Sobibór · Ort der Menschen-Vernichtung

Sobibór · Ort der Menschen-Vernichtung

 

…über das ehemalige Vernichtungslager Sobibór im Osten Polens

Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór war ein deutsches Vernichtungslager in der Nähe des heute 350 Einwohner zählenden Dorfs Sobibór, einem Ortsteil der Stadt Włodawa, im südöstlichen Polen. Vor dem Bau des Vernichtungslagers Sobibor existierten bereits einige Zwangsarbeitslager im Kreis Chelm, die seit 1940 errichtet worden waren. Lage: In der Nähe des gleichnamigen Dorfes im östlichen Teil des Bezirkes Lublin, nicht weit entfernt von der Bahnlinie Chelm-Wlodawa. Der Bug fließt 5 km entfernt, an der ukrainischen Grenze. 1942 bildete er die Grenze zwischen dem „Generalgouvernement“ und dem „Reichskommissariat Ukraine“. Die Gegend war sumpfig und ist heute noch dicht bewaldet. Das Lager wurde Anfang 1942 errichtet und diente neben den Lagern Belzec und Treblinka als Vernichtungslager im Rahmen der „Aktion Reinhardt“, der planmäßigen Ermordung der Juden des Generalgouvernements.
 
„Aktion Reinhardt“ ist ein Tarnname für die systematische Ermordung aller Juden und Roma des Generalgouvernements (deutsch besetztes Polen und Ukraine). Im Zuge der „Aktion Reinhardt“ wurden zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 über zwei Millionen Juden sowie rund 50.000 Roma aus den fünf Distrikten des Generalgouvernements (Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Galizien) in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibór und Treblinka ermordet.
 
Vermutlich gehen erste Planungen des Lagers auf den Herbst 1941 zurück. Anfang 1942 wurde ein Gelände von zwölf Hektar Größe umzäunt; später wurde es auf 60 Hektar ausgedehnt. Die Bauarbeiten, die im März 1942 begannen, wurden von Richard Thomalla beaufsichtigt, der vorher die Bauaufsicht im Vernichtungslager Belzec geführt hatte. Die Struktur des Lagers mit zwei Lagerteilen entsprach dem Vorbild Belzecs; Sobibór wurde jedoch erheblich größer.
 
 
Das Lager I mit Kommandantenvilla, Waffenarsenal, Versorgungseinrichtungen und Unterkünften für rund 30 deutsche SS-Angehörige und 90 bis 120 „Trawniki-Männer“ lag unmittelbar am Bahngleis. In diesem Vorlager befanden sich zudem Baracken für durchschnittlich 50 jüdische Häftlinge, die dort in Reparaturwerkstätten und für Hilfsdienste eingesetzt waren. Das Lager II war durch Sichtschutz abgeschirmt. Dort gab es neben Ställen und Anbauflächen für Gemüse mehrere Unterkünfte für 400 Häftlinge. In der Regel waren 18 deutsche SS-Angehörige zur Aufsicht eingeteilt. Im Lager II wurde der gesamte Besitz der Opfer gesammelt, sortiert und gelagert. Von diesem Lagerteil aus führte ein 150 Meter langer und drei bis vier Meter breiter Gang, genannt „Himmelsstraße“, der mit Stacheldraht und eingeflochtenen Tannenzweigen eingefasst war, zur Vernichtungsstätte im Lager III. Die drei Gaskammern lagen innerhalb eines Ziegelsteingebäudes. Jede Kammer war 4 x 4 m groß und fasste 160-180 Menschen. Von einer am Gebäude entlang laufenden Veranda betrat man durch abschließbare Türen die Kammern. Auf der anderen Seite wurden die Leichen durch Klapptüren auf eine Rampe gezogen. Ein in einem angebauten Holzverschlag laufender Motor lieferte die tödlichen Abgase, die durch Wasserrohre in die Kammern geleitet wurden. Die Leichengruben wurden 50-60 m lang, 10-15 m breit und 5-7 m tief ausgebaggert. Die Wände waren schräg, so dass man die Leichen leichter hinunter gleiten lassen und sie enger legen konnte. Ein Schmalspurgleis verlief von der Rampe im Bahnhofsbereich, vorbei an den Gaskammern bis nach den Leichengruben. Während des Bahntransportes verstorbene Menschen wurden auf diesem Gleis in Loren (von den Gefangenen „Loras“ genannt) nach den Gruben geschoben.
 
Während das Lager errichtet wurde, stellte die SS auch das Personal zusammen. Stangl, ein Österreicher mit Erfahrungen im Euthanasie-Programm, hatte SS-Oberscharführer Hermann Michel als Stellvertreter. Dieser hatte ebenfalls am Euthanasie-Programm teilgenommen. Nach einigen Monaten Dienst wurde Michel durch SS-Oberscharführer Gustav Wagner ersetzt. Lager I und III hatten eigene Kommandanten, die aber Stangl untergeben waren. SS-Oberscharführer Otto Weiss leitete Lager I, wurde aber später ersetzt durch SS-Oberscharführer Karl Frenzel. Kurt Bolender war Kommandant des Lagers III von April 1942 bis Herbst 1942. Dieser wurde später ersetzt durch SS-Oberscharführer Erich Bauer.
 
Die ukrainischen Bewacher kamen aus dem SS-Ausbildungslager Trawniki. Trainiert hatte sie dort SS-Scharführer Erich Lachmann. Ab August 1942 wurde er Chef dieser „Trawnikis“ in Sobibor. Im Herbst 1942 löste ihn SS-Oberscharführer Kurt Bolender in dieser Funktion ab. Die Trawniki-Männer waren in drei Züge eingeteilt, geleitet von Ukrainern, die bereits im Dienst der deutschen Polizei gewesen waren und entsprechende Ränge hatten.
 
Im „Ausbildungslager Trawniki der SS“ wurden, wie es im SS-Jargon hieß, „fremdvölkische Einheiten“ für den SS- und Polizeiführer von Lublin, Odilo Globocnik, aufgestellt und ausgebildet. Diese sollten in erster Linie zur Ermordung der Juden im Generalgouvernement eingesetzt werden. Das Personal, in erster Linie Sowjetdeutsche und Ukrainer, wurde aus sowjetischen Kriegsgefangenen vor allem in den Stammlagern im Distrikt Lublin rekrutiert. Zumindest ab November 1941 wurden Angehörige dieser Nationalitäten nicht mehr aus der Gefangenschaft entlassen und die Sterblichkeitsrate in den Lagern stieg bedrohlich. Es ist daher umstritten, wieweit man noch eine echte „Freiwilligkeit“ bei der Anwerbung unterstellen kann. Von Anfang bis Mitte 1943 wurden auch Einheimische aus dem Generalgouvernement zwangsweise dienstverpflichtet.
 
 
Mitte April 1942, als das Lager fast fertig gebaut war, fanden experimentelle Vergasungen statt. Für diesen Zweck brachte man etwa 250 Juden vom Arbeitslager Krychow nach Sobibor. Christian Wirth, Belzec-Chef und Inspekteur der Aktion Reinhard-Lager, kam zur Beobachtung nach Sobibor. Er wurde begleitet vom Chemiker Dr. Karl Blaurock. Die Probevergasungen müssen für die SS zufriedenstellend verlaufen sein, denn Anfang Mai 1942 begannen die Massenvergasungen. Die Deporatationszüge hielten am Bahnhof Sobibor. Manche dieser Züge bestanden aus bis zu 60 Wagen. Nicht mehr als 18-20 Güterwagen wurden jeweils von der Lokomotive durch den getarnten Lagerzaun an die Rampe geschoben. Unter strengster Bewachung verließen die noch Lebenden die dunklen und stinkenden Güterwagen und wurden von den Trawnikis nach dem „Empfangsbereich“ eskortiert. Währenddessen spielte das Lagerorchester.
 
SS-UnterscharführerKurt Bolenders Aussage über den Ablauf der nun folgenden Vernichtung:„Bevor sich die Juden entkleideten, hielt Oberscharführer Hermann Michel eine Rede an sie. Hierbei trug er einen weißen Kittel, um den Eindruck zu erwecken er sei ein Arzt. Michel verkündete den Juden, sie würden zum Arbeiten geschickt. Vorher müssten sie jedoch ins Bad und zur Desinfektion, als Vorbeugung gegen die Verbreitung von Seuchen. Nach dem Ausziehen wurden die Juden durch den „Schlauch“ gebracht, angeführt von einem SS-Mann und fünf oder sechs antreibenden Ukrainern am Ende. Nachdem die Juden die Gaskammern betreten hatten, schlossen die Ukrainer die Türen. Der Motor wurde vom Ukrainer Emil Kostenko gestartet und vom deutschen Fahrer Erich Bauer aus Berlin bedient. Nach dem Vergasen wurden die Türen geöffnet und die Leichen von einer Gruppe jüdischer Arbeiter herausgeholt.“
 
 
 
Älteren Menschen, Kranken und Invaliden wurde gesagt, sie erhielten eine medizinische Versorgung. Sie wurden in Karren gesetzt (später in die Schmalspur-Loren), die von Männern geschoben oder von einem Pferd gezogen wurden bis an die Leichengruben im Lager III. Dort erschoss die SS diese Menschen.
 
Ende Juli 1942 wurden die Transporte wegen Bauarbeiten an der Eisenbahnstrecke zwischen Lublin und Chelm unterbrochen. Während der nächsten zwei Monate kamen nur kleinere Transporte aus der Umgebung an.
 
In dieser Phase wurden die alten Gaskammern durch ein neues Gebäude ersetzt, weil ihre Kapazität (600 Leichen pro Vergasung) nicht mehr ausreichte. SS Unterscharführer Erwin Lambert beaufsichtigte die Bauarbeiten, unterstützt von SS-Scharführer Lorenz Hackenholt. Beide waren letztlich in hohem Maße am Bau sämtlicher Gaskammern der NS-Euthanasie (Aktion T4) und der Aktion Reinhard beteiligt. Das neue Gaskammer-Gebäude hatte sechs Kammern, jeweils drei an beiden Seiten eines Mittelganges. Nun konnten 1.300 Menschen gleichzeitig umgebracht werden.
 
 
Nach Beendigung der Bauarbeiten an der Bahnstrecke Lublin – Chelm trafen zwischen Oktober 1942 und Juni 1943 weitere Transporte aus dem Generalgouvernement (145 – 155.000) und der Slowakei (25.000) ein. Im Februar 1943 besichtigte Reichsführer-SS Heinrich Himmler das Lager. Es war vorher aufgeräumt und gesäubert worden und wirkte offensichtlich nicht voll ausgelastet, denn Himmler befahl anschließend, dass von nun an Transporte aus den Niederlanden nach Sobibor fahren sollten. Um Himmler den Vergasungsprozess zu demonstrieren wurde eine Gruppe von mehreren hundert Jüdinnen eines nahe gelegenen Arbeitslagers vergast. Im März 1943 kamen 4.000 Juden aus Frankreich in Sobibor an. Alle Menschen wurden umgebracht. Zwischen März und Juli 1943 trafen 19 Transporte aus den Niederlanden ein (die genaue Anzahl kann evtl. nie festgestellt werden; die am häufigsten genannten Zahlen sind 19 Transporte mit insgesamt 34.313 Juden, von denen weniger als 20 überlebten). Diese Juden reisten in Personenwagen. Die SS hieß sie höflich willkommen um Probleme zu vermeiden. Letztlich mussten sie aber auch den Weg nach den Gaskammern gehen. Wären die niederländischen Juden nicht fest überzeugt gewesen von einer Zukunft in einem Arbeitslager im Osten, hätten sie sicher versucht, den Personenwagen zu entkommen oder von der Rampe in Sobibor wegzulaufen. Am 5. Juli 1943 befahl Himmler die Erweiterung des Lagers um einen Bereich zur Lagerung von Munition (Lager IV). Bunker wurden gebaut, ein Minengürtel um das gesamte Lager gelegt. Gegen Ende September 1943 traf der letzte Transport mit 14.000 Juden aus den Ghettos von Vilnius, Minsk und Lida ein.
 
Die meisten Baracken wurden erst nach dem Krieg abgebaut. Zwischen 1945 und 1947 nutzte man die Rampe für die Rücksiedlung von im Osten des Kreises Lublin lebenden Ukrainern. Diese benutzten das Holz der letzten Lagerbaracken als Feuerholz, während sie auf ihre Züge warteten (manchmal bis zu einer Woche). Der große Wachtturm wurde nicht zerstört weil er nun wieder dem Forstamt Sobibor zum Brandschutz diente. Das Haus des Lagerkommandanten („Schwalbennest“) blieb auch erhalten. Es war schon vor dem Krieg erbaut worden und gehörte ebenfalls der Forstbehörde. Der reguläre Zugverkehr in Sobibór wurde 1999 eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Bahnhof in Betrieb.In Sobibór verloren zwischen 150.000 und 250.000 Juden ihr Leben. Über die vernichteten Leben von Polen, Russen sowie Sinti und Roma gibt es keine genauen Zahlen, doch man rechnet mit ungefähr weiteren 150.000 …..

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