Sinti & Roma in Köln-Bickendorf

Sinti & Roma in Köln-Bickendorf

 

„Die Erniedrigung eines anderen Menschen ist immer eine Angleichung an das eigene Niveau.“ Michael Richter

Das so genannte Zigeunerlager Köln-Bickendorf, auch als „Schwarz-Weiß-Platz“ bezeichnet, diente in der Zeit des Nationalsozialismus ab April 1935 der Unterbringung von Sinti und Roma in deren eigenen Wohnwagen oder in Baracken. Es gilt als ‚Vorbild’ vergleichbarer Einrichtungen im damaligen Deutschen Reich und spielte wie diese eine entscheidende Rolle beim Völkermord an dieser ethnischen Gruppe.

Alle Bewohner des Lagers wurden unter rassenhygienischen Gesichtspunkten erfasst, selektiert und später in Arbeits-, Konzentrationslager und in Vernichtungslager der ‚deutschen Ostgebiete’ deportiert.


Bereits in der Weimarer Republik richteten kommunale Behörden Lagerplätze für Sinti und Roma ein. Diese waren, etwa durch hohe Platzmieten, schnell wechselnde Standorte oder durch mangelhafte Ausstattung so angelegt, dass ihre Nutzer zum schnellen Weiterziehen veranlasst werden sollten. Ziel war die Vertreibung der Sinti und Roma aus der eigenen örtlichen Zuständigkeit. Ihre Benutzung war grundsätzlich freiwillig, denn den „Zigeunern“ war es zumindest gestattet, alternativ private Quartiere oder Wohnungen anzumieten. Im Jahre 1928 lebten auf privaten Stellplätzen in Köln über 400 Sinti und Roma. Während der Weltwirtschaftskrise waren in Köln in bis zu 90 wilden Siedlungen ‚zigeunerhafter Behelfsbauten’ entstanden. Unter den Bewohnern waren auch viele fahrende Leute, wie zum Beispiel Schausteller. Derartige Lager waren den Nationalsozialisten aus aber aus ideologischen Gründen ein Dorn im Auge, denn „Ansammlungen sozialer, kultureller oder wirtschaftlicher Abweichungen von der nationalsozialistischen Norm sollten aus der Volksgemeinschaft ausgesondert werden. In Köln wurde im Jahre 1934 ein Gelände an der Venloer Straße 888, am Bahndamm des Güterbahnhofs Bickendorf und dem Sportplatz des Vereins „Schwarz-Weiß“ ausgemacht, auf dem das Lager für die Kölner „Zigeuner“ erbaut wurde. Ziel dieser Bemühungen war nicht mehr die Vertreibung der Sinti und Roma, sondern die konzentrierte, systematische Unterbringung und Überwachung dieser Bevölkerungsgruppe fernab des Stadtzentrums. Am 23. April 1935 wurde die unbefestigte Platzanlage fertiggestellt. Sie wurde vom Bahndamm und von einem Stacheldrahtzaun begrenzt und verfügte über eine absperrbare Zufahrt, die von einem auf dem Gelände mit seiner Familie wohnhaften SS-Lagerverwalter bewacht wurde. Ab Mai 1935 wiesen Polizei und Wohlfahrtsamt die in Köln residierenden oder ankommenden Sinti und Roma systematisch auf den Bickendorfer Lagerplatz ein. Vielerorts geschah die Räumung der Wohnwagen von allen privaten und wilden Lagerplätzen der Stadt durch Überzeugung ihrer Bewohner von den Qualitäten des neuen Schwarz-Weiß-Platzes. Bald aber kam es auch zu Zwangsräumungen, etwa im Falle von 40 Bewohnern eines privatrechtlich legal angemieteten Platzes an der Riehler Straße. Auch wer in einer festen Wohnung lebte, konnte eingewiesen werden, wenn Leistungen des Wohlfahrtsamtes bezogen wurden. Schließlich lebten im Jahr 1937 bis zu 500 Menschen in 65 Wohnwagen und zwei Baracken auf dem Schwarz-Weiß-Platz.

Die Kölner Kriminalpolizei unterhielt als erste Polizeibehörde des Deutschen Reiches ein eigenes „Kommissariat für Zigeuner“, das regelmäßig im Lager operierte. Neben der vollständigen karteimäßigen Erfassung aller in Köln lebenden Zigeuner gehörten die Durchsetzung des ‚Zigeunerpasses’ und die ‚vorbeugende Verbrechensbekämpfung’ bei den Lagerbewohnern zu dessen Aufgaben. Dies führte immer wieder zu Festnahmen von Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht belegen konnten, durch ‚Faulenzerei’ auffielen, keinen Willen zur geregelten Arbeit gezeigt hatten oder anderweitig straffällig geworden waren. Die dort lebenden Roma und Sinti waren der Willkür der Behörden völlig ausgeliefert.  


Die Erfassung aller im Deutschen Reich lebenden Zigeuner war die Aufgabe der „Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt“ in Berlin, unter der Leitung des Arztes und ‚Rassenforschers’ Robert Ritter. Wesentliches Ziel des Instituts war es, den Ursprung soziologischer Erscheinungen in den Gesetzen der Genetik zu erforschen und zu belegen. Dieser mutmaßliche Zusammenhang sollte später zu einem ideologischen Baustein für die physische Vernichtung unangepasster Menschen werden. Nach Kriegsbeginn 1939 wurde das Verlassen des augenblicklichen Aufenthaltsortes allen ‚Zigeunern’ im Deutschen Reich untersagt, für Zuwiderhandlungen war die Deportation vorgesehen. Diese Maßnahme half den ‚Rasseforschern’ bei der lückenlosen Erfassung aller als ‚Zigeuner’ und ‚Zigeunermischlinge’ kategorisierten Personen, einschließlich derjenigen, die außerhalb des Schwarz-Weiß-Platzes etwa in angemieteten Wohnungen lebten. Während Anfang der 1940er Jahre im Lager auch die medizinische Versorgung auf ein Minimum reduziert wurde, erstellte das Reichssicherheitshauptamt mit Hilfe der Daten der Forschungsstelle Ritter die Deportationslisten für die erfassten Personen.

Am 16. Mai 1940 umstellte ein Kommando aus Polizeikräften, Wehrmachtsangehörigen und SS den Schwarz-Weiß-Platz. Sie verhafteten alle Sinti und Roma unter dem Vorwand, sie würden zum Schutz vor Bombenangriffen nach Polen evakuiert, wo sogar kleine Häuser für alle Familien in Aussicht gestellt wurden. Tatsächlich wurden die Lagerbewohner zu einem Sammellager in den Kölner Messehallen gefahren. Dort wurden sie weiteren Untersuchungen unterzogen, fotografiert, entlaust und gesäubert. Wertsachen mussten abgegeben werden, allen Personen wurde am Körper und im ‚Zigeunerausweis’ ihre Nummer der Deportationsliste aufgestempelt. In den nächsten Tagen stießen weitere Sinti und Roma aus dem Rheinland und aus Westfalen dazu, bis schließlich am 21. Mai 1940 rund 1.000 Menschen vom Bahnhof Deutz in Viehwaggons eingepfercht nach Osten gefahren wurden. Dort fanden sie, nach langem Leidensweg durch Arbeitslager, Ghettos und Vernichtungslager, meist den Tod.


Im Jahre 1990, 50 Jahre nach der Verschleppung der Kölner Sinti und Roma, zog der Künstler Gunter Demnig mit Hilfe einer Schablone eine 16 Kilometer lange Farblinie vom ehemaligen Schwarz-Weiß-Platz zum Deutzer Bahnhof, von dem aus im Mai 1940 1.000 als Zigeuner bezeichnete Menschen deportiert wurden. Die „Spur der Erinnerung“ wurde aus dem Schriftzug „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“ gebildet. Die Linie ist heute nicht mehr erhalten, an markanten Punkten der Strecke wurden aber kurze Abschnitte aus Bronze mit der gleichen Aufschrift in den Boden eingelassen. An der Bahnunterführung nahe dem ehemaligen Schwarz-Weiß-Platz wurde in diesem Zuge eine Gedenktafel angebracht.

Bild 1: ‚Zigeunerlager‘ Köln – Quelle: v-like-vintage.net · Bild · Bild 2: ‚Zigeunerlager – Quelle: gelsenzentrum.de · Bild 3: Polizeikontrolle im Lager Köln – Quelle: museenkoeln.de · Bild 4: Sinti-Mädchen in Auschwitz – Quelle: auschwitz.org · Bild 5: ‚medizinischer Nachweis‘ aus Auschwitz – Quelle: auschwitz.org · Bild 6: Gedenktafel in Köln – Quelle: sintiundroma.de 

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