Otto Grünmandl • Die Kunst des Absurden
„Politisch bin ich ein Trottel, aber privat kenn ich mich aus“ O. Grünmandl
Otto Grünmandl wurde am 4. Mai 1924 in Hall in Tirol geboren und verstarb am 2. März 2000 in seiner Heimatstadt. Er war ein österreichischer Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller. Otto Grünmandls jüdischer Vater Alfred kam aus Ungarisch Brod in Ostmähren, übersiedelte Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hall in Tirol und gründete hier mit seinem Bruder 1907 ein Textilgeschäft, dass 1938 durch die Nationalsozialisten unter Zwang enteignet wurde. Ottos Mutter Christine stammte aus Niederösterreich und kam als Hausangestellte nach Tirol. Otto war das dritte von vier Kindern des Paares. Nur Ottos ältere Schwester konnte vor Beginn des Zweiten Weltkrieges nach England emigrieren. Helfer in Hall ermöglichten Alfred Grünmandl, die NS-Zeit zu überleben, ein ortsansässiger Polizist befreite den Verfolgten aus dem Gefängnis und Otto Grünmandl schrieb 1973 darüber:
„Am Beispiel meines Vaters lernte ich in dieser Zeit die Würde eines geächteten Mannes kennen und an dem meiner Mutter die Tapferkeit einer ängstlichen Frau.“
So ließ Otto Grünmandel nie etwas auf die Bürger seiner Heimatstadt kommen, die es ihm und seiner Familie ermöglichten diese Zeit des Schreckens zu überleben.
Otto Gründmandl studierte Elektrotechnik und war auch als Textilkaufmann tätig, bevor er sich Mitte der 1960er-Jahre als freier Schriftsteller der Kunst zuwandte. Vor allem Hörspiele führten ihn in das ORF-Landesstudio Tirol. Dort leitete er von 1972 bis 1981 die Unterhaltungsabteilung und galt als kommender Intendant des ORF. Doch aus dieser sehr gut dotierten Stellung heraus führte Otto Grünmandl diese Karriere ins Absurde, er kündigte im fortgeschrittenen Alter und arbeitete nun ausschließlich als freier Autor, Schauspieler und Kabarettist.
„Ist es nicht Wahnsinn, eine Krawatte zu tragen, das heißt, den Kopf in eine Schlinge zu stecken, die jeder zuziehen kann?“ Otto Grünmandl
Als Kabarettist wurde Otto Grünmandl sehr bekannt, in Deutschland war er weitaus berühmter als in Österreich, denn sein hintergründiger Humor traf den Zeitgeist. Er wollte die Welt nicht retten, nicht einmal bessern. Mit der unerbittlichen Ordentlichkeit des Kleinbürgers suchte er die vorherrschende Ordnung durch das Hinzufügen einer ganz eigenen zu verstören. Otto Grünmandl war ein Held der Albernheit. Ein Kabarettist, Schauspieler, ein genialer Spinner und stiller, konsequenter Dreinredner. Als Meister des Absurden in der Alltäglichkeit hat er manches Mal sein Publikum sogar darüber zu täuschen vermocht, dass er sich selbst als einen Witzbold verstand, so tragisch echt gelang ihm die Groteske. Das war eine Sorte von Satire, die so wohl unwiederholbar bleiben wird. Das war, auf offener Bühne, scheinbar unglaublich ernsthafte, selbstquälerische Reflexion über . . ., ja über was
eigentlich? Philosophen würden sagen, über das Hier und Jetzt, freilich ohne höhere Sinnfragen, sondern mit praktischen Überlebensstrategien. „Ich heiße nicht Oblomow“ war eine seiner erschütterndsten Szenen, ein Ringen darum, ob es erlaubt sei, im Bett zu bleiben oder nicht, ob der Hut am Ständer über dem Mantel oder daneben hängen müsse, beängstigend lächerliche Lebensentscheidungen eines Vereinsamten. Und immer die gleiche Zögerlichkeit, das Hinausziehen einer Entscheidung, wegen vorgeblich angestrengter Gedankenarbeit, ein ewig abschweifender und abwegiger Bühnenmonolog. Nicht nur dieser Monolog schwelgte in der beklommenen Angst des Publikums, dieser so linkisch und selbstvergessen wirkende Vortragende da vorn, werde bald endgültig den Faden verlieren und an der Zähigkeit seiner grotesken Logik tragisch scheitern. Grünmandl erfand den Satellitenauffangtrichter für Bergseen, seine größte Blödel-Erfindung aber war der „Einmannstammtisch“, der, aufklappbar und somit räumlich-geistig unbegrenzt einzusetzen, zum absoluten Höhepunkt tiefschürfender Banalität auflief. Bald fand er sich als ein kongenialer Partner mit dem damals schon hochberühmten Gerhard Polt zusammen: „Die ganze Welt und überhaupt“, anarchistische Funkgeschichten, lösten bei der Hörerschaft Suchterscheinungen aus, auch seine Arbeiten mit dem Wiener Georg Kreisler fand viel Beachtung.
Theaterrollen folgten, sowie Filme und Fernsehrollen, meist stille, aber markante Rollen knapp am absurden Fach. Christoph Well, die musikalische Seele der Biermösl Blosn, sagt:
„Er war nie nur blöd, er war aber von einer Ernsthaftigkeit, die sich nie selbst zu ernst nimmt.“ Und: „Grünmandl war einer der wenigen wirklich guten Freunde“.
Otto Grünmandl war ein Meister des höheren Blödsinns. Zugleich war Grünmandl Zeit seines Lebens auch als Schriftsteller tätig. Er veröffentlichte u.a. den Roman „Das Ministerium der Sprichwörter“ (1970), den satirischen Reisebericht „Es leuchtet die Ferne“ (1985), den Satireband „Robinson, Freitag und das Krokodil“ (1986). 2000 erschien posthum der Gedichtband „Hinter den Jahren“. Die sehr ernsten lyrischen Texte zeigen einen ganz anderen Grünmandl als den, den man zu kennen glaubte. Otto Grünmandl hat seine Gedichte nur ein einziges Mal öffentlich vorgetragen, im Herbst 1999 im ORF Tirol. Es war Grünmandls letzter öffentlicher Auftritt.
Bild 1: Otto Grünmandl – Quelle: biermösl blosn.de · Bild 2: Interview – Quelle: gvt0.com · Bild 3: Cover mit G. Polt – Quelle: pixhost.me · Bild 4: Grünmandl 1999 – Quelle: biermösl blosn.de · Bild 5: Cover Meinungsforschung … – Quelle: apa.net
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