dieser gemeinsame Auftritt wird so zusagen zum ‚Ritterschlag’ für sie, denn damit stehen ihr alle Bühnen offen und sie kann wählen welches Engagement ihr liegt und welches sie nicht annehmen möchte. Eine äußerst komfortable Situation für eine Künstlerin und das nicht nur damals, hinzukam, dass sie finanziell unabhängig wurde, sie selbst bezeichnete sich als wohlhabend. Nach gescheiterten Beziehungen heiratete sie am 21. März 1929 in Berlin den Journalisten Hans Werner Goldlust, der mit seinem Geschäftspartner Willy Haas zusammen die ‚Literarische Welt’ herausbrachte. Hans Werner Goldlust, hatte bereits Anfang der 20iger Jahre seinen Namen in GOLZ geändert, um sich als assimilierter Jude nicht antisemitischen Anfeindungen auszusetzen, doch hatte er dies nie in seinen Papieren ändern lassen, aus Rücksicht auf seinen Vater, einen praktizierenden Juden. Solche Namensänderungen waren in dieser Zeit äußerst üblich in jüdischen Kreisen, da diese sich weitaus mehr als Deutsche fühlten, denn als Juden. So wurde aus der Künstlerin Marianne Tolska die Marianne Golz, manchmal auch Marianne Golz-Goldlust, die noch heute in der Erinnerung mancher Menschen ist. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten in Gestalt von Adolf Hitler, am Geburtstag von Marianne Golz, 1933; war es für Willy Haas und Hans Golz völlig klar, dass sie Deutschland verlassen mussten. Sie verkauften ihre Zeitschrift im März des gleichen Jahres und emigrierten, gemeinsam mit ihren Ehefrauen nach Prag. In dieser Zeit war Hans Golz für die französische ‚Mitropress’ und das ‚Neue Wiener Journal’ tätig. Viele politisch Verfolgte trafen sich in
Prag und so wurde die ‚arische’ Katholikin Marianne Golz zum Bindeglied zwischen den jüdischen Emigranten und den politischen Widerstandsgruppen. Auch gehörte sie zu den wenigen Menschen, die nur geringe Verluste in der Weltwirtschaftskrise verloren hatten, so dass sie auch über Geldmittel verfügte, zu einer Zeit, als es vielen um die nackte Existenz ging. 1936 kamen auch die Eltern von Hans Golz, in Begleitung seiner Schwester, nach Prag und lebten in der großzügigen Wohnung mit dem Ehepaar zusammen. Als die Nationalsozialisten am 15. März 1939 die damalige Tschechoslowakei okkupierten, flüchtete Hans Golz mit legalen Papieren nach England. Marianne blieb noch in Prag zurück, obwohl auch sie über legale Ausreisepapiere verfügte, um mit den Schwiegereltern auf deren Papiere zu warten und um die gemeinsame Wohnung aufzulösen. Die Lage wird immer brenzlicher, für die Eltern von Hans Golz und Marianne Golz, wissend um die bedrohte Lage der emigrierten Juden in Prag, schloss sich einer Widerstandsgruppe an, die den Menschen mit gefälschten Ausreisepapieren half. Mit Hilfe ihrer Schwester Rosi in Wien bringt sie das Barvermögen der Menschen in Sicherheit, damit diese an ihren Zielorten in eine neue Existenz starten können. Zudem schafft sie geheime Informationen aus dem besetzten Prag, das inzwischen zum Protektorat Böhmen und Mähren umbenannt wurde und von Reinhard Heydrich rigide verwaltet wurde, nach London zu ihrem Mann. Noch immer besaßen ihre Ausreispapiere ihre Gültigkeit, doch mit Ausbruch des Krieges war es ihr kaum noch möglich Prag zu verlassen, hinzukam, dass sie wusste, wie viel für die zurückbleibenden Menschen auf dem Spiel stand. Nach außen hin veranstaltete sie jeden zweiten Donnerstag einen kulturellen Salon in ihrer Wohnung, das letzte Treffen fand am 19. November 1942 statt, alle Anwesenden wurden von der Gestapo verhaftet. Nach einer quälenden und demütigenden Zeit in der Gewalt der Gestapo wurde Marianne Golz, am 18. Mai 1943, vor einem Sondergericht am Deutschen Landgericht in Prag, mit 17 weiteren Angeklagten, wegen Sabotage und wegen ‚Begünstigung von Reichsfeinden’ angeklagt. Alle Angeklagten wurden zum Tode
verurteilt. In dem Urteil hieß es unter anderem:

„Die Angeklagte Golz-Goldlust ist zum dritten Mal verheiratet. Ihr jetziger Ehemann ist Volljude. Von den früheren Ehemännern war ebenfalls eine Volljude gewesen. Aus der Tatsache, dass die Angeklagte Golz-Goldlust durch ihre verschiedenen Ehen mit Juden geistig vollständig verjudet ist, freundschaftlichen Verkehr mit Juden, Halbjuden und Judenfreunden pflegt, kann geschlossen werden, dass die Angeklagte Golz-Goldlust ohne jeden äußeren und inneren Zwang auch für die Zukunft anderen ihr bekannten Juden bei dem Versuch, sich staatlichen Maßnahmen durch Emigration zu entziehen, behilflich gewesen wäre.“ Und weiter: „Ein ganz anderer Rassentyp ist die Angeklagte Golz-Goldlust. Diese hat sich mit einer agilen Geschäftigkeit in den jüdischen Kreisen umgetrieben und sich für ihre jüdischen und halbjüdischen Freunde eingesetzt. Sie hat nicht aus einer Zwangslage, sondern aus innerer Neigung heraus gehandelt. Ihrem Bestreben, sich ihren jüdischen Freunden gefällig zu erweisen, entspricht ihre feindselige Einstellung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat“.

Am 19. Juli 1943 stellt Marianne Golz ein Gnadengesuch, das in einem Gnadenbericht durch den Oberstaatsanwalt Franz Ludwig bearbeitet und abgelehnt wurde. Nach dieser Ablehnung schrieb sie folgende Zeilen an den Staatsanwalt: „ … eines sage ich Ihnen, überlegen Sie es sich, wegen solcher Dinge an Frauen zum Mörder zu werden. Denn das sind Sie: ein Mörder am laufenden Band und noch dazu ein Frauenmörder.“ Das Urteil gegen Marianne Golz-Goldlust wird am 8. Oktober 1943 um 16:44 Uhr durch den Scharfrichter Alois Weiss mittels Fallbeil im Prager Gestapo-Gefängnis Pankratz vollstreckt.

„Marianne Golz war eine eigenwillige Frau. Tonangebend auf der Bühne und im Leben. Sie hatte sehr viel Kraft, etwas, das sehr dominierte“, beschreibt ihre Nichte Erika Haala die Sängerin und weiter: „Sie war ein Mensch mit sehr viel Charme. Sehr viel Warmherzigkeit. Sehr viel Fröhlichkeit. Wo sie war, hat sie die Szene beherrscht.“

Ihrer Unangepasstheit verdanken mehrere Menschen ihr Leben. Ihr eigenes bezahlte Marianne Golz damit. Der letzte Brief von Marianne Golz an ihre Schwester Rosi, Pankratz, den 5. Oktober 1943:


Liebes Rosilein!
hier nun mein letzter Gruß. Ich kann Dir nur mitteilen, dass ich das Spiel ums Überleben verloren habe. Ich werde versuchen als Heldin abzutreten. Weine nicht! Das Sterben ist hier etwas Alltägliches. Das Leben war bis auf die letzten zwei Stunden schön. Bis zum letzten Augenblick hatten mich hier alle lieb. Bis zum letzten Augenblick war ich glücklich. Ich habe alles getan, dass mein Tod eines Tages gerächt wird. Ich bleibe in Deiner Erinnerung, in Deiner Nähe. Ich küsse Dich
Marianne

Der Staat Israel ehrte sie für ihre Hilfeleistungen im Jahre 1988 posthum als „Gerechte unter den Völkern“.

„Der Dolch der Mörder war unter der Robe der Juristen verborgen.“ Mit diesem drastischen Bild brachte der amerikanische Chefankläger Telford Taylor 1947 im Nürnberger Urteil gegen das Oberkommando der Wehrmacht die todbringende Rolle der Justiz in der NS-Zeit auf den Punkt. Der Dolch der Mörder in der Robe war beispielsweise gezückt, wenn die Richter und Staatsanwälte die wohlklingende Formulierung verwendeten, „der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen“. Gemeint war damit nichts anderes als die Empfehlung, die verhängte Todesstrafe zu vollstrecken. An dem Urteil gegen Marianne Golz waren neben anderen diese Juristen beteiligt: Staatsanwalt Franz Ludwig,  nach dem Krieg wurde er Staatsanwalt in Düsseldorf. Staatsanwalt Wolfgang von Zeynek, wurde vom Volksgericht Prag 1948 zu 15 Jahren Haft verurteilt, 1955 in die Bundesrepublik entlassen, war er danach Landgerichtsrat in Nürnberg. Richter Erwin Albrecht, war CDU-Landtagsabgeordneter im Saarland. Richter Robert Hartmann wurde nach 1945 Oberamtsrichter in Königswinter. Der Scharfrichter Alois Weiss lebte nach 1945 unbehelligt in Regensburg.

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