Fritz Henßler

Fritz Henßler

 

Fritz Henßler • Ganz nah bei den Menschen

„Nur der Mensch, der wahrhaft mit sich selbst ist, vermag es auch gegen andere zu sein.“ von Bentzel-Sternau

Friedrich Wilhelm Henßler wurde am 12. April 1886 im württembergischen Altensteig geboren und verstarb am 4. Dezember 1953 in Witten. Er war ein deutscher Politiker der SPD, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Oberbürgermeister der Stadt Dortmund. Nachdem er die Volkschule absolviert hatte, begann er eine Lehre als Buchdrucker und Schriftsetzer und zog nach der Lehre Richtung Norden. Während seiner Wanderschaft als Geselle trat er am 1. Mai 1905 in die SPD und den Deutschen Metallarbeiterverband ein, ohne jemals zuvor mit der Sozialdemokratie direkt in Berührung gekommen zu sein. „Ich wurde nicht angelockt durch das Programm, sondern beeindruckt durch bestimmte Persönlichkeiten“, so Fritz Henßler Anfang 1950. Gegen Ende seiner Wanderschaft kam er 1908 nach Münster. Hier übernahm Henßler wenig später den Vorsitz der SPD-Ortsgruppe Münster-Coesfeld und galt bis 1910 als führender ehrenamtlicher Funktionär im SPD-Wahlkreis Münster-Coesfeld, wenngleich das damalige sozialpolitische Milieu des katholischen Münsters alles andere als die sozialdemokratische Parteiarbeit erleichterte. 1911 folgte er dem Ruf der Arbeiter-Zeitung und zog nach Dortmund, seiner eigentlichen und zukünftigen politischen Wirkungsstätte. 1914 wurde er hier zum Unterbezirksvorsitzenden für die Kreise Dortmund und Hörde gewählt. Henßler, der ab 1915 den Posten des Chefredakteurs der Arbeiter-Zeitung übernahm, wurde im Sommer 1916 zum Kriegseinsatz an der Westfront einberufen. Nach Kriegsende trat er wieder als Redakteur in den Dienst der Dortmunder Arbeiter-Zeitung ein und leitete das politische Ressort bis 1928.


Seine Art und Weise des Schreibens sprach die Menschen an, er benannte die Probleme ohne den damals üblichen großen Pathos. So überzeugte er viele, auch über die Schicht der Arbeiterklasse hinaus. Auch als die Zeiten immer unruhiger wurden, behielt Fritz Henßler eine Sachlichkeit, die damals vielen fehlte. Sein beruflicher Aufstieg ging Hand in Hand mit seiner politischen Karriere Anfang der 1920er Jahre. Seit 1919 nahm er regelmäßig als Redakteur des Parteiorgans an den Sitzungen der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion teil, wurde 1920 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Dortmund und stand ab 1922 an der Spitze des SPD-Bezirks Westliches Westfalen. Fortan weitete er seinen politischen Wirkungskreis aus, wurde 1924 in die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung gewählt und war ab 1925 Stadtverordnetenvorsteher, 1926 in den Westfälischen Städtetag und 1929 in den Westfälischen Provinziallandtag. Auch wenn Henßler mit seiner Wahl in den Reichstag im September 1930 seinen politischen Wirkungsbereich auf die Reichsebene hin ausdehnte, blieb er nach wie vor in erster Linie Kommunalpolitiker, dem die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Ruhrgebietsgemeinden besonders am Herzen lagen.

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 war eine eindeutige Zäsur in Henßlers Leben. 1933 musste er zweimal eine mehrwöchige Schutzhaft im Dortmunder Polizeigefängnis Steinwache verbüßen. 1934 wurde er im Rahmen eines Prozesses gegen politisch Unliebige erneut angeklagt, jedoch aus Mangeln an Beweisen wieder freigelassen. Im April 1936 wurde er wiederholt verhaftet und blieb ein Jahr in Untersuchungshaft. Danach änderte Henßler seine Auffassung, daß sich der Widerstand der Sozialdemokraten „nur in den Köpfen“ abzuspielen habe. Fritz Henßler stellte Kontakt zu den verschiedensten Widerstandskreisen her. Anlaufstelle hierfür war die von seiner Frau Ella betriebene Leihbücherei in Dortmund Hombruch, in der Deutsch-Luxemburger-Straße. Obwohl er als Kontaktmann und Führungsperson der Dortmunder SPD galt und er ständig von den Nazis überwacht wurde, war Fritz Henßler drei Jahre lang eine der Hauptpersonen des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten in Dortmund. Am 25. April 1936 wurde Henßler in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet. Nach einem konstruierten Verfahren verurteilte der IV. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm Fritz Henßler 1937 auf der Basis des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien, da man ihm den vorgeworfenen Hochverrat nicht nachweisen konnte. Obwohl die Strafe durch die einjährige Untersuchungshaft als verbüßt galt, wurde er nach der Verhandlung von der Gestapo in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Es ist überliefert, dass Fritz Henßler sich trotz eines elfstündigen harten Arbeitstages im KZ auch an politischen Diskussionen beteiligte, welche die illegale Lagerleitung, bestehend aus Sozialdemokraten, Kommunisten und ehemaligen Zentrumsleuten, organisiert hatten. Als die Niederlage der Nationalsozialisten immer offenkundiger wurde und sowjetische Truppen immer näher an das Konzentrationslager Sachsenhausen rückten, sollten die Häftlinge des Lagers im April 1945 auf einen so genannten Evakuierungsmarsch geschickt werden. Dies bedeutete einen Todesmarsch wie er auch vom KZ Auschwitz und anderen Lagern her bekannt war: Hier sollten die Häftlinge körperlich geschwächt und leichter ermordet werden können. Am 20. April 1945 musste sich Fritz Henßler auf den Todesmarsch Richtung Mecklenburg begeben. Als er auf diesem Marsch mehrfach entkräftet zusammenbrach, wurde er durch die Hilfe von Mithäftlingen immer wieder vor dem Schicksal verschont, das vor ihm zahlreiche ehemalige Reichstags- und Landtagsabgeordnete, aber auch Dortmunder Stadtverordnete zu erleiden hatten. Nur mit Glück entging er dem Genickschuss der SS-Wachmannschaft, die auf dem Todesmarsch insgesamt 6000 entkräftete Häftlinge ermordete. In unmittelbarer Nähe der Stadt Schwerin konnte Fritz Henßler entkommen. Versteckt in einer Gartenlaube erlebte er am 2. Mai 1945 den Tag der Befreiung vom Faschismus durch amerikanische Einheiten. Es dauerte einige Wochen, bis es Fritz Henßler gelang, sich während der Nachkriegszeit nach Dortmund durchzuschlagen. Im Juni 1945 erreichte er völlig entkräftet Dortmund. Über seine Erlebnisse, die unbeschreiblichen Qualen und besonders über den Todesmarsch, hat Fritz Henßler in der Öffentlichkeit niemals gesprochen. Er beschränkte sich in seinen Lebensläufen auf Formulierungen wie diese:

„Neun Jahre Haft, davon acht Jahre Konzentrationslager, übliche KZ-Behandlung“.


In einer Rede vor fast bekannte er einmal: „Ich bin glücklich darüber, hier mitwirken zu können an der Entwicklung eines demokratischen Lebens, denn wir haben noch nicht volle Demokratie. Ich bin stolz darauf, aus den harten Jahren des KZ mit der inneren Überzeugung hervorgegangen zu sein: So darf man es nicht machen, wenn man die Menschen zum Frieden bringen will. Vielmehr soll das, was war, ein warnendes Zeichen und eine Lehre für uns sein, zu einer solchen gesellschaftlichen und staatlichen Gestaltung zu kommen, dass die Menschen wieder in Gemeinschaft zueinander finden“.


Seine Führungsrolle innerhalb der Sozialdemokratie galt auch weit über den Dortmunder Raum hinaus als unangefochten. In vielerlei Hinsicht knüpfte Henßler wieder dort an, wo er 1933 aufhören musste, und es erschien nahezu selbstverständlich, dass er der Mann der politischen Stunde in Dortmund sein würde, denn auf kommunaler Ebene wurde er zur zentralen und ungemein populären Figur des politischen und städtebaulichen Wiederaufbaus. Durch sein unermüdliches Mitwirken beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens hat Fritz Henßler Zeichen gesetzt. Als Oberbürgermeister hatte er die Weichen für den Wiederaufbau der Stadt Dortmund gestellt. Die dauernden Wohnungsprobleme versuchte er ebenso zu beseitigen, wie mit seinem erbitternden Kampf eine drohende Demontage der Hüttenwerke zu verhindern. In der Neuordnung des Schulwesens sah er den wichtigsten Ansatzpunkt für eine Erziehung im demokratischen Geist. Hierzu gehörte in erster Linie nach seinem Verständnis eine Aufklärung über die Ursache und Folgen totalitärer Machtentfaltung. Er war auch der Initiator des später nach ihm benannten Hauses der Jugend. In einer Rede am 7. Januar 1951, anlässlich der Dortmunder Jugendwoche forderte er:

„Ich wünsche, dass wir bald wieder zu einem Haus der Jugend kommen und dass es umkränzt wird von kleinen Jugendheimen rings in der Stadt. Dieser Weg muss für die Jugend freigemacht werden.“

Heute ist das Fritz-Henßler-Haus in Dortmund eine Begegnungsstätte für Jugendliche. Entsprechend seines offensichtlichen politischen Gewichts und seiner Integrationskraft wurde Henßler mit der Neugründung der Gewerkschaften in Dortmund-Lünen betraut, in dem Wissen, dass er aus den Erfahrungen der Weimarer Republik heraus schöpfte und ein Verfechter der überparteilichen und konfessionell ungebundenen Einheitsgewerkschaft war. Im Vergleich zur Vorkriegszeit sollte Henßler noch weiter in der Parteihierarchie aufsteigen.

Fritz Henßler gehörte zu den ganz wenigen, die dem Parteivorsitzenden Kurt Schumacher bei politischen Entgleisungen entgegentraten. Von 1946 bis 1953 war er neben Schumacher wohl die Führungspersönlichkeit innerhalb der Sozialdemokratie.

Als er am 4. Dezember 1953 an Spätfolgen der KZ-Haft verstarb, hatte er über lange Jahre hinweg das Schicksal der Stadt Dortmund mitgestaltet.

Bild 1 Fritz Henßler – Quelle: Wikimedia.org · Bild 2: Arbeiterzeitung – Quelle: uni-graz.at · Bild 3: Apellplatz KZ Sachsenhausen – Quelle: zchor.org · Bild 4: Fritz-Henßler-Preis – Quelle: fhbk.de · Bild 5: Fritz-Henßler-Haus – Quelle: ruhrnachrichten.de · Bild 6:

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