Charlotte Salomon

Charlotte Salomon

Charlotte Salomon • Künstlerin • von Auschwitz verschlungen

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Paul Klee

In die depressive Grundstimmung der Familie, die Mutter, Großmutter und Tante begingen Selbstmord, wurde Charlotte Salomon am 16. April 1917 hineingeboren. Ein Umfeld also, das an sich schon äußerst prägend für ein Kind ist, doch für das überaus begabte Kind war auch das gesellschaftliche Umfeld wenig zukunftsverheißend. So umgab das Kind bereits früh eine Schwere, die die Realität nicht vermuten lassen würde. Im gutbürgerlichen Stadtteil Charlottenburg des quirligen Berlins wuchs Charlotte heran, umgeben von einem maßvollen Luxus des Bildungsbürgertums einer jüdischen, äußerst liberalen Familie. Doch hätte vielleicht ihr künstlerisches Talent sie aus den familiären düsteren Wolken retten können, so erlaubten es ihr die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit nicht. 1933, ein Jahr vor ihrem Abitur, verließ sie das Fürstin-Bismarck-Gymnasium, um weiteren antisemitischen Anfeindungen zu entgehen. Doch die Aufnahmeprüfung an der Akademie der Künste, am Steinplatz in Berlin, schaffte sie mit Bravour und durfte dort auch weiter verbleiben, nachdem der verhinderte Kunstmaler Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Ihr expressionistisches Talent konnte weiter geformt werden, denn sie stand, auch nach den Nürnberger Gesetzen, die das jüdische Alltagsleben äußerst einschränkten, unter dem Schutz des so genannten Frontkämpferprivilegs, dass eine Weile jüdischen Mitbürgern und ihren Familien gestattet wurde, wenn einer in der Familie, so wie ihr Vater Albert Salomon, im Ersten Weltkrieg aktiv gekämpft hatte.



Doch bereits 1937 verließ sie sie Universität, nachdem ihr der erste Platz in einem Wettbewerb nicht zuerkannt werden konnte, da sie Jüdin war. Charlotte Salomon ging nach Frankreich und lebte in Villefranche-sur-Mer bei Nizza, dorthin hatten sich bereits ihren Großeltern seit 1934 aus Berlin zurückgezogen. Im Juni 1940, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, wurden Charlotte Salomon und ihr Großvater, die Großmutter hatte bereits Selbstmord begangen, im Lager Camp de Gurs interniert, doch wieder nach kurzer Zeit freigelassen, aufgrund des hohen Alters des Großvaters und seiner Gebrechlichkeit. Doch dies Konglomerat von Repressalien, Not, Angst und Selbstmord versetzte Charlotte Salomon in eine tiefe Krise, so dass sie auf Anraten ihres Arztes wieder zu malen begann um das Erlebte aufzuarbeiten. So entstanden zwischen 1940 und 1942, noch heute erhaltende, 1325 Gouachen expressionistischen Stils. Etwa 800 Blätter im Format 32,5 x 25 cm hat Charlotte Salomon ausgewählt und nummeriert. Zusammen mit erläuternden Texten und Hinweisen auf Musikstücke erzählen sie unter dem Titel ‚Leben? Oder Theater?’ihr Leben. Das Werk ist in seinem Aufbau einem Theaterstück mit allen seinen Bestandteilen in Akten und Szenen vergleichbar.



Sich darin zu vertiefen, heißt zum einen die Künstlerin kennen zu lernen, ihren Schmerz, ihre Bedrohung, aber auch ihren Lebenswillen. Aber das Gesamtwerk gibt auch einen, zwar subjektiven, Einblick in das bedrängte Leben einer jüdischen jungen Frau. Sie selbst schrieb dazu: „Der Krieg tobte weiter, und ich saß da am Meer und sah tief hinein in die Herzen der Menschen. Ich war meine Mutter, meine Großmutter, ja, alle Personen, alle Personen, die vorkommen in meinem Stück, war ich selbst.“ Auch ihrer Depressivität war sie sich völlig bewusst, denn sie schrieb: „Ich habe das, was van Gogh in seinem Alter erreichte… nämlich jene unerhörte Leichtigkeit des Striches, die leider sehr viel mit dem Pathologischen zu tun hat, schon jetzt erreicht.“ Während sie sich aus dieser tiefen seelischen Erkrankung versuchte herauszuarbeiten, lernte sie den österreichischen Emigranten Alexander Nagler kennen und lieben, den sie 1943 auch heiratete. Doch dem jungen Ehepaar war nur ein kurzes Glück gewährt, nach dem die beiden verraten wurden, wurden sie von der Gestapo verhaftet und am 27. September wurden sie in das Sammellager Drancy bei Paris verschleppt. Waren die Bedingungen im Lager Camp des Gurs schon wenig menschenwürdig, so waren die in Drancy katastrophal. Krankheit, Hunger und Todesangst begleiteten die Internierten täglich.



Der Ehemann von Charlotte Salomon starb an den Folgen der grausamen Internierung, während sie selbst am 7. Oktober nach Auschwitz deportiert wurde. Die damals im 5. Monat schwangere Künstlerin wurde bei der Ankunft an der Rampe von Auschwitz-Birkenau sofort ‚selektiert’ und ließ ihr Leben am 10. Oktober 1943 in einer der Gaskammern an diesem Ort des Grauens.

Kurz vor ihrer Deportation nach Auschwitz gab sie ihre künstlerischen Arbeiten ihrem Arzt zur Verwahrung: „Heben Sie das gut auf, c’est toute ma vie.“

Seit 1971 befinden sich Charlotte Salomons Arbeiten im Jüdischen Museum in Amsterdam, der Charlotte Salomon Foundation. Am 21. April 2012 wurde vor dem ehemaligen Wohnhaus, in Berlin-Charlottenburg, Wielandstraße 15, ein Stolperstein für Charlotte Salomon verlegt. Außerdem erinnert eine Gedenktafel am Haus. 2012 wurden ausgewählte Gouachen aus ‚Leben? Oder Theater?‘ auf der DOCUMENTA  im Fridericianum in Kassel ausgestellt.

Bild 1: Charlotte Salomon – Quelle: jewish-theater.com · Bild 2: Werk der Ch. Salomon 1940 – Quelle: artcore-performance.de · Bild 3: Werk der Ch. Salomon II – Quelle: ghwk.de · Bild 4: Buchtitel Ch. Salomon – amazon.com

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.