Agnes von Zahn-Harnack • Liberale Frauenrechtlerin
Agnes von Harnack wurde am 19. Juni 1884 in Gießen geboren und verstarb am 22. Mai 1950 in Berlin. Sie war ein Lehrerin, Schriftstellerin und bürgerliche Frauenrechtlerin. Agnes entstammte großbürgerlichen Verhältnissen, sie war die Urenkelin des berühmten Chemikers Justus von Liebig, die Tochter des Theologen Adolf von Harnack und dessen Ehefrau Amalie Thiersch. Ins geschichtliche Bewusstsein findet der Name von Harnack einen besonderen Platz, da aus ihrer Familie einige zu den Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten. Agnes von Harnack wuchs in den bildungsbürgerlichen Kreisen des Berliner Westens auf und war befreundet mit den Kindern der Familien Delbrück, Bonhoeffer, Dryander, Mommsen, Lüders u.a. Von 1900 bis 1903 erfolgte ihre Ausbildung zur Lehrerin für mittlere und höhere Mädchenschulen, die sie im Frühjahr 1903 mit dem Lehrerinnenexamen an der Königlichen Margaretenschule in Berlin abschloss. Man darf die Lehrerinnenausbildung der damaligen Zeit nicht mit der heutigen vergleichen, denn Frauen blieb, wenn sie eine Berufstätigkeit anstrebten nur die Ausbildung zur Gouvernante oder zur Lehrerin. Diese Lehrerinnen waren oftmals ‚Hilfslehrerinnen’ für männliche Kollegen, nur wenn diese Frauen ein Studium an diese Ausbildung ‚ertrotzten’ oder sich auf anderem Gebiet weiterentwickelten, konnten auch sie eine herausragende Stellung innerhalb des Schul- und Ausbildungsprinzips erlangen. Ansonsten war die Lehrerinnenzeit für diese Frauen ein ‚Übergangswirken’ vor der Verehelichung. Im damaligen Bürgertum vor dem Ersten Weltkrieg galt es als angemessen, dass auch Frauen eine Ausbildung erhielten, doch war von einer lebenslangen Berufstätigkeit der jungen Frauen nie die Rede. Seit Oktober 1903 arbeitete sie als Lehrerin an der privaten Höheren Töchterschule Wellmann-von Elpons in Berlin-Charlottenburg. Von 1906 bis 1908 bereitete sich Harnack privat auf das Abitur vor, das sie 1908 als Externe am Sophien-Realgymnasium in Berlin ablegte. Am 6. Oktober 1908 trug sie sich als erste Frau in die Immatrikulationslisten der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein, nachdem am 18. August 1908 das preußische Kultusministerium die „Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens“ erlassen hatte, die auch die reguläre Zulassung von Frauen zum Studium beinhaltete. Agnes Harnack studierte bis 1912 Germanistik, Anglistik und Philosophie und schloss ihr Studium mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Ihre Dissertationsschrift beschäftigte sich mit dem zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Trauerspiel „Aloys und Imelde“ von Clemens Brentano. Agnes von Harnack heiratete am 8. Dezember 1919 in Berlin den Ministerialrat beim Reichsarchiv in Potsdam Karl von Zahn. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Edward und Margarete. Bis hierhin verlief der Lebenslauf von nun Agnes von Zahn-Harnack in den vorgezeichneten gesellschaftlichen Bahnen.
1914 trat Harnack dem Nationalen Frauendienst bei. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schloss sie sich der DDP an, der ersten linksliberalen Partei. Am 11. Mai 1926 wurde sie in Berlin Mitbegründerin des Deutschen Akademikerinnenbundes (DAB), der die universitäre Frauenbildung weiter fördern wollte und drei Jahre später mit Margarete von Wrangell und Mathilde Vaerting die ersten deutschen Frauen-Lehrstühle erhielt. Der Plan zur Gründung des Vereins ging auf Marie Elisabeth Lüders zurück. Neben Zahn-Harnack (als Vorsitzende), Lüders und von Wrangell waren Ilse Szagunn und eine Studiendirektorin Schönborn als stellvertretende Vorsitzende, eine Schlüter-Hermkes als Schriftführerin und Gabriele Humbert, Kampf und Lührßen als einfache Mitglieder geführt. Der DAB wiederum schloss sich verschiedenen Dachorganisiationen an und brachte weitere Unterorganisationen hervor. In der Zeit von 1919 bis 1933 entstand eine ganze Fülle von Schriften zur Frauenbewegung von Agnes Zahn-Harnack, zu kirchlichen und theologischen Fragen und zu gesellschaftspolitischen Problemen aus ihrer Feder. Am bedeutendsten war die 1928 erschienene Geschichte der Frauenbewegung ‚Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele.’ Sie war Vertreterin des sogenannten bürgerlichen, liberalprotestantisch gesinnten Flügels der ersten deutschen Frauenbewegung. 1931 wurde sie Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine
Während der Zeit des Nationalsozialismus zog sich Zahn-Harnack weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, blieb aber dem Kreis um Anna von Gierke verbunden, zu dem auch Marie Baum, Helmut Gollwitzer, Romano Guardini, Hermann Maas, Theodor Heuss und Elly Knapp, Fritz Klatt, Selma Lagerlöf, Martin Niemöller und Alice Salomon gehörten, sowie der Bekennenden Kirche, die sie in deren Haltung gegen den Nationalsozialismus, aber nicht in Bezug auf ihre theologische Ansätze gut hieß. In der Zeit der „inneren Emigration“ schrieb Zahn-Harnack die 1936 veröffentlichte Biografie ihres Vaters Adolf von Harnack, in der sie auf dem Umweg der biografischen Darstellung auch ihre eigene liberalprotestantisch-humanistische Haltung im Gegensatz zum Nationalsozialismus zum Ausdruck brachte. In der Zeit des Krieges unterrichtete Zahn-Harnack privat Kinder jüdischer Abstammung, denen der Schulbesuch offiziell verboten war. Agnes von Zahn-Harnack war keine militante Frau, sie war eine Frau der Diplomatie und ‚leisen Arbeit’. Sie war stark geprägt von einem Protestantismus, der wenig politisch war und so musste sie in der Zeit des Terrorregimes für sich selbst einen Weg des Widerstands finden. Ihre gesellschaftlichen Verbindungen ermöglichten es ihr, jüdische Kinder außer Landes zu bringen und deren Eltern ein Überleben im Untergrund zu ermöglichen.
Nach dem Krieg schloss sie sich dem „Freundeskreis von Frauen“ um Freda Wuesthoff an, der mit seinem Arbeitsprogramm für den dauernden Frieden gegen Atomwaffen protestierte. Dem Kreis gehörten u.a. auch Gertrud Bäumer, Elly Heuss-Knapp, Marie Elisabeth Lüders und Clara von Simson an. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich Agnes von Zahn-Harnack und weitere der früheren Aktivistinnen, um die Gründung eines neuen „Deutschen Frauenbundes“ vorzubereiten. Es ist Agnes von Zahn-Harnack zu verdanken, dass sich so schnell nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder eine Frauenbewegung entstand. Zwar gab es noch Ideen, die aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Einzug nahmen, doch die Politisierung des nun entstandenen Vereins bezog sich auf die Erfahrungen der Zeit der Gräueltaten. So entstand der „Berliner Frauenbund 1945 e.V.“. Nach der Neugründung setzten sich die Frauen der ersten Stunde für einen Verein ein, dessen Hauptziel nicht nur in karitativer Arbeit liegen sollte. Sie befürworteten „eine Zielsetzung auf weite Sicht“, vor allem die aktive politische Beteiligung von Frauen. Zur Durchsetzung kommunaler Frauenpolitik hat der Berliner Frauenbund sehr früh sowohl ein Netzwerk zwischen Verbandsfrauen, Politikerinnen und Expertinnen der Behörden entwickelt, als auch ein „Kommunales Frauenprogramm“ entworfen. Beim Verfassungsausschuss der Berliner Stadtverordnetenversammlung reichte der Berliner Frauenbund den Entwurf eines Friedensparagraphen ein, beim Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz erarbeitete, den Entwurf für ein Kriegsdienstverweigerungsrecht. Beeinflusst von der Frauenbewegung Anfang der achtziger Jahre entstand die projektorientierte Arbeit, die bis heute einen wichtigen Schwerpunkt des BFB ausmacht.
Durch größer angelegte, eigenständige Projekte sollen die Chancen von Frauen in Ausbildung und Beruf verbessert werden. So verbindet der Berliner Frauenbund die Forderungen der damaligen Frauenbewegung nach gleichen Rechten in allen gesellschaftlichen Bereichen mit den feministisch geprägten Arbeitsformen der heutigen Frauenbewegung, wobei man seine liberal-konservative Ausrichtung nicht übersehen darf, die immer noch eine Arbeit der Stetigkeit vertritt und ihre feministischen Ansätze weniger lautstark vertritt.
Mit der Aufforderung an die Frauen:
„Aufgabe der folgenden Generationen wird es nun sein, zu erwerben, was sie besitzen.“
geht Agnes von Zahn-Harnack in die Geschichte der Frauenbewegung ein.
Anlässlich des 65. Geburtstages am 19. Juni 1949 von Agnes von Zahn-Harnack verlieh die Theologische Fakultät der Philipps-Universität Marburg ihr die Ehrendoktorwürde in Anerkennung ihres Engagements „im Geiste eines freien und entschiedenen Protestantismus und in wahrhaft evangelisch-sozialer Gesinnung“. Am 22. Mai 1950 starb Zahn-Harnack und wurde auf dem Friedhof Berlin-Zehlendorf beigesetzt. In Berlin-Moabit wurde eine Strasse nach ihr benannt.
Bild 1: Agnes Zahn-Harnack – Quelle: ghi-dc.org · Bild 2: Buchtiel v. A. v. Zahn-Harnack – Quelle: google.com · Bild 3: Strassenschild in Berlin-Moabit – Quelle: hu-Berlin.de
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