Jesse Owens

Jesse Owens

Jesse Owens • Ausnahmesportler von Olympia 1936

„Die Olympischen Spiele waren noch nie frei von Politik. […] Olympia ist eingebunden in das gesellschaftliche Umfeld mit all seinen Problemen.“ Nikolaus Brender

Die Zeiten waren keinesfalls rosig für James Cleveland Owens als er am 12. September 1913 in Oakville, im Bundesstaat Alabama zur Welt kam. Als Sohn schwarzer Farmarbeiter im Süden der USA war er zwar Bürger dieses großen Landes, doch mit der Gleichberechtigung, obwohl verfassungsmäßig zugesichert, haperte es sehr in einer Zeit der Rassentrennung. Schwer musste sich die Familie durchschlagen, zuerst kam der Erste Weltkrieg und dann traf gerade die Ärmsten der Armen die Weltwirtschaftskrise besonders schlimm. Doch seine Eltern bestanden auf einem Schulbesuch, obwohl dieser damals für afroamerikanische Kinder noch nicht verpflichtend war, dies erfolgte erst 1950. Da die Lehrerin den kleinen Jungen nicht verstand, denn er nannte sich selbst J. C. (Jay Zi) oder verstehen wollte, nannte sie ihn ‚Jesse’ und trug das in die offiziellen Papiere ein. Jesses sportlerisches Talent wurde schnell entdeckt und so holte ihn die Ohio State University in Columbus mit einem kleinen Stipendium an ihre Universität. Diese war ausschließlich an seinem sportlichen Erfolg interessiert, weniger an seiner sozialen und intellektuellen Ausbildung. Da er wegen der Rassentrennung nicht wie die anderen Studenten auf dem Campus wohnen durfte und er auch kein volles Stipendium, das seinen Lebensunterhalt beinhaltet hätte, bekam, war er gezwungen, neben dem Studium Jobs an zunehmen, unter anderem als Page im Parlament von Ohio, ein junger Ohrenzeuge, der dort viel lernte. An der Universität wurde Jesse Owens von Larry Snyder trainiert, der ihn zum ersten schwarzen Mannschaftskapitän an der Ohio State University machte. Hier war der Wunsch nach Erfolg und Anerkennung größer als die strikte Durchsetzung der Rassentrennung, die Jesse Owens tagtäglich als menschliche Demütigung erleben musste. Die soziale Integration in sein Team war ihm noch mehr erschwert, da er die eng begrenzte Freizeit nicht mit seinen Teamkollegen verbringen durfte, doch durch seine Art und Weise des Umgangs mit anderen fand er auch hier ein Maß der Anerkennung, auch wenn das wenig Einfluss hatte auf seine weißen Teamkollegen über die Barrieren der Rassentrennung nachzudenken. Am 24. Mai 1935 soll Owens sich bei einer übermütigen Rauferei, bei der er im Treppenhaus des Studentenwohnheims stürzte, eine Verletzung am Rücken zugezogen haben, woraufhin ihm sein Trainer Larry Snyder dazu riet, seine Teilnahme an dem für den Folgetag geplanten Wettkampf abzusagen. Dennoch stellte Jesse Owens am 25. Mai 1935 in Ann Arbor, Michigan bei der Big Ten Conference auf den Sportanlagen der University of Michigan innerhalb von 45 Minuten fünf neue Weltrekorde auf, einen Weltrekord stellte er ein. Um 15:15 Uhr egalisierte er mit 9,4 Sekunden den bisherigen Weltrekord über 100 Yard, entsprechen 91,44 m.



Der Sprinter Bob Collier erinnerte sich Jahrzehnte später: „Zwar waren fast alle im Feld die schnelleren Starter als Jesse, aber nach 30 Yards hatte er die Sache zu seinen Gunsten entschieden.“ Um 15:25 Uhr sprang er die Weltrekordweite von 8,13 Meter, die erst am 12. August 1960 von Ralph Boston überboten wurde. Auf weitere Versuche verzichtete er. Der Hürdenläufer Francis Cretzmeyer beschrieb Owens Teilnahme am Weitsprung-Wettbewerb mit den Worten: „Dass er nur diesen einzigen Versuch tat, setzte jedermann in Erstaunen. Jesse sprang sehr hoch, höher als der Kopf des an der Grube sitzenden Kampfrichters.“ Um 15:45 Uhr siegte er im Lauf über 220 Yard mit 20,3 Sekunden, wobei er den Weltrekord um 0,3 Sekunden verbesserte. Gleichzeitig wurde diese Zeit als Verbesserung des Weltrekords über die kürzere 200-Meter-Strecke anerkannt. Um 16:00 Uhr brach er mit 22,6 Sekunden als erster Läufer die 23-Sekunden-Marke auf der 220-Yard-Hürden-Strecke. Auch diese Zeit wurde als Weltrekord über die 200-Meter-Hürden-Strecke anerkannt. Jesse Owens Trainer Larry Snyder berichtete: „Jesse schien über die Piste zu schweben. Er streichelte sie geradezu. Von den Hüften an aufwärts bewegte er den Körper praktisch nicht – er hätte eine volle Kaffeetasse auf dem Kopf balancieren können und nichts davon verschüttet.“ Am folgenden Tag war in den Zeitungen wenig Resonanz auf die Weltrekorde Owens zu finden, der als „Ohio State Negro“ abgetan wurde und tags zuvor von keinem Reporter interviewt worden war. Doch für die Sportwelt war ein Star geboren worden, ein Ausnahmetalent des US-amerikanischen Sports.

Olympische Spiele 1936

Die Olympischen Sommerspiele in Berlin standen vor der Tür. Es gab eine Diskussion über die Teilnahme an den Olympischen Spielen, hier bezog Jesse Owens in der US-amerikanischen Presse eindeutig Stellung, dass er in einem Land, das dunkelhäutige und jüdische Athleten diskriminiere, nicht antreten wollte.



Von seinem Trainer, Larry Snyder, wurde er dafür scharf kritisiert, der ihm die Bedeutung der Olympischen Spiele für dessen Sportkarriere verdeutlichte. Doch Owens beharrte auf seinem Standpunkt. Dem öffentlichen Druck geschuldet, entsandte das United States Olympic Committee mit Avery Brundage einen Beobachter nach Berlin, um über die dortigen Verhältnisse zu berichten und über den Start der US-amerikanischen Olympia-Teilnehmer zu entscheiden. Die Führung des Nationalsozialisten Reichs konnte Brundage leicht von ihrer Begeisterung für den Sport und für die USA überzeugen. Über die Diskriminierungen der jüdischen Bürger Deutschlands, die Nürnberger Gesetze zur Einschränkung jüdischen Lebens waren gerade veröffentlicht, empfand die Delegation wohl nicht als besonders schwerwiegend, denn Am 15. Juli 1936 machte sich Jesse Owens zusammen mit 382 weiteren US-amerikanischen Sportlern an Bord eines Schiffs aus New York auf den Weg nach Berlin. Kurz vor dem Ablegen gab Owens gegenüber Vertretern der Presse an Bord eine Erklärung ab, in der er ankündigte, er wolle drei Medaillen gewinnen, nämlich im 100-Meter-Lauf, im 200-Meter-Lauf sowie im Weitsprung. Bei den Olympischen Spielen 1936 gewann der 1,78 m große und 75 Kilogramm schwere Owens vier Goldmedaillen (100 m, Weitsprung, 200 m, und 4 × 100 m) und war damit der erfolgreichste Athlet dieser Spiele.



Doch schon im zweiten Wettbewerb, dem Weitsprung, drohte Owens jedoch in der Qualifikation nach zwei Fehlversuchen zu scheitern. Der Deutsche Luz Long, der zu dem Zeitpunkt einen neuen Olympiarekord aufgestellt hatte, gab ihm einen Tipp, worauf Owens sich qualifizierte und letztendlich Gold gewann, während Long Silber errang. Der erste, der Owens nach seinem Sieg gratulierte, war Long. Jesse Owens kommentierte dies später mit den Worten:“It took a lot of courage for him to befriend me in front of Hitler. You can melt down all the medals and cups I have and they wouldn’t be a plating on the 24-karat friendship I felt for Luz Long at that moment. Hitler must have gone crazy watching us embrace. The sad part of the story is I never saw Long again. He was killed in World War II.” Jesse Owens war der Publikumsliebling der Olympischen Sommerspiele in Berlin, sehr zum Ärger der nationalsozialistischen Führung. Es gab sogar Überlegungen gegen die Teilnahme von ‚affenartigen Untermenschen’ zu protestieren, doch das unterblieb in Hinsicht auf die Weltpresse, der man ein gutes Bild von Deutschland offerieren wollte. Doch für Hitler und seine Umgebung waren die bejubelten Siege von Jesse Owens eine schallende Ohrfeige. Dass Owens mit einer vierten Olympischen Medaille nach hause fuhr überraschte ihn selbst, denn für die Staffel der 4 × 100 m der Männer war er gar nicht nominiert, doch auf Druck der Nationalsozialisten wurden zwei jüdische Sportler aus dem Kader genommen und so startete Jesse Owens mit einem ebenfalls afroamerikanischen Teamkollegen in der Staffel, die dann Gold holte.



Jesse Owens war der erfolgreichste Sportler dieser Olympischen Spiele, so diskreditierte er nicht nur Hitlers Theorie des Herrenmenschens, sondern fügte auch der tief verwurzelten Segregation, der Rassentrennung, ernsthafte Einschläge zu.

Das Leben in den USA der Rassentrennung

Die erhoffte Anerkennung für Jesse Owens bot die US-amerikanische Gesellschaft nicht. Franklin D. Roosevelt, 1933–1945 Präsident der Vereinigten Staaten, hatte Owens kein Glückwunsch-Telegramm nach Berlin geschickt. Zudem weigerte er sich, Owens im Weißen Haus zu empfangen. “Hitler didn’t snub me, it was Franklin D. Roosevelt who snubbed me. The president didn’t even send me a telegram”, sagte Jesse Owens später dazu. Zwar wurde er bejubelt als er aus Deutschland zurückkehrte, doch nach einer sehr kurzen Zeit der Euphorie durfte der schwarze Sportler gern in der Versenkung verschwinden. Diverse Jobs, bei denen er gegen Pferde und Reiter läuferisch antrat, auch gegen Hunde und später gegen Motorräder bezeichneten die nächsten Jahre für ihn.



Diese Demütigung hinterließen schwere seelische Wunden in ihm und der Raubbau an seinen körperlichen Kräften wurde auch bemerkbar. Eine späte Anerkennung wurde ihm erst 1955 vom damaligen Präsidenten Dwight D. Eisenhower zuteil, der ihn zum ‚Botschafter des Sports’ ernannt und um die Welt geschickt wurde, besserte sich seine finanzielle Situation, da er diverse Werbeangebote erhielt. Im Sommer des Jahres 1964 besuchte Owens erneut Berlin, um einen Dokumentarfilm über seine Karriere als Sportler zu drehen. Diese Produktion erschien 1966 unter dem Titel ‚Jesse Owens Returns to Berlin’ an der Jesse Owens als Erzähler neben Kai Long, dem einzigen Kind von Luz Long, beteiligt war. Im Alter von 66 Jahren verstarb er am 31. März 1980 in Tucson, Arizona an Lungenkrebs. Er hinterließ seine Frau und drei Kinder und wurde auf dem Oak Woods Cemetery in Chicago beigesetzt. Aber Jesse Owens hinterließ noch viel mehr, denn als Vorbild für Millionen afroamerikanischer Jugendlicher wurde er zum Sinnbild zur Überwindung von Rassenschranken.

Eine Gedenktafel am Olympiastadion Berlin, in Berlin-Westend, verweist auf diesen Ausnahmesportler, zudem wurde 2007 im Olympischen Dorf  das Zimmer von Jesse Owens rekonstruiert. Die ehemalige Reichsportfeldstraße im Berliner Westend wurde nach ihm benannt.

Recherchearbeiten für diesen Artikel wurden von Patrice Jacob erstellt. 

Bild 1: Jesse Owens – Quelle: encoclopidiaofalabama.org · Bild 2: Owens im Wettkampf – Quelle: nadaylynews.org · Bild 3: Sieger Jesse Owens – Quelle: ard.de · Bild 4: Medallie im Weitsprung – Quelle: thenorthstarnews.com · Bild 5: Owens + Long – Quelle: ndr.de · Bild 6: Jesse Owens im Berliner Opympiastadion 1964 – Quelle: bz-berlin.de

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published.