Tilla Durieux

Tilla Durieux

Tilla Durieux • Diva des deutschsprachigen Theaters

„Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt.“ Oscar Wilde

Ottilie Godeffroy, so der Geburtsname der großen Schauspielerin, wurde in Wien am 18. August 1880 geboren. Die Eltern, der Chemieprofessor Richard Godeffroy und seine Frauen waren völlig entsetzt, als ihnen die Tochter eröffnete, dass sie Schauspielerin werden wollte, doch sie setzte sich durch. Dies war auch der Grund, dass sie sich einen Künstlernamen zulegte, Tilla Durieux, das war der Geburtsname ihrer Großmutter väterlicherseits. Nach dem Besuch einer Theater-Vorbereitungsschule bekam sie auch sehr schnell ihr erstes Engagement, in Olmütz hatte sie 1901 ihr Rollendebüt, dem folgten Engagements an Bühnen in Stuttgart und Breslau. Bereits 1903 arbeitete sie mit Max Reinhardt in Berlin zusammen, mit diesem damals wohl berühmtesten deutschsprachigen Theaterregisseur arbeitete sie acht Jahre zusammen. Die Klassiker der Theaterbühnen waren ihre Welt, sie liebte die Rolle der Lady Milford in ‚Kabale und Liebe’ und erarbeitete sich jede ihrer Rollen auf ganz eigene Art und weise, ohne dem bereits lange vor ihrer Zeit geschriebenen Text an Wirkung zu nehmen. So machte sie sich recht schnell einen guten Namen als angehende Diva des Theaters, das sie auch ohne Zweifel wurde. In der Zeit der Weimarer Republik avancierte sie zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen. 1910 heiratete sie den bekannten Kunsthändler Paul Cassirer, die war schon ihre zweite Ehe, denn die Ehe mit dem Maler Eugen Spiro dauerte nur ein paar Monate. Paul Cassirer war ihre große Liebe, doch für zwei Menschen, bei der jeder sehr eigene Vorstellungen der Selbstverwirklichung hat und diese auch unter allen Umständen leben will, vielleicht sogar leben muss, reicht häufig die Liebe nicht allein aus. 1926 lässt sich das Paar scheiden, eine quälende Scheidung, die zwischen noch bestehender Liebe und der Erkenntnis, nicht zusammenleben zu können, unglücklich hin und her schwankte. Für Paul Cassirer schien das Leben nicht mehr lebenswert, sein Selbstmordversuch scheiterte zwar, doch verstarb er kurz darauf an seinen Folgen. Doch das Leben der Tilla Durieux hatte auch eine andere Seite, eine kulturpolitische. Zusammen mit dem Musikpädagogen Leo Kestenberg, der auch Mitglied der SPD war, veranstaltete sie so genannte Arbeiter-Matineen an freien Sonntagen. In Parks, zum Beispiel der Hasenheide in Kreuzberg und in vornehmlich von Arbeitern geprägten Gegenden, las sie Teste von Goethe, Schiller, Richard Dehmel oder Georg Herwegh. Auch kleine Szenen wurden dabei aufgeführt, ebenso wurden klassische Musikstücke dargeboten. Das Anliegen dieser Gruppe war, dass klassische Kulturgut einer Arbeiterschaft kostenlos anzubieten, um die Kenntnisse um diese Texte und Musik nicht nur einem bildungsorientierten Bürgertum vorzubehalten. Ein Grund, warum Tilla Durieux in weitesten Teilen der Bevölkerung bekannt und beliebt war. Von meiner Großmutter weiß ich, dass diese Veranstaltungen sehr großen Zuspruch hatten und sich die Lesefreudigkeit, auch unter diesem Teil der Gesellschaft, stark erhöhte. 1927 beteiligt sie sich finanziell an der Piscator-Bühne und trat auch unter der Regie von Erwin Piscator im Theater am Nollendorfplatz in Berlin auf. Eine überaus künstlerisch fruchtbare Zeit begann für Tilla Durieux, bereits ein Jahr später veröffentlichte sie ihren ersten Roman ‚Eine Tür fällt ins Schloss’, auch das Buch wurde ein Erfolg.



ein Jahr später veröffentlichte sie ihren ersten Roman ‚Eine Tür fällt ins Schloss’, auch das Buch wurde ein Erfolg. In diesen, künstlerisch so bewegten Zeiten, der ‚Goldenen Zwanziger Jahre’ galt sie als unangefochtene Diva in Berlin. 1930 heiratete sie den Generaldirektor des Schultheiss-Patzenhofer-Konzerns, Ludwig Katzenellenbogen. Mit ihm verließ sie 1933 Berlin, nachdem die Nationalsozialisten an die Regierung kamen. Zum einen wegen ihres jüdischen Ehemannes, zum anderen, weil sie mit dem Gedankengut der menschenverachtenden Nationalsozialisten nicht konform ging. Sie ging nach Wien, dann nach Prag und dann, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, nach Kroatien. Immer spielt sie dort auch an Theatern. 1936/37 kehrte sie noch einmal als Dozentin ans Salzburger Mozarteum zurück. Bis 1938 leitet die Schauspielerin ein von ihr gegründetes Hotel im jugoslawischen Abbazia und ist zu Gastspielen in Wien, Prag und Paris. 1941, nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien, wird ihr jüdischer Ehemann verhaftet und stirbt zwei Jahre später im Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin. Tilla Durieux schließt sich der jugoslawischen Widerstands- und Partisanenbewegung an und beginnt in dieser Zeit auch mit der Niederschrift ihrer Lebenserinnerungen. 1952 kehrte sie nach Deutschland zurück und gastierte an Theatern in Berlin, Hamburg und Münster. 1954 erscheinen ihre Memoiren unter dem Titel ‚Eine Tür steht offen’. Aber sie bleibt der Bühne treu. 1959 ernennt die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste Tilla Durieux zum Ehrenmitglied. Mit dem Stück ‚Langusten’ geht sie durch die Bundesrepublik auf Tournee und arbeitet weiterhin für Film, Funk und Fernsehen. Im April 1960 wird ihr das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen. Die bereits Hochbetagte geht 1961 noch einmal auf Tournee durch Deutschland und wird Mitglied der Akademie der Künste. Für ihre Verdienste in und um den deutschen Film wird ihr 1963 das Filmband in Gold verliehen und sie wird zur Berliner Staatsschauspielerin ernannt.

Meine Großtante Ernestine lud mich 1966 zu einem Theaterbesuch ein, sie wusste, dass ich sehr gern ins Theater ging und wollte mir so eine Freude machen. Als ich aber las, dass es sich um ein ‚Einpersonenstück’, in dem eine, für mich uralte Frau auftritt, handelte, war meine Begeisterung etwas gebremst.



handelte, war meine Begeisterung etwas gebremst. Doch zum einen ging ich viel zu gern ins Theater und zum anderen liebte ich meine Großtante und so ließ ich, über meine Bedenken, nichts verlauten. Als ich Tilla Durieux dann auf der Bühne des Renaissancetheaters, in Berlin, in dem Stück ‚Langusten’ erlebte, war ich hin und her gerissen. Ich war fast euphorisch begeistert. Sie hatte mich, die damals sechzehnjährige, mit ihrem Spiel total in ihren Bann gezogen. Diese Frau beherrschte die Bühne und den Zuschauerraum und alle hingen an ihren Lippen. Drei Tage später durfte ich sie noch einmal erleben, denn ich hatte meine Großmutter überredet uns Karten zu besorgen. Mich hatte nicht nur ihr Spiel bewegt, sondern ich war von einem ganz begeistert, und das hat mich mein Leben lang begleitete, bis heute, durch ihren Auftritt freute ich mich auf alt werden, dass von da an nie ein Schrecken für mich war. Denn wer so frisch im Alter ist, nun dann muss einem selbst nicht bange werden. So bewegt mich dieser Theaterbesuch noch heute.

Mit 90 Jahren, am 21. Februar 1971 verstarb die große Tilla Durieux an den Folgen eines Treppensturzes, neben ihrem zweiten Ehemann Paul Cassirer wurde sie auf dem Städtischen Waldfriedhof  in Berlin-Charlottenburg beigesetzt. Anlässlich ihres 65-jährigen Bühnenjubiläums stiftete sie 1967 den Tilla-Durieux-Schmuck, der alle zehn Jahre an eine hervorragende Vertreterin der deutschen oder der österreichischen Schauspielkunst verliehen wird. Es handelt sich dabei um ein Collier aus 32 in Platin gefassten Zirkonen. Die sehr schöne Art déco-Arbeit war vermutlich ein Geschenk Paul Cassirers an seine Frau.

Bild 1: Tilla Durieux 1912 – Quelle: mdc.hr · Bild 2: Buchtitel Tilla Durieux – Quelle: zvab.com · Bild 3: Tilla Durieux 1965 – Quelle: dhm.de 

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