Hermann Langbein

Hermann Langbein

 

Hermann Langbein • Gerechtigkeit für Menschen

„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“ Theodor W. Adorno

Hermann Langbein wurde am 18. Mai 1912 in Wien geboren und verstarb am 24. Oktober 1995 in seiner Heimatstadt. Er war ein österreichischer, kommunistischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Historiker. Der ehemalige Häftling verschiedener Konzentrations- und Vernichtungslager war 1954 Mitbegründer des Internationalen Auschwitz Komitees. Als zweiter Sohn eines  mehr als assimilierten jüdischen Vaters, die Namen Otto und Hermann für seine Söhne zeigen, wie deutschnational der getaufte Vater Arthur Langbein war, stand Hermann Langbein wie sein älterer Bruder, die durch den frühen Tod der Mutter zum Halbwaisen geworden waren, schon bald im politischen Konflikt mit dem autoritären Vater. Diesem blieb durch seinen Tod im Jahr 1934 erspart, miterleben zu müssen, wie die Nationalsozialisten mit seinesgleichen umgingen. Nach seiner Matura arbeitete Hermann Langbein als Schauspieler am Deutschen Volkstheater. 1933 trat er der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) bei, die ein Jahr später verboten wurde. Nach dem ‚Anschluss’ Österreichs floh er 1938 nach Frankreich und schloss sich noch im April dieses Jahres den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg an um gegen den Faschismus zu kämpfen. Nach der Niederlage der Republik flüchtete er mit zahlreichen anderen Brigadisten nach Südfrankreich, wo er ab Februar 1939 in verschiedenen Lagern interniert war, bis er im April 1941 mit anderen österreichischen Häftlingen den deutschen Behörden ausgeliefert wurde. Die so genannten Heimkehrer wurden ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert, wo Langbein die meiste Zeit als Revierschreiber, also in den Krankenbaracken, arbeitete. Obwohl Langbein nach der Definition der Nürnberger Gesetze und somit der Interpretation der Nationalsozialisten als ‚Halb-Jude’ galt, sahen die Machthaber in ihm eher den politischen Häftling. Was er im Krankenrevier des Konzentrationslagers Dachau erlebte, prägte sein weiteres Leben, doch wenn er glaubte mehr Unmenschlichkeit ginge nicht, so war er nicht darauf gefasst, was er noch sehen, hören und erfühlen würde. Im August 1942 wurde Hermann Langbein in das Vernichtungslager Auschwitz I (Stammlager) überstellt und erhielt die Häftlingsnummer 60.355. Dort fungierte er als Funktionshäftling in der Position des Häftlingsschreibers beim SS-Standortarzt Eduard Wirths. Dr. Eduard Wirths, seit 1. 9.1942 SS-Standortarzt in Auschwitz und damit verantwortlich für alle Ärzte und das gesamte Sanitätspersonal im Vernichtungslager Auschwitz und dessen Nebenlagern. So erhält Hermann Langbein nicht nur Einblicke in die ‚ärztliche Arbeit’ im Stammlager Auschwitz, sondern erfährt auch von den tödlichen Versuchen an Menschen der ‚Ärzte’ Mengele und Co. Über den polnischen Häftling Edward Pys und der österreichischen Krankenschwester Maria Stromberger bekam er Kontakt zur Widerstandsgruppe Auschwitz, in der Langbein aktiv, den Möglichkeiten eines Häftlings entsprechend, arbeitete. Wo er auch konnte, versuchte er den Häftlingen das Lagerleben zu erleichtern.


Dass dies nur ein ‚Tropfen auf dem heißen Stein’ war und somit seine eigene innere Ohnmacht, war für ihn Triebfeder und Ansporn zu überleben. Im Zuge der Auflösung des Vernichtungslagers Auschwitz wurde Langbein im August 1944 in das Konzentrationslager Neuengamme überstellt und von dort weiter in das Neuengammer Außenlager Lerbeck bei Minden überführt. Auf dem Evakuierungstransport nach Fallersleben östlich von Hannover sprang er Mitte April 1945 aus dem Zug und flüchtete per Fahrrad nach Österreich, wo er im Mai 1945 in seiner Heimatstadt Wien eintraf.

Zurück in Wien, betätigte sich Hermann Langbein als hauptamtlicher Funktionär der KPÖ beim Aufbau der Parteischulen und wurde ins Zentralkomitee der Partei gewählt. 1947 begann er, als Reaktion darauf, dass sich niemand für die Erfahrungen der KZ-Überlebenden zu interessieren schien, mit der Niederschrift seines Buches „Die Stärkeren. Ein Bericht aus Auschwitz und anderen Konzentrationslagern“, das 1949 im parteieigenen Verlag erschien. Ab 1951 geriet Langbein zunehmend in Konflikt mit der Leitung der KPÖ, wurde nicht ins ZK wiedergewählt und 1953 zusammen mit seiner Frau Loisi und seiner kleinen Tochter nach Budapest ‚strafversetzt’, wo er für deutschsprachige Sendungen des ungarischen Rundfunks arbeitete. Zurück in Wien stellte sich Hermann Langbein ideologisch auf die Seite der Aufständigen in Ungarn, zum Missfallen der Kommunisten in West und Ost. So kam es zum endgültigen Bruch im Jahr 1958, als Langbein im September aus der Partei ausgeschlossen wurde und 1960 sogar aus der Funktion des Generalsekretärs des kommunistisch dominierten Internationalen Auschwitz-Komitees gedrängt wurde, ein Schritt, der für die Familie existenzbedrohend war. Doch Hermann Langbein blieb konsequent, eine Haltung, die er bis zu seinem Tode beibehielt. 1962 gab Hermann Langbein gemeinsam mit H.G. Adler und Ella Lingens den Sammelband Auschwitz. Zeugnisse und Berichte heraus, im folgenden Jahr erschien sein Buch ‚Im Namen des deutschen Volkes’. Zwischenbilanz der Prozesse wegen Nationalsozialistischer Verbrechen. Den 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess beobachtete und protokollierte er fast durchgängig; im Jahr 1965 erschien seine 2-bändige Dokumentation „Der Auschwitz-Prozess“. Er war aber nicht nur Beobachter der Prozesse, sondern arbeitete auch eng mit dem Staatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt zusammen.


Ferner war er auch einer der Zeugen des Prozesses. Im Rahmen der Aussagen über das so genannte ‚Zigeunerlager’ in Auschwitz sagte Hermann Langbein folgendes aus:

„ […] Aber was ich dort gesehen habe, das war schlimmer als alles andere. Ich habe Frauen gesehen … die glücklichsten waren die – es waren einzelne darunter –, die wahnsinnig geworden sind. Ich habe kleine Kinder gesehen, Neugeborene … die einzige Sorge, die ihnen zuteil wurde, war die, dass sie sofort die Häftlingsnummer tätowiert bekamen mit einem „Z“. Und zwar bekamen die die Häftlingsnummer in den Oberschenkel, weil der Unterarm eines Säuglings zu klein war dafür. Und ich habe dann die Leichenkammer gesehen, die anschließend hinten bei dem Block war, und dort war ein Berg von Leichen, Kinderleichen, und dazwischen waren die Ratten.“ (24. Verhandlungstag, 6.3.1964)

1963 wurde Langbein dann Sekretär des neuen ‚Comite International des Camps’.1967 wurde er von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. In den folgenden Jahrzehnten war Langbein vor allem als Schriftsteller und Publizist tätig und engagierte sich in der Bildungsarbeit an Universitäten und Schulen. Zu seinen bedeutendsten Publikationen gehört Menschen in Auschwitz, erschienen 1972. In Österreich war er an der Entstehung des ersten Zeitzeugenprogramms für Schulen beteiligt, sprach aber fast bis an seine Lebensende auch an zahlreichen Schulen und Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland.

Viele Ehrungen folgten, aber Langbein blieb auch hier konsequent: Eine Ehrung durch den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim lehnte er ab.

Er blieb weiter aktiv beteiligt an den Debatten über die Gestaltung des Museum Auschwitz-Birkenau und wurde in den Internationalen Museumsrat berufen, wo er Vorschläge zur Neukonzeption des Museums vorlegte. 1995 starb Hermann Langbein, 83-jährig, in Wien.

Bild 1: Hermann Langbein, ein Häftling in Auschwitz – Quelle: blogspot.com · Bild 2: Buchtitel von H. Langbein – Quelle: chello.at · Bild 3: Auschwitzprozess in Frankfurt – Quelle: Fritz Bauer Institut · Bild 4: Biographie zu H. Langbein – Quelle: braumüller.at · Bild 5: Hermann Langbein – Quelle: univie.ac.at

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