Kurt Gerron

Kurt Gerron

Kurt Gerron ✡ Die deutsche Geschichte war gegen ihn

„Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort.“ Gottfried Benn

Liest man die Lebensgeschichte von Kurt Gerron, dann stößt man auf viele Ungereimtheiten, auf Widersprüchlichkeiten, aber auch auf ganz viel Naivität und Lebenslust. Auch wenn man  Aussagen von Zeitzeugen hinzufügt, so rundet sich nicht ein Bild; doch vielleicht ist es gerade die nicht vorhandene gerade Linie einer Lebenseinstellung, die ihn so wahrhaftig machen. Ja, und vielleicht ist es auch gerade das Stolpern auf dem Lebensweg, das uns ihn so nahe bringt, vielleicht auch weil es uns, durch uns selbst bekannt vorkommt. Kurt Gerron wurde in Berlin am 11. Mai 1897 in eine jüdische, wohlhabende Kaufmannsfamilie hinein geboren und blieb auch das einzige Kind. An sich lag auf Grund dieser familiären Disposition der Lebensweg des Kurt Gerron recht klar auf der Hand, doch nach dem Abitur, dass er erfolgreich bestand und dem er ein Medizinstudium anschließen wollte, kam der Erste Weltkrieg, so zu sagen dazwischen, so dass er sich als Frontsoldat wieder fand. Schwerstens verwundet kam er in die Heimat zurück und studierte nun Medizin, nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, aber nie gesund wurde. Doch der Krieg benötigte ihn wieder, so dass sein Studium verkürzt wurde, was damals durchaus üblich war, und er sich als Lazarettarzt wieder in den Frontbereich begab. Nach Ende des Krieges verließ er gänzlich den ihm so zusagen vorgeschriebenen beruflichen Werdegang und wendete sich der Schauspielerei und dem Gesang zu.

Und – er hat Erfolg!

Von 1920 bis 1925 arbeitet er vornehmlich an den Bühnen, die unter der Intendanz von Max Reinhardt standen, doch daneben tritt er auch in Revuen und Kabaretts auf. Er bekommt sogar kleinere Nebenrollen in Stummfilmen. Durch seine körperliche Fülle, die vornehmlich einer Drüsenfunktionsstörung zu Grunde lag, wurde er häufig mit Rollen besetzt, die weniger gute Charaktere darstellen.

 



Zwar hat der Schauspieler selbst in solchem Rollenfach eine weitaus größere Spannweite der Darstellung, doch wird er dadurch häufig in bestimmte Schubladen gepackt, auch solche, die seinem privaten Ich so gar nicht entsprechen. Doch es eröffneten sich ihm noch weitere Felder des künstlerischen Ausdrucks, ab 1926 führt Kurt Gerron auch Regie und auch hier ist er erfolgreich, auch als sich 1931 der Tonfilm durchsetzt. Berühmt wurde er nach seinem sensationellen Erfolg für die Darstellung des Moritatensängers in der ‚Dreigroschenoper’ von Bert Brecht und Kurt Weil. Auch in der Filmwelt setzte er sich durch. Seine größte Rolle spielte er in Josef von Sternbergs Kult-Klassiker ‚Der blaue Engel’ als Zauberkünstler Kiepert, an der Seite von Emil Jannings und der blutjungen Marlene Dietrich. Auch seine Regiearbeiten erhielten gute Kritiken; einmal für den UFA-Film ‚Es wird schon wieder besser’ mit dem noch wenig bekannten Heinz Rühmann und dem Film ‚Der weiße Dämon’ mit Hans Albers. In dem Erfolgsfilm ‚Die drei von der Tankstelle’, der Heinz Rühmann zum Durchbruch verhalf, spielte Kurt Gerron eine ‚gewichtige’ Nebenrolle. In Hinsicht auf die Karriere schien alles auf größte Erfolge hinzuweisen, doch kam es ganz anders.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, war es für Kurt Gerron mit der Karriere vorbei, er war Jude. Sein damals momentanes Filmprojekt, in dem er Regie führte, wurde sofort gestoppt, auch auftreten durfte er nicht mehr. Gute Freunde drängten ihn in die USA zu gehen, doch er sah sich mit der deutschen Sprache so eng verbunden, dass das ihm nicht möglich erschien, auch gehörte er zu dem Teil der jüdischen Bevölkerung in Deutschland, die an einen vorübergehenden ‚Spuk’ glaubte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Repressionen gegen Juden größer werden könnten. Er stand mit dieser Meinung keinesfalls alleine da, doch schätzte er die Lage völlig falsch ein, wie wir heute wissen. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen, fällt schwer, uns darüber ein Urteil zu fällen, verbietet sich von selbst. Noch 1933 flüchteten er und seine Frau Olga nach Paris, doch Kurt Gerron fand keinen Anschluss an die französische Filmarbeit. Auch in Österreich, wo sich inzwischen die Filmindustrie dem Diktat der deutschen Reichsfilmkammer beugte und jüdische Künstler boykottiert wurden, stieß er nur auf Schwierigkeiten. Schließlich emigrierte er nach Holland, wo er über längere Zeit als Künstler arbeiten konnte. Er spielte Theater und trat auch in Revuen und Kabaretts auf.

 



1943 wurde die Familie Gerron im Konzentrationslager Westerbork interniert. Der Lagerleiter des Durchgangslagers Westerbork Albert Konrad Gemmeker, neigte zwar nicht zu Exzessen gegen die Inhaftierten, doch ließ auch er gern Willkür walten. Er nannte das ‚seine Puppen tanzen zu lassen’. So ließ er eine Bühne bauen, eine Schneiderei einrichten und ein Orchester gründen. Das Singspiel ‚Im weißen Rössl’ gab es nun jeden Montag und dienstags ging der Transport ins Vernichtungslager Auschwitz. Gemmeker förderte Freizeitaktivitäten und Kabarett im Lager, hier spielt auch Kurt Gerron mit. Zeitgenossen unterstellten ihm, Gerron, und seinen Kollegen, so das Lagerleben unterstützt zu haben, doch wie will man solche Entscheidungen, die unter solchen Bedingungen gefällt werden, überhaupt werten? Dem jüdischen Fotografen Rudolf Breslauer  befahl Gemmeker, das tägliche Lagerleben zu filmen. Der jüdische Journalist Heinz Todtmann schrieb das entsprechende Drehbuch. Dabei entstanden 85 Minuten Filmmaterial, insbesondere über die Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz. Ein Dokumentarfilm wurde es nie, doch ein Dokument seiner Zeit ist es bis heute. Am 25. Februar 1944 kam Kurt Gerron in das Ghetto Theresienstadt. Mit ihm kamen auch seine Schauspielerkollegen und seine Familie in das so genannte Vorzeigelager. In Theresienstadt erkannte ein SS-Mann Gerron, dem, wie auch anderen SS-Schergen, in einem Nazi-Propagandastreifen, durch Ausschnitte aus seinen Filmrollen, er, Gerron, als Prototyp des ‚minderwertigen Juden’ vorgeführt worden war, und schlug den ihm arglos entgegentretenden Kurt Gerron brutal zusammen. Wie Kurt Gerron diese Erniedrigungen aus seiner Sicht erlebte, ist nicht überliefert; auch hier sagen Zeitzeugen, Überlebende, das er ‚wortlos’ darüber hinweg ging. Einige bezeichneten ihn als ‚kaltschnäuzig’.  Später agierte Gerron auf der Bühne des von ihm gegründeten Ghetto-Kabaretts ‚Karussell’. Im Erkennungslied heißt es: “Wir reiten auf hölzernen Pferden – und werden im Kreise gedreht“. Das war mehr als nur ein Spaß von Kurt Gerron, doch mehr Satire ließ die SS nicht zu. Aber für die Verhältnisse im ‚Wartesaal des Todes’, wie das Lager Theresienstadt auch genannt wurde, wagte sich Kurt Gerron oft weit vor. Im August 1944 wurde Gerron von der SS gezwungen, den vorgeblich dokumentarischen Film ‚Theresienstadt’ zu inszenieren. Der Zwang bestand darin, entweder diesen Film zu drehen und sich, seine Familie und die mitwirkenden Schauspieler vor der Deportation zu schützen, oder den Weg ins Vernichtungslager anzutreten. Kurt Gerron drehte diesen Film, der später unter dem Titel ‚Der Führer schenkt den Juden eine Stadt’ bekannt wurde. Einige Überlebende kreideten Gerron seine Mitwirkung an diesem Propagandafilm an, andere, vor allem solche, die er durch Besetzung für den Film vor der Deportation nach Auschwitz zu retten suchte, zeigten Verständnis für seine Pseudo-Kollaboration. Gerron selbst scheint geglaubt zu haben, dass ihn einzig seine Theater- und Filmkompetenz und seine bereitwillige Mitwirkung an diesem Film davor bewahren könnte, von den Nazis ermordet zu werden.

 



Nach Abschluss der Filmarbeiten wurde Kurt Gerron, mit anderen an diesem Film Beteiligten, im Oktober 1944 mit der Anweisung ‚Rückkehr unerwünscht’ nach Auschwitz transportiert, wo er in einer Gaskammer am 28. Oktober 1944 ermordet wurde.

Als damals der Film dem Roten Kreuz vorgeführt wurde, um zu beweisen, dass es den jüdischen Menschen im Ghetto Theresienstadt gut ginge, gingen diese beruhigt ihrer Wege. Ohne das gezeigte je zu überprüfen. Nach dem Krieg und dem Zusammenbruch des NS-Regimes vermeldete das Rote Kreuz, das es sich bei diesem Film um ein der scheußlichsten Darstellungen handelt, die je von einem Ghetto-Leben gemacht wurden …

Viktor Rotthaler bezeichnet Gerron, neben Fritz Grünbaum,  als einen jüdischen Künstler, dem Dani Levy in ‚Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler’ ein Denkmal gesetzt hat: „Er bekommt in Levys Phantasie noch eine kleine Gnadenfrist. Den Trainingsanzug, den Gerron in Theresienstadt getragen hat, trägt nun Hitler höchstpersönlich. Es wird Gerron sein, der Grünbaum … bestätigen wird, dass das Lager Sachsenhausen, wie von Grünbaum gewünscht, aufgelöst wurde. Mit vorgehaltener Pistole wird man ihn zu dieser letzten großen Lüge seines Lebens zwingen.“ 

Bild 1: Kurt Gerron – Quelle: findagrave.com · Bild 2: Marlene Dietrich + Kurt Gerron in ‚Der Blaue Engel‘ – Quelle: movieplayer.it · Bild 3: Kurt Geron im Auffanglager Westerbork – Quelle: sfr.fr · Bild 4: Buchtitel Kurt Gerron – Quelle: amazone.cm

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