Margarete Buber-Neumann

Margarete Buber-Neumann

Margarete Buber-Neumann • Vom Gulag in Sibirien ins KZ

„Dasselbe Tor, durch welches der Despotismus und die Willkür einziehen, steht auch dem auswärtigen Feind offen.“ Rudolf von Jhering

Margarete Buber-Neumann, geb. Thüring, musste Tyrannei bereits früh erdulden und diese, in immer verschiedensten Formen prägten ihr Leben, ihre Weltsicht, bis zu ihrem Tod. Hineingeboren in die Familie des Potsdamer Brauereibesitzers Heinrich Thüring, erlebte das am 21. Oktober 1901 geborene kleine Mädchen, was es heißt unter strengstem Regiment des Vaters zu leiden, obwohl die Mutter versuchte die Wogen ein wenig zu glätten, war das häusliche Leben häufig ein Spießrutenlauf für sie und die vier Geschwister. Margarete hasst die militärische Atmosphäre der Heimatstadt, die Kadettenanstalten, Schießübungsplätze und Exerzierplätze. Der Vater, der von seinen Kindern Obrigkeitstreue, Disziplin und „straffen Geist“ erwartet, ist ihr zuwider. „Der Untertanengeist saß ihm allzu tief in den Knochen“, schreibt Buber-Neumann aber auch über ihren Lehrer am Potsdamer Lyzeum, der vor jeder Offiziersuniform zusammengeknickt sei, als habe sein „Rückgrat keinen Halt mehr“. Nach der Schule, macht sie eine Ausbildung in Berlin-Schöneberg zur Erzieherin und tritt 1915 der Freideutschen Jugendbewegung bei, wo sie erstmals mit sozialistischen Jugendlichen in Berührung kommt. Sie gerät ins Umfeld kommunistischer Gruppen, will die Welt verändern, wie sie 1957 in ihrem Buch ‚Von Potsdam nach Moskau’ erklärt: „Mich erfasste der Fanatismus der Demonstrierenden und ein bis dahin unbekanntes Gefühl der Zugehörigkeit zu Tausenden von Gleichgesinnten, die, so glaubte ich, die Kraft und den Willen hätten, dem Unrecht ein für allemal ein Ende zu setzen.“ Rosa Luxemburg wird ihr Idol. Doch die junge Frau begeistert sich auch für expressionistische Malerei und Literatur. Rafael Buber kreuzt ihren Weg, ein Sohn des berühmten Religionsphilosophen Martin Buber. Noch bevor sie heiraten, tritt sie der Kommunistischen Partei Deutschlands bei. 



Dann heiraten Rafael Buber und sie, aber die Ehe, aus der ihre Töchter Barbara und Judith hervorgehen, zerbricht. Die Töchter wachsen bei den Schwiegereltern auf, auch als die Mädchen später nach Palästina gingen, blieb zwischen Mutter und Töchtern immer ein festes Band der Liebe und des Verständnisses um einander, obwohl sie als Mutter eine eher unkonventionelle Rolle einnahm, denn ihr Hauptinteresse galt der Arbeit für die Kommunistische Partei, wie: Anwerben von Arbeiterinnen und Angestellten für die Partei, Verteilen von Flugblättern, Abhalten von Parteischulungen. Hier lernt sie auch Heinz Neumann kennen, eine schicksalhafte Begegnung. Neumann ist Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der KPD und Kandidat des Präsidiums der Komintern, ein wichtiger Mann im kommunistischen Machtgefüge, der eng mit Stalin arbeitete, doch er  begeht einen selbstmörderischen Fehler: Anfang der 30er Jahre kritisiert er Stalins Deutschlandpolitik und erregt so dessen Argwohn. Er kritisiert die Verharmlosung der aufstrebenden NSDAP und die Person Adolf Hitlers, dies entzweit ihn mit Thälmann und später ganz radikal mit Stalin. Neumann, hochgebildet, intellektuell und agitatorisch gewandt, faszinierte Margarete Buber-Neumann sehr, und sie wird seine Mitarbeiterin. Sie heiraten und arbeiten gemeinsam für die kommunistische Partei in Deutschland, Spanien und Frankreich. Im Mai 1932 begleitet Margarete Buber-Neumann ihren Lebensgefährten in die Sowjetunion. Im Auftrag der Partei reisen beide zunächst nach Spanien, um die kommunistische Partei Spaniens zu reorganisieren. Das wird sie in ihrer Autobiographie später, wie alles was sie im Dienste er Kommunistischen Partei getan hat, schonungslos verurteilen: „Natürlich gestand ich mir damals nicht ein, nein, ich begriff es nicht einmal, was mich an Spanien so entzückte und nur ungern an Sowjetrussland zurückdenken ließ, dass es der abgrundtiefe Unterschied zwischen demokratischer Freiheit und sowjetischer Diktatur war. Gedankenlos genoss ich diese Freiheit und half zur gleichen Zeit mit, sie zu vernichten.“ Im November 1933 wird Neumann von seiner parteiinternen ‚Bewährungs-Mission’ in Spanien abberufen. Er taucht in Zürich unter, wird kurze Zeit später verhaftet und im Juni 1935 gemeinsam mit Margarete in die UdSSR abgeschoben, dem Auslieferungsantrag Hitler-Deutschlands wurde von den Schweizer Behörden nicht stattgegeben. Die Moskauer Emigranten leiden bereits unter dem Terror stalinistischer Schauprozesse. Die Einquartierung der Neumanns im Hotel Lux gleicht einer Internierung, jeden Schritt bewacht der sowjetische Geheimdienst NKWD. Als ‚Abtrünnige’ schlägt dem Paar bald überall offene Ablehnung entgegen. Erstmals, viel zu spät, realisiert das Paar seine lebensbedrohliche Situation. Am 27. April 1937 wird Heinz Neumann verhaftet, nie wieder hört sie etwas von ihm, ein Jahr später wird auch Margarete verhaftet. Nach monatelangen Verhören und Erpressung falscher Geständnisse im berüchtigten Moskauer Untersuchungsgefängnis Butirka wird sie 1939 als ‚sozialgefährliches Element’ zu fünf Jahren Arbeitsbesserungslager verurteilt. Im südsibirischen Lager Karaganda vegetiert die junge Frau ein Jahr lang unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen: „Meine Wohnbaracke war eine Lehmhütte mit einer so niedrigen Decke, dass man sie mit der Hand erreichen konnte. Die Wände waren nicht gekalkt, sie waren rauh und ein Eldorado für Wanzen. Der Fußboden bestand aus gestampftem Lehm, konnte also nur trocken gefegt werden, und beherbergte eine besonders kräftige Flohrasse, die doppelt so groß war wie unsere west-europäische. Die Baracke hatte winzige Fenster, fehlende Scheiben waren durch Lumpen ersetzt. Ich schlief auf meiner ausgehängten Tür, selbstverständlich ohne Strohsack, ohne Kopfkeil.“ Körperliche Schwerstarbeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen, Krankheiten, Kälte und Stürme in der sibirischen Steppe machen das Leben zur Hölle. Viele Mitgefangene überleben die Torturen nicht. Doch es kommt schlimmer: Im Frühjahr 1940 wird Buber-Neumann Opfer des Hitler-Stalin-Pakts und an der Brücke von Brest-Litowsk an die deutsche Gestapo ausgeliefert.



Die nächste Station auf ihrem Leidensweg heißt Ravensbrück. Die Haftbedingungen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück übertreffen die schrecklichsten Erlebnisse aus Karaganda. Mit fortschreitender Kriegsdauer mutiert das Lager zum Vernichtungslager für mehr als 90.000 weibliche Häftlinge. Systematisch werden die Frauen von der SS ermordet, oder sie sterben an Krankheiten und Unterernährung. Margarete Buber-Neumann wird Blockälteste und Schreiberin der KZ-Oberaufseherin Langenfeld. Als die Langenfeld bei der SS in Misskredit gerät, sie opponierte ob der Behandlung von weiblichen Häftlingen, wie bereits in Auschwitz-Birkenau,  muss Margarete Buber-Neumann 1943 zehn Wochen im Bunker bei Dunkelarrest abbüßen. Doch gab es für sie auch es auch hellere Momente: „Sowohl in Sibirien als auch in Ravensbrück überlebte ich nicht nur, weil ich ein körperlich und nervlich starker Mensch war, nicht nur, weil ich mich nie so gehen ließ, dass ich die Selbstachtung verloren hätte, sondern weil ich immer wieder Menschen fand, denen ich nötig war, weil mir immer wieder das Glück der Freundschaft, der menschlichen Beziehung geschenkt wurde.“ In Ravensbrück trifft Buber-Neumann die tschechische Journalistin Milena Jesenska, die Freundin Franz Kafkas. Gemeinsam wollen beide Frauen nach dem Krieg ihre Erlebnisse in einem Buch festhalten, aber es kommt nicht dazu, denn Milena stirbt im Mai 1944 nach einer Nierenoperation. In dem Buch ‚Milena, Kafkas Freundin‘ setzt Margarete Buber-Neumann dieser Freundschaft in den 60er Jahren ein Denkmal. Unter den Häftlingen hat Margarete Buber-Neumann einen besonders schweren Stand. Sie fühlt sich nicht nur vom Mordapparat der SS terrorisiert, sondern auch von den kommunistischen Mithäftlingen, die ihre Berichte aus der Sowjetunion als Lügenmärchen zurückweisen. „Die Kommunistinnen verbreiteten im Lager, dass wir beide (gemeint sind  Milena Jesenska + Margarete selbst), wenn die Russen nach Ravensbrück kämen, sie entweder an die Wand gestellt oder nach Sibirien geschickt würden. Und sie hätten nicht gezögert, dabei auch zu helfen“.



Folglich flieht Margarete Buber-Neumann nach ihrer Entlassung aus Ravensbrück am 21. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee, in Richtung Westen, der amerikanischen Frontlinie entgegen. Margarete Buber-Neumann hat sieben Jahre lang Zwangsarbeit leisten müssen, hat gelitten unter Hunger, Kälte, Hitze, Krankheiten, Ungeziefer, Prügelstrafe, wochenlanger Dunkelhaft und grausamen Demütigungen. Sie hat es überlebt.

Mit dem Ende des Kriegs beginnt das zweite Leben von Margarete Buber-Neumann: Ihre Erlebnisse veröffentlicht sie nun in Aufsätzen und Artikeln, vor allem aber macht sich die eloquente Rednerin einen Namen als Vortragsreisende. Nie hörte sie nach ihrer Befreiung 1945 auf, als Publizistin gegen Inhumanität und diktatorische Systeme zu kämpfen. Für ihre besonderen publizistischen Verdienste wurde sie 1980 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bis zu ihrem Tod, am 6. November 1989 in Frankfurt am Main, kämpfte sie gegen die politische Willkür und deren Gedankengut.

Bild1: Margarete Buber-Neumann – Quelle: zam.it · Bild2: Buchtitel M. Buber-Neumann – Quelle: amazon.com · Bild 3: Buchtitel Margarete Buber-Neumann ‚Milena Jelenska‘ – Quelle: buchhandlung89.de · Bild 4: Margarete Buber-Neumann – Quelle: ravensbrueck.de

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