Rosa Mayreder

Rosa Mayreder

Rosa Mayreder • Frauenrechtlerin & große Künstlerin

Rosa Mayreder wurde am 30. November 1858 in Wien geboren und verstarb am 19. Januar 1938. Sie war die Tochter eines Gastwirtes namens Franz Obermeyer und dessen um 29 Jahre jüngeren, zweiten Frau Maria. Sie ist das erste Kind aus der Ehe von Franz und Marie Obermeyer, geborene Engel. Ihr Vater arbeitete sich so hoch, dass er seiner Tochter ein bürgerliches Leben und die damit entsprechende Ausbildung bieten konnte. Als höhere Tochter erhält sie so auch Privatunterricht in Französisch, Malerei und Klavierspiel. Der Vater erlaubt ihr an den Griechisch- und Lateinstunden eines ihrer Brüder teilzunehmen.1874 beginnt die intensive Auseinandersetzung mit Richard Wagner, Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche. 1877 verlobt sie sich mit dem Architekten Karl Mayreder. Zwei Jahre später nimmt sie auf Anraten Karl Mayreders Malunterricht bei dem bekannten Landschaftsmaler Hugo Darnaut, später bei Tina Blau. Karl Mayreder und Rosa Obermeyer heiraten im Jahre 1881. Beide bleiben zusammen bis zu Karls Tode im Jahre 1935. Sie versucht, trotz zwei außerehelicher Beziehungen, diese Ehe in aller Offenheit und Liebe zu führen und gesteht ihrem Lino (als Abkürzung von Carlino) stets ihre außerehelichen „Verfehlungen“.

1888 gerät Rosa Mayreder in den Kreis um Marie Lang (Rudolf Steiner, Hugo Wolf, Friedrich Eckstein). Sie beginnt sich mit der Anthroposophie auseinander zu setzen. Nur kurze Zeit später, 1891, werden im Künstlerhaus erstmals Aquarelle Rosa Mayreders ausgestellt. Ab 1893 ist Mayreder im Vorstand des österreichischen Frauenvereins, gemeinsam mit Auguste Fickert und Marie Lang; einige ihrer Bilder werden an der Weltausstellung in Chicago ausgestellt. Eine seltene für eine Frau ihrer Zeit. Sie festigt ihren Ruf als Malerin.

Am 13. Januar 1894 spricht sie erstmals öffentlich bei einer Frauenversammlung im Alten Rathaus zum Thema Prostitution, ein Leitthema in den feministischen Schriften. Mayreder sieht in der Prostitution ein Grundübel. Ein Zitat zur Illustration: “Die doppelte Moral duldet die gemeinste und schädlichste Form des Geschlechtsverkehrs, die Prostitution, indes sie die natürliche Rechtfertigung desselben, die Zeugung, als außereheliches Geschehnis verurteilt.“ (Geschlecht und Kultur: 1923). Unter anderem meinte Karl Kraus, die Frauenbewegung sei eine Ansammlung frustrierter Frauen, was ja auch die Ansicht vieler heutiger Männer ist. Die Veränderungen um die Jahrhundertwende werden heute eher als Revolution der Söhne denn als eine der Töchter betrachtet. Dennoch waren es die Frauen von damals, deren Aufbruch den Zugang zum Studium und zu weiteren Berufen, Verbesserungen der rechtlichen Situation und der Lage am Arbeitsplatz bedeutete.  Man kann sich leicht vorstellen, dass derartige Aussagen nicht unbedingt auf Gegenliebe stießen. In Kreisen des männlichen Bürgertums galt die Frequentierung von Damen aus dem horizontalen Dienstleistungsgewerbe auch als sexueller Initiationsritus für angehende männliche Erwachsene. Ende des Jahres wird die Ethische Gesellschaft in Wien gegründet, in deren erstem Jahresbericht Rosa Mayreder als Schriftführerin erscheint. 1896 erscheint der erste Novellenband „Aus meiner Jugend.“ Im selben Jahr findet die Uraufführung von Hugo Wolfs einziger Oper „Der Corregidor“, deren Libretto (Textentwurf) Rosa Mayreder geschrieben hat, in Mannheim statt. Auch diese Beziehung ist äußerst spannend. Mayreder ist immer der Meinung, dass das Libretto zu der Corrigidor nicht fertig sei. Wolf will ihre Einwände nicht verstehen und besteht auf dem Entwurf. Die Briefe von Hugo Wolf an Rosa Mayreder liegen uns in gedruckter Form vor. Wolf arbeitete wie ein Besessener an dieser Oper – sicherlich in einer manischen Hochstimmung. Er verarbeitet sofort die von Mayreder in Stückwerk verfassten Verse und lässt kaum Korrekturvorschläge zu. 1905 erscheint ihr erster Essay-Band „Zur Kritik der Weiblichkeit“ (1. Teil) bei Diederichs. Dieser Band wird in heute als ihr eigentliches Hauptwerk angesehen. Die Fortsetzung erscheint erst Jahre später. Zwei Jahre später, 1907, gründen Rudolf Goldscheid, Wilhelm Jerusalem, Michael Hainisch, Max Adler u.a. die Soziologische Gesellschaft, in deren Ausschuss Rosa Mayreder als einzige Frau gewählt wird. Rosa Mayreder ist außerdem Mitbegründerin des Vereins zur Bekämpfung der Prostitution.

Im Jahr 1912 tritt erstmals die psychische Krankheit Karl Mayreders offen zutage; in den nächsten Jahren konsultiert Karl Mayreder 59 Ärzte, darunter auch Sigmund Freud, aber ohne Erfolg. Sigmund Freund ist der Meinung, dass Mayreder, selbst ein erfolgreicher Gelehrter an der Technischen Universität, die „Überfrau“ zwischen Anführungszeichen Rosa Mayreder nicht verkraften würde. Eine Diagnose, die Mayreder zunächst in den Wind schlägt. Erst Jahre später sieht sie diese Analyse bestätigt. In ihrem Tagebuch lesen wir am 5. Juli 1923: „’Ich habe einen Nekrolog verfaßt’, sagte Lino beim Frühstück. Und nach einer Pause setzte er hinzu: „Er trägt die Überschrift: der Gatte Rosa Mayreders gestorben.’ Zuerst lachte ich darüber; dann aber erblickte ich darin eine Bestätigung der Freudschen Ansichte, dass er unter meiner Persönlichkeit leide, weil sie seine männliche ‚Vormachtstellung’ unterdrücke.“ (Mayreder: 1988: 226) Ab 1915 setzt sich Rosa Mayreder für die internationale Frauenbewegung ein. Sechs Jahre später, 1921, wird der österreichische Zweig der internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit gegründet, dem Rosa Mayreder als Vizepräsidentin vorsteht. In diesem Jahr erscheinen die „Fabeleien für göttliche und menschliche Dinge“ bei Diederichs und „Die Frau und der Internationalismus“ bei Frisch und Co. in Leipzig. 1923 erscheint ihr zweiter Essay-Band „Geschlecht und Kultur“ wieder bei Diederichs. Dieser Band ist als Gegenschrift zu Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“ und als Fortsetzung zur „Zur Kritik der Weiblichkeit gedacht. 1928 wird sie Präsidentin der Mayreder Gruppe innerhalb der Frauenliga für Frieden und Freiheit. Im gleichen Jahr ehrt die Stadt Wien Rosa Mayreder . Sie wird zur „Ehrenbürgerin der Stadt Wien“ gewählt, einige Zeit später erhält sie aber nur das „Bürgerdiplom“, da sie sich offen zu ihrem jüdischen Großvater bekennt. (Juden war es nicht möglich eine Ehrenbürgerschaft zu erhalten. Auch die Theaterkritikerin und Anglistin Helene Richter sollte 1931 nur zur Bürgerin der Stadt Wien ernannt werden.) Ebenfalls aus Anlass des 70. Geburtstages von Mayreder gibt Käthe Braun-Prager, (Schriftstellerin, Malerin und Schwester von Felix Braun), Freundin und Herausgeberin der Werke von Rosa Mayreder eine Festschrift mit dem Titel „Der Aufstieg der Frau“ heraus, in der bedeutende Persönlichkeiten, wie Stefan Zweig, Lou Andreas-Salomé, Selma Lagerlöf, Eugenie Schwarzwald und Helene Stöcker u.a. gratulieren. Es handelt sich bei dieser Schrift weniger um eine Festschrift im akademischen Sinne. Es werden keine eigenständigen Aufsätze veröffentlicht, sondern Anekdoten, Geschichten und Gedichte zur Ehrung der Jubilarin. 1933 veröffentlicht Mayreder „Der letzte Gott“, diesmal bei Cotta in Stuttgart. Ihren 75. Geburtstag feiert Mayreder, wie es scheint, weit weniger opulent als den 70er. Die Feierlichkeiten in der „Internationalen Frauenliga“ werden erneut von Käthe Braun-Prager ausgerichtet. Diese Feierlichkeiten ehren vor allem Rosa Mayreders feministisches Engagement. Die Rede hält Prof. Elise Richter, ihres Zeichens die einzige habilitierte Frau der Monarchie und eine Wegbegleiterin in den letzten Jahren von Rosa Mayreder.

Die Jahre 1934 und 1935 sind Jahre des Verlustes. 1934 sterben Rudolf Goldscheidt und Marie Lang. 1935 stirbt Karl Mayreder. Es erscheinen „Gaben des Erlebens“, (Aphorismen) im Darmstädter Verlag. 1937 erscheinen als letzte Publikation „Aschmedais“. Sonette an den Menschen“ im Privatdruck. Am 19. Januar 1938 stirbt Rosa Mayreder hochbetagt und hochverehrt in Wien; der literarische Nachlass geht an Käthe Braun-Prager, die schon bald nach England emigrieren muss. Posthum wurden einige Werke von Mayreder zum ersten Mal veröffentlicht oder neu aufgelegt. 1948 erscheint der erste Teil ihrer Erinnerungen mit dem Titel „Das Haus in der Landskrongasse“, der zweite Teil „Mein Pantheon“ wird erst zu ihrem 50. Todestag 1988 veröffentlicht. Im selben Jahr gibt Harriet Anderson die Tagebücher von Rosa Mayreder im Insel Verlag heraus. Einige Werke von Mayreder werden seit neustem im Mandelbaum-Verlag wieder aufgelegt. Wenig an Gedenken ist auch allgemein in Wien zu bemerken: So fehlt am Haus in der Landskrongasse im ersten Bezirk jeder Hinweis auf jene berühmte Tochter, die hier aufgewachsen ist. Wenn Männer hingegen ein paar Jahre in Wien wohnen, werden Tafeln an den Häusern angebracht; wenn mehrere Adressen mit ihnen irgendwie in Verbindung stehen, wird auch überall ihrer gedacht. Zumindest im Stadtbuch „Die Frauen Wiens“ ist keine Gasse und kein Platz mit ihrem Namen aufgeführt. Immerhin steht feministische Weiterbildung einschließlich eines feministisches Grundstudium unter ihrem Stern, und zwar beim Rosa Mayreder-College.  Außerdem zierte das Konterfei von Rosa Mayreder den letzten 500-Schilling Schein Österreichs. Dies sind eindeutige Zeichen für eine Mayreder Renaissance.

Foto1: Rosa Mayreder 1902 – Quelle: dasrotewien.at · Foto2: Buchtitel – Quelle: dasrotewien.at · Foto3: Rosa Mayreder 1928 – Quelle: me.in-berlin.de · Foto4: 500 Schilling-Schein – Quelle: wikipedia.de

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