Klara Marie Faßbinder

Klara Marie Faßbinder

Klara Marie Faßbinder • Pazifistin in jeder Staatsform

Das Friedensklärchen wurde sie genannt, erst als Verhöhnung, später ein Ehrentitel …

Klara Marie Faßbinder wurde am 15. Februar 1890 in Trier geboren und verstarb am 3. Juni 1974 in Berkum bei Bonn. Sie war eine bedeutende Aktivistin der Frauen- und Friedensbewegung. Sie war das fünfte von sieben Kindern und entstammte einer Lehrerfamilie. Ihr Vater Peter Faßbinder war Volksschullehrer, wie schon sein Vater vor ihm. Auch ihr Großvater mütterlicherseits war Lehrer. Bis auf die jüngste Tochter ergriffen alle Kinder der Faßbinders den Lehrerberuf. Der Bruder Franz schrieb später Lehrbücher für den Deutschunterricht. Sein Enkel war der Regisseur Rainer Werner Faßbinder. Mit 16 Jahren kam Klara Marie auf das Höhere Lehrerinnenseminar nach Koblenz. Im März 1909 legte sie ihr Lehrerinnenexamen für mittlere und höhere Mädchenschulen ab. Die erste Anstellung fand sie in der höheren Mädchenschule der Englischen Fräulein in Darmstadt. Bis 1911 unterrichtete sie hier vor allem die oberen Klassen. Danach lehrte sie am Lyzeum von Emilie Heyermann in Bonn. 1913 legte sie in Münster das externe Abitur ab. Nun konnte sie sich an der Universität Bonn für die Fächer Französisch, Geschichte und Philosophie einschreiben, was Frauen in Preußen erst seit 1908 erlaubt war. Ihr Staatsexamen bestand sie 1917 mit Auszeichnung. Ihre exzellente Beherrschung der französischen Sprache stand jedoch im eklatanten Widerspruch zu ihrer negativen Haltung Frankreich gegenüber, das für die zutiefst patriotische junge Rheinländerin ein Hort der Verkommenheit und Leichtlebigkeit war. Voller Überzeugung von der moralischen Überlegenheit Deutschlands meldete Klara Marie Faßbinder sich im April 1918 zum „vaterländischen Hilfsdienst“, um durch Bildungsangebote die Moral der Truppe zu stärken. Bei der 3. sächsischen Armee im Dörfchen Montgon bei Sedan wurde sie bald zur Vermittlerin zwischen der französischen Bevölkerung und der deutschen Besatzungsarmee. Sie freundete sich mit einer französischen Bäuerin an, deren Mann in der französischen Armee kämpfte. Nach einem Streit über den Ausgang des Krieges wurde Klara Marie Faßbinder auf dem Heimweg im strömenden Regen von den Kindern der Bäuerin eingeholt, die ihren abrupten Aufbruch nicht verstanden hatten. Diese Begegnung im Regen auf einer Wiese in Montgon veränderte ihr weiteres Leben. Von einem Moment auf den anderen warf Klara Marie Faßbinder ihre bisherige nationalistische Überzeugung über Bord und verschrieb sich ganz dem Frieden und der Völkerverständigung. Sie selbst sprach später gern von ihrem „Damaskus-Erlebnis“. Nach Ende des Ersten Weltkriegs arbeitete Klara Marie Faßbinder zunächst in Bonn an ihrer Doktorarbeit in Romanistik. Seit ihren Erfahrungen im Ersten Weltkrieg lag ihr die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland mehr am Herzen als alles andere. Daher ging sie 1920 ins Saarland, das noch französisch besetzt war. 1921 wurde sie Leiterin des Landessekretariats Saar des Bühnenvolksbundes, der sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Theater auch in Orte zu bringen, die sich kein eigenes Schauspielhaus leisten konnten. Ihr Ruf als engagierte Pazifistin hatte ihr schon 1923 eine Einladung zum ersten internationalen Friedenskongress in Freiburg eingebracht. 1924 wurde sie zu einem Kongress beim Völkerbund in Genf eingeladen. Für sie persönlich am bedeutungsvollsten war die Einladung zu den „Entretiens de Pontigny“, die in der alten Zisterzienserabtei in der Nähe von Auxerre jährlich zehn Tage lang abgehalten wurden. 1928 und 1929 erhielt sie eine der begehrten Einladungen. Neben der liberalen Gemeinschaft der Schriftsteller, Philosophen und Wissenschaftler in Pontigny suchte Faßbinder in diesen Jahren auch Kontakt zum „katholischen“ Frankreich, das sie mit Sympathie, aber auch mit kritischem Blick in zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen dem deutschen Publikum näher bringen wollte.

Ihre unerschrockene Art, die sie immer wieder in Zeitschriftenbeiträgen ihre Stimme erheben ließ, brachten Klara Marie Faßbinder in Konflikt mit dem erstarkenden Nationalsozialismus. Bis Ende 1934 schützte sie noch das Saarstatut. Kaum war das Saarland wieder ans Reich angeschlossen, wurde Klara Marie Faßbinder entlassen. Stellungslos und in finanziellen Nöten gelang ihr in diesem schweren Jahr 1935 mehr durch Zufall das, was sie als Mittlerin zwischen französischer und deutscher Kultur mehr bekannt gemacht hat als ihre unermüdliche pazifistische Arbeit der 1920-er Jahre: Die Übersetzung der Werke des Schriftstellers Paul Claudel (1868-1955). Sie hatte eigentlich nur einem befreundeten Priester eine Namenstagsfreude machen wollen und daher „Le chemin de la Croix“ (Der Kreuzweg) von Paul Claudel ins Deutsche übersetzt.


Auf Drängen des Freundes kam die Übersetzung beim Verlag Schöningh heraus. 1938 erschien als nächstes Büchlein „Die Messe“. Nach dem Krieg sollten weitere Übersetzungen folgen. Diese Arbeiten machten sie über die Grenzen hinaus bekannt.

Klara Marie Faßbinder erwarb trotz ihrer Lehramtsfächer nun noch die Lehrbefähigung für Englisch, obwohl ihr die Erlaubnis zum Unterricht an öffentlichen Schulen ausdrücklich verweigert wurde. Ab 1940 übernahm sie die Leitung einer kleinen privaten Mädchen-Realschule, der „Quisisana“ in Horrem bei Köln. Die wirtschaftliche Not zwang die Geschwister Klara Marie, Katharina und Maria, die alle aus politischen Gründen entlassen worden waren, im Haus des Schwagers Josef Becker in Duisdorf (heute Stadt Bonn) zusammenzuziehen, das dieser mit seiner siebenköpfigen Familie bewohnte, seit er wegen seiner politischen Haltung als Bürgermeister von Niederkrüchten-Elmpt im Kreis Viersen zwangspensioniert worden war.

Als der Krieg vorbei war, erhielt die politisch unbelastete Klara Marie Faßbinder, neben ihrem Amt als Schulleiterin, einen Ruf auf eine Professur für Geschichte an die Pädagogische Akademie in Bonn. Doch ihre eigentliche Berufung fand sie 1950, als sie vernahm, dass Konrad Adenauer die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik anstrebte. 1951 war sie in Velbert bei der Gründung der ‚Westdeutschen Frauen-Friedensbewegung’ dabei und wurde Vorsitzende dieser losen, überparteilichen und überkonfessionellen Frauengruppierung. Die WFFB verband nach Fassbinders Überzeugung „die Christin neben der Marxistin, die Hausfrau mit der Berufstätigen, die Wissenschaftlerin mit der Arbeiterin“, die gemeinsam mit Petitionen, Vortragsreihen und Kongressen für den Frieden und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten eintraten. Ihre gesamte Kraft gehörte seitdem der Versöhnung und Verständigung mit dem Osten. In der Ära des ‚Kalten Krieges’ war sie damit genauso unbequem wie vor 1935 an der Saar. Sie wurde nun vom Verfassungsschutz bespitzelt, wegen angeblicher prokommunistischer Äußerungen denunziert, der Bestechung durch den sowjetischen Geheimdienst KGB verdächtigt und schließlich 1953 suspendiert, während ein Dienststrafverfahren gegen sie eröffnet wurde. 


Die Suspendierung musste zurückgenommen werden. Das Verfahren wurde wegen Unhaltbarkeit der Anschuldigungen niedergeschlagen, aber auf Anweisung der Kultusministerin Christine Teusch blieb Klara Marie Faßbinder dennoch bis zum Erreichen der Altersgrenze beurlaubt und durfte das Gebäude der Pädagogischen Akademie nicht mehr betreten.

Nun setzte sie sich erst recht für die Verständigung mit dem Osten und zunehmend auch mit der Dritten Welt ein. Sie bereiste die USA und konferierte mit zahlreichen Delegierten der UNO, sie sprach mit dem sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow und mit dem späteren Papst Johannes XXIII. In der ganzen Welt war sie geachtet, in Deutschland jedoch wurde sie in den Zeitungen spöttisch das „Friedensklärchen“ genannt. Wegen ihrer Bemühungen um die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich beschloss die französische Regierung 1967, ihr den Orden „Les Palmes Académiques“ zu verleihen. Aber der Bundespräsident Heinrich Lübke untersagte ihr die Annahme eines ausländischen Ordens. Lübke selbst äußerte sich sehr abfällig über die geehrte Klara Marie:

„Unter Kommunisten tritt sie als fromme Katholikin auf, und bei den Katholiken ist sie eine stramme Kommunistin. Das ist nicht zu überbietende Falschheit. Und Claudel habe sie doch nur übersetzt, um den Katholiken etwas vorzunebeln“.

Der Fall schlug ungeheure Wellen in der deutschen Presse. Die gerade durch den Militärputsch in Griechenland und den bevorstehenden Schah-Besuch aufgebrachte studentische Linke sah in Faßbinder ein Opfer des kapitalistischen Establishments und feierte die alte Dame begeistert bei einem Auftritt in der Bonner Mensa. Erst nach der Wahl von Gustav Heinemann zum neuen Bundespräsidenten konnte sie den Orden entgegennehmen. Sie wurde nun allgemein geachtet. Zu ihrem 80. Geburtstag 1970 erschien eine Festschrift, zu der der Kölner Kardinal Frings das Vorwort schrieb, und in der neben Walter Dirks und Martin Niemöller auch Hanna-Renate Laurien oder Norbert Blüm zu finden sind. Sie erhielt die Carl-von-Ossietzky-Medaille, war Ehrenmitglied des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer und nach ihr wurde die Klara-Marie-Fassbinder-Straße in Saarbrücken, im Stadtteil St. Arnual benannt. Klara Marie Faßbinder starb 84jährig am 4.6.1974 in einem Altersheim in Berkum bei Bonn. Ihr sehnlichster Wunsch war es, mit dem Orden „Les Palmes Académiques“, der höchsten Ehrung, die ihr das geliebte Frankreich je zuteil werden ließ, begraben zu werden.

Bild 1: Die junge Klara Marie Faßbinder – lvr.de · Bild 2: Buchtitel der Übersetzung von K.M. Faßbinder – imagesamazon.de · Bild 3: Klara Marie Faßbinder – lvr.de

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