Romani Rose • Bürgerrechte für Minderheiten sind Antrieb
Romani Rose wurde 1946 in Heidelberg geboren. Dort war er bis 1982 als selbständiger Kaufmann tätig, bis er bei der Gründung des Zentralrats der Roma und Sinti im Jahre 1982 zum Vorsitzenden gewählt. Zur Gründung kam es als 1980 eine Gruppe Sinti auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau in den Hungerstreik trat, weil ihr vom bayerischen Innenministerium die Akteneinsicht in die Unterlagen der 1970 aufgelösten ‚Landfahrerzentrale’ verweigert wurde. Der Hungerstreik, an dem Romani Rose als Sprecher teilnahm, wurde zu einem weltweit beachteten Ereignis, das für das Gedenken an den nationalsozialistischen Völkermord, die Wahrung der Bürgerrechte und die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe der Sinti in Deutschland ein wichtiger Anstoß war. Nachdem Romani Rose 1979 Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti geworden war, widmete er sich intensiv der Bürgerrechtsarbeit. 1981 avancierte er zum Vorsitzenden und Geschäftsführer des von ihm mitbegründeten Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, für den ein Vorbild – nicht nur dem Namen nach – der Zentralrat der Juden war. Im Februar 1982 erfolgte die Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg. Diese Dachorganisation, der 16 Mitgliedsvereine, Landesverbände und regionale Vereine angehören, vertritt seither auf nationaler wie internationaler Ebene die Interessen der in Deutschland lebenden Sinti und Roma. Eine entscheidende Zäsur in der Bürgerrechtsarbeit war der 17. März 1982, als der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Delegation des Zentralrats empfing und in völkerrechtlich bedeutsamer Weise die NS-Verbrechen an den Sinti und Roma als Völkermord aus „rassischen“ Gründen anerkannte.
Ein maßgeblicher Antrieb für Roses Engagement für Bürgerrechte von Minderheiten ist seine persönliche Betroffenheit.
Dreizehn unmittelbare Verwandte von Romani Rose wurden während des Nationalsozialismus in Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet, darunter die Großeltern in den Lagern Auschwitz und Ravensbrück. Sein Vater, Oskar Rose, überlebte auf der Flucht und in der Illegalität. Romani Roses Onkel, Vinzenz Rose, überlebte das Vernichtungslager Auschwitz, medizinische Experimente im Konzentrationslager Natzweiler und die Sklavenarbeit für Daimler-Benz im unterirdischen Stollen des KZ Neckarelz/Obrigheim. Vinzenz Rose gründete im Jahre 1972 die erste Selbstorganisation deutscher Sinti, das Zentral-Komitee der Sinti West-Deutschlands, in dem der damals noch nicht dreißigjährige Romani Rose schon mitarbeitete.
Seit zweieinhalb Jahrzehnten – genau seit Juni 1979 – leitet er vor den Augen der deutschen und auch internationalen Öffentlichkeit erfolgreich die Bürgerrechtsarbeit für die Minderheitenrechte der Sinti und Roma, für ihren Schutz vor Rassismus und Diskriminierung, für Entschädigungsleistungen an die Überlebenden des Holocaust – bei gleichzeitiger Bekanntmachung des Ausmaßes und des historischen Stellenwerts des Völkermords an 500 000 Sinti und Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa. Im Mai 1995 erreichte Rose in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsvereinen des Zentralrats die Anerkennung und Förderung der deutschen Sinti und Roma als nationale Minderheit in Deutschland mit eigener Minderheitensprache, verbunden mit dem Ziel ihrer gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben. Das zweieinhalb Jahrzehnte dauernde unaufhörliche Eintreten von Rose für die Entschädigung der KZ-Opfer erlangte grundsätzliche Bedeutung für die Verankerung der Bürgerrechtsarbeit in der gesamten Minderheit. Mit dem von der Bundesregierung seit August 1982 geförderten – und seit dem Jahre 2000 vom Staatsminister für Kultur und Medien geförderten – Büro in Heidelberg bewirkte der Zentralrat unter Roses entscheidender Leitung seit 1985 im Laufe von zwanzig Jahren für 3200 Holocaust-Überlebende der deutschen Sinti und Roma eine grundlegende Änderung der früheren diskriminierenden Entschädigungspraxis.Damit setzte der von den Überlebenden jeweils bevollmächtigte Rose zusammen mit seinem Mitarbeiterstab in allen Einzelfällen positive Neuentscheidungen der Entschädigungsbehörden der Länder und des Bundes durch. Eine Besonderheit in Europa ist das von Rose geleitete Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma. Es wurde von Rose seit dem Hungerstreik im Jahre 1980 gefordert, ab Anfang der neunziger Jahre mit finanzieller Hilfe der Bundesregierung errichtet und dann unter Mitwirkung der damaligen Regierung, vertreten durch Bundespräsident Prof. Herzog, Bundestagspräsidentin Prof. Süssmuth und Bundesratspräsident Teufel am 13. März 1997 in Heidelberg von Rose mit der ständigen großen Ausstellung über den nationalsozialistischen Völkermord eröffnet. An der Eröffnung nahmen über 700 Sinti und Roma aus Deutschland und zahlreiche Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland teil, darunter die Botschafter aus 22 Ländern Europas und aus Israel.
Entsprechend Roses Initiative wird seit dem Jahre 1998 die Ausstellung auch in einer transportablen Version in vielen Städten Deutschlands erfolgreich gezeigt – meistens in Verbindung mit einem vom Dokumentationszentrum mitorganisierten Begleitprogramm.
Zu den wichtigen Ergebnissen der Arbeit des Dokumentationszentrums gehört die unter ganz persönlicher Federführung von Rose entstandene internationale Ausstellung über den Völkermord an den Sinti und Roma in Europa, die seit der Eröffnung am 2. August 2001 in Block 13 des Staatlichen Museums Auschwitz dort als ständige Ausstellung zu sehen ist. Rose entwickelte mit den Mitarbeitern des Dokumentationszentrums die englischsprachige Ausstellung über den Völkermord an den Sinti und Roma im NS besetzten Europa und über aktuellen Rassismus gegen Angehörige der nationalen Minderheiten der Roma und Sinti im mehreren europäischen Ländern. Rose eröffnete diese Ausstellung am 17. Januar 2006 im Europa-Parlament in Straßburg unter Beteiligung des damaligen Parlamentspräsidenten Borell Fontelles sowie weiterer Persönlichkeiten und Repräsentanten der Roma und Sinti aus mehreren Staaten Europas. Die Ausstellung wird seither in Großstädten Europas gezeigt wie Budapest, Prag und Warschau. Rose sorgte im Laufe des Jahres 2006 dafür, dass diese englische Ausstellung am 24. Januar 2007 bei den Vereinten Nationen in New York eröffnet und dann mit großer internationaler Aufmerksamkeit zu sehen sein wird. Als Konsequenz aus dieser internationalen Arbeit wurde Rose am 29. Mai 2006 als erster Vertreter der Sinti und Roma von der Polnischen Regierung zum Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rates ernannt.
Doch nicht nur die Vergangenheit hat eine hohe Priorität im Leben von Romani Rose, auch die Gegenwart hält ihn in Atem. Ob es die Auflösung von Roma Ansiedlungen in Frankreich und die damit verbundene Ausweisung dieser Mitglieder einer Europäischen Nation war oder die Drangsalierung von Roma und Sinti in Ungarn und Rumänien heute. Erschreckend dabei ist, dass solche Vorfälle vor den Augen der europäischen Nachbarn geschehen und es nicht zu Massenprotesten, weder in der Bevölkerung, noch bei Regierungen, kommt. Romani Rose stemmt sich vor allem gegen die Bilder, die jetzt überall wiederauftauchen: Menschen in bunter Kleidung, die durch die
Gegend ziehen und die angeblich nicht zur Gesellschaft dazugehören wollen. Es ist ein Klischee, das sich als stabiler erweist, als Rose gedacht hat. Immerhin 70.000 Sinti und Roma leben in Deutschland, sie haben eine über sechshundertjährige deutsche Geschichte, sie haben deutsche Pässe, die meisten leben so normal wie alle anderen im Land. Rose sagte zu einer bekannten Tageszeitung: „Sinti und Roma leben in Deutschland als Angestellte oder Arbeiter, sie sind Akademiker oder auch Künstler. Einige leben im Sommer im Wohnwagen – das tun viele andere Deutsche auch. Sie leben damit in einer Normalität. Aber das Bild, das die Gesellschaft hat, besteht darin, dass diese Minderheit romantisiert wird, dass sie als unheimlich dargestellt wird. Und es besteht vor allem darin, dass man diese Minderheit mittels der Darstellung ausgrenzt.“ Er erzählt von der Umfrage. Die Umfrage ist schon ein paar Jahre alt, aber sie sagt, dass 60 Prozent der Deutschen nicht mit einem Sinto oder einem Rom als Nachbarn leben wollten. Diese Umfrage ist das, was am Ende bleibt, doch Romani Rose will sich damit nicht abfinden.
Vor 20 Jahre wurde beschlossen, dass ein Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten, errichtet wird. Der Bau verzögert sich immer wieder im Hickhack zwischen dem Bund und dem Land Berlin, es geht um die Kosten, wie immer. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Denkmal in diesem Herbst eröffnet wird. „Man verspürt in solchen Momenten, dass man keine politische Kraft hat“, sagt der sechsfache Familienvater Romani Rose.
Bild 1. Romani Rose – Quelle: Wikimedia.org · Bild 2: Zaun von Auschwitz – Quelle: auschwitz-memorial.org · Bild 3 Dokumentationszentrum der Roma und Sinti un Heidelberg – Quelle: eben da · Bild 4: Buchtitel von Romani Rose – Quelle: zvab.com
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