Thomas Mann

Thomas Mann

Thomas Mann: „Deutsche Hörer!“

„Der große Mann ist ein öffentliches Unglück.“ Thomas Mann

In einer Reihe von regelmäßigen Radioansprachen wandte sich Thomas Mann an die deutschen Hörer an den Volksempfängern, obwohl es den Deutschen nach der ‚Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen’ unter Strafe verboten war, feindliche’ Sender zu hören. Im Herbst 1940 bat die BBC, den im kalifornischen Exil lebenden Thomas Mann, um kurze Ansprachen an seine ehemaligen Mitbürger. Diese Gelegenheit nahm er wahr und so kam es zu insgesamt 58 Kurzen Texten von ihm, die letzte erfolgte zum Neuen Jahr 1946. Im Laufe der folgenden Jahre änderte Thomas Mann seine Einstellung zu seinen Landsleuten merklich, ging er noch am Anfang von einem ‚verführten’ Kulturvolk aus, so sprach er später des Öfteren von der Schuld des deutschen Volkes. In seinen kurzen Beiträgen kommentierte er die Lage in Deutschland, den zerstörerischen Nationalsozialismus, das Kriegsgeschehen und den Mord an den europäischen Juden. Während er die Texte zunächst nach London schickte, wo sie ein deutschsprachiger Angestellter der BBC verlas, bediente man sich auf seine Anregung hin, später einer etwas umständlicheren, so doch direkteren und darum sympathischeren Methode. Vom 18. März 1941 sprach er im „Recording Department der NBC“ in Los Angeles die Texte selbst auf eine Schallplatte, die zunächst nach New York gesandt und von dort telefonisch nach London übertragen wurde. So konnten diejenigen, „die drüben zu lauschen wag(t)en“, auch seine eigene Stimme hören. Der Schritt, zum deutschen Volk zu sprechen, ist ihm zweifellos selbst in der Studioeinsamkeit nicht leicht gefallen. Umso höher ist er zu bewerten. Denn Thomas Mann war kein ausgesprochen politisch tätiger Mensch. Umso mehr erfüllte es ihn mit Stolz, von der Führungselite des Dritten Reiches zu denjenigen gezählt zu werden, die zum Widerstand aufriefen. Dass sie es taten überliefert eine Rede Hitlers, in der er gegen Thomas Mann besonders heftig wetterte. Wobei andererseits der Niederschlag seiner Worte im Volk wenig sichtbar wurde und es darüber auch keine expliziten Forschungsergebnisse gibt.

Die Reden begannen immer mit den Worten: „Deutsche Hörer!“ und war im Gegensatz zu den einpeitschenden Reden Hitlers hochemotional, eindringlich und an den Hörer persönlich gerichtet. Wenn Thomas Mann die Deutschen ansprach, so benutzte er das Wort ‚ihr’ und stand so, nicht nur inhaltlich, sondern auch formal in Gegensatz zum nationalsozialistischen Zeitgeist. Er vermied es den Namen Hitlers zu verwenden und titulierte ihn meistens mit dem anonymisierten ‚ihm’. Mann versuchte die Menschen für Demokratie und Mit-Menschlichkeit zu gewinnen, da die Deutschen sich, nach seiner damaligen Meinung nach seit 1933 in „ein unabsehbares […] Abenteuer“ hineingezogen wurde: „Die Hölle, Deutsche, kam über euch, als diese Führer über euch kamen. Zur Hölle mit ihnen und all ihren Spießgesellen!“ Dabei verfolgte er mehrere Ziele: Einerseits wollte er die Wahrheit über die „tausend Untaten“ und das„unvorstellbare Verderben“, die „Katastrophen und [das] Elend“, das die politische Führung über Deutschland gebracht hatte, verbreiten. Andererseits ging es ihm aber als Kulturbotschafter des „besseren Deutschland“ auch darum, den Menschen zu zeigen, „dass Deutschland einen Krieg gegen die Welt nicht gewinnen kann“. Das Pathos mit dem Thomas Mann sprach, mag heute wenig anregend wirken, doch er entsprach dem damaligen Zeitgeist, da er eine breite Masse ansprechen wollte. Thomas Mann konfrontiert seine Hörer mit Kriegsverbrechen, systematischer Verfolgung und Ausrottung der Juden, mit Menschenexperimenten, Vergasungen und Euthanasie.



Er berichtet von dem menschenverachtenden und unmenschlichen Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern, dem Bombenterror und der Dezimierung durch gezielten Hunger. Diesen Tatsachen stellt er die geistige Größe und Kultur der Vergangenheit Deutschlands gegenüber, und er ruft auf zu Umkehr, Umdenken und Buße. Publikumswirksam wurden die Reden eingebettet in Kurzmitschnitten von Hasstiraden verschiedener NS-Größen, wie Goebbels, Himmler oder andere. Seine Einstellung zu Hitler hat Thomas Mann bereits 1938 in dem Artikel ‚An die gesittete Welt’ formuliert: „So hoch er sich heute spreizt, so weit seine Einschüchterung sich ausbreitet, soviel von ihm angerichtetes Elend, Entehrung, Verderbnis, Blut, Tränen, Verzweiflung und Selbstmord er sich von seinem Bergsitz betrachten und sich groß, sich »geschichtlich« vorkommen darf, – der Stab ist ihm gebrochen, nichts wird bleiben von seinen Worten und Werken, weil sie falsch und nichtig waren, und sein Nachruhm wird Schande sein.“ Deshalb wurden die Reden Manns publikumswirksam eingebettet in Kurzmitschnitten von Hasstiraden verschiedener NS-Größen, wie Goebbels, Himmler oder andere. Thomas Mann zeigte seine Form des Widerstands mit dem was ihm zur Verfügung stand, mit Worten und wer ihn hörte wusste um die Gräueltaten Bescheid.

Bild 1: Thomas Mann – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: Volksempfänger Baujahr 1933 – Quelle: radiomuseum-groedig.at · Bild 3: Buchtitel von 1945 – Quelle:  zvab.com

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